: Könnte "The Last of Us" Realität werden?

von Nadja Baran
18.02.2023 | 18:12 Uhr
In "The Last of Us" stürzt eine Pilzinfektion die Menschheit ins Chaos. Doch ist das tatsächlich möglich? Immerhin breiten sich neue, veränderte Pilzerreger immer weiter aus.
Stamm von Candida auris, der in einer Petrischale in einem CDC-Labor kultiviert wurde.Quelle: AP
Eine weltweite Pilzepidemie hat die Menschheit dezimiert und die Erde in einen post-apokalyptischen Planeten verwandelt. So startet die Story der neuen Erfolgsserie "The Last of Us".
Wird dort ein Mensch von einem Infizierten gebissen, verwandelt er sich in eine Art Zombie, der durch den Pilz gesteuert wird. Der Grund für die dystopischen Verhältnisse in der Serie: der Klimawandel und gestiegene Temperaturen.

Kann uns in der Realität ein ähnliches Schicksal ereilen?

So ein extremes Szenario sei "sehr, sehr unwahrscheinlich", sagt Prof. Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.
Allerdings beobachten wir seit der Jahrtausendwende, dass neue und veränderte Pilze auftreten und sich auch global ausbreiten.
Prof. Oliver Kurzai, Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen
Warum genau das so ist, darüber ist sich die Wissenschaft uneinig. Doch es gebe einige Hinweise, dass es auch mit dem Klimawandel zusammenhänge.

Warum manche Menschen den Klimawandel als eine Lüge bezeichnen.

31.07.2019 | 20:55 min

Neue Pilzarten, wenig Medikamente

Besonders die Geschwindigkeit, mit der sich die Erreger in den vergangenen 25 Jahren verändert haben, habe ein gewisses Bedrohungspotenzial, so Kurzai. Hinzu komme, dass es gegen Pilzerkrankungen nur eine Handvoll Medikamente gebe - anders als beispielsweise gegen Bakterien.
Zusätzlich tauchen neue Pilzarten auf, die sich sogar von Mensch zu Mensch verbreiten. So zum Beispiel "Candida auris", der seit 2009 vermehrt über Schmierinfektion und Oberflächen übertragen wird. Das kannte man bislang nur von multiresistenten Keimen.

WHO weiß um die Gefahr von Pilzerregern

Kurzai vermutet, dass dieser neuartige Pilz ein Grund für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) war, sich stärker mit dem Thema zu befassen.
So warnte die WHO im Oktober vergangenen Jahres vor einer Zunahme an gefährlichen Pilzerregern und Pilzinfektionen. Diese würden "weltweit ein zunehmendes Problem für die öffentliche Gesundheit" darstellen. 

Anzahl an Pilzinfektionen hat zugenommen

Laut Prof. Oliver Cornely, Leiter des Europäischen Exzellenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen in Köln, hat die Anzahl an Pilzinfektionen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen - auch in Deutschland.
Beispielsweise "Coccidioides", der durch Einatmen der Sporen die oberen Atemwege und die Lunge befällt. Bislang kommt diese Gattung nur in Trockengebieten im Westen der USA, sowie in Mittel- und Südamerika vor. Doch das könnte sich ändern, vermutet Cornely.

Candida auris

Kann von Mensch zu Mensch übertragen werden und Ausbrüche zum Beispiel in Krankenhäusern verursachen. Woher der Erreger stammt, ist noch unklar. Er wurde erst 2009 in Japan entdeckt, ist aber laut der Weltgesundheitsorganisation bereits in mehr als 50 Länder verbreitet. Candida auris kann Resistenzen gegen viele Medikamente entwickeln und ist dann schwer zu behandeln.

Cryptococcus neoformans

Ein Pilz, der in Deutschland eher selten gefunden wird. Weltweit ist er aber wahrscheinlich der häufigste Erreger invasiver Pilzinfektionen. Überwiegend betroffen sind AIDS-Patient*innen, insbesondere in Afrika. Cryptococcus befällt häufig das zentrale Nervensystem und kann schwer zu behandelnde Entzündungen im Gehirn verursachen.

Aspergillus fumigatus

Der Pilz kommt weltweit häufig vor - jeder Mensch atmet täglich Sporen dieses Schimmelpilzes ein. Für gesunde Menschen ist das in aller Regel ungefährlich. Die Immunantwort auf diesen Pilz kann jedoch zu allergischen Reaktionen führen. Besonders gefährdet sind Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem. Bei diesen Patient*innen kann der Pilz schwere invasive Infektionen verursachen.

Risiko durch Klimawandel und Globalisierung

Durch den Klimawandel und die steigenden Temperaturen werde sich der Pilz "Coccidioides" verstärkt ausbreiten, und man gehe davon aus, dass er demnächst fast überall in den USA zu finden sein wird.

Die Folgen des Klimawandels sind auch in den USA deutlich zu spüren.

01.09.2022 | 42:15 min
In Europa gebe es bislang noch keine Hinweise auf diesen Erreger. Es sei allerdings denkbar, dass er sich durch die Globalisierung auch hier ausbreiten könnte, sagt Cornely.
Wir haben in Europa zunehmend Regionen, die sehr trocken und staubig sind. Und wenn jetzt Erde mit diesen Pilzssporen aus Arizona in ein ähnlich klimatisches Gebiet gelangt, dann wird der sich dort auch festsetzen.
Prof. Oliver Cornely, Europäisches Exzellenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen

Hohe Temperaturen fördern Selektionsdruck

Es gibt aber auch weitere Faktoren, warum es zu mehr ungewöhnlichen Pilzerregern kommen könnte, sagt Dr. Volker Rickerts, Infektiologe und Abteilungsleiter für Pilzkrankheiten am Robert Koch-Institut: "Die meisten der geschätzt eins bis fünf Millionen Pilze weltweit wachsen bei Temperaturen unter 30 Grad. Daher verursachen sie meist keine lebensbedrohlichen Erkrankungen."
Wenn es nun aber immer mehr Tage mit Temperaturen über 37 Grad gibt, erhöhe sich der Selektionsdruck. "Dann werden sich vermutlich vermehrt die Arten durchsetzen, die besser an höhere Temperaturen angepasst sind und damit auch leichter Menschen infizieren", so Rickerts.
Auch häufige Extremwetterereignisse könnten zu einer stärkeren Verbreitung der Erreger führen.
Wenn ein Wirbelsturm über die Erde fegt, dann werden mehr von diesen Sporen aufgewirbelt und die wird man dann einatmen.
Dr. Volker Rickerts, Robert Koch-Institut
Pilzerkrankungen könnten also in Zukunft durchaus gefährlicher für uns werden. Auch, wenn dies wohl nicht zu einem apokalyptischen Szenario wie in "The Last of Us" führen wird, Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass wir uns besser schützen müssen.
Wir brauchen mehr Medikamente, bessere Diagnostik, eine Meldepflicht und mehr Forschungsgelder.
Prof. Oliver Cornely, Europäisches Exzellenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen

Thema

Mehr zum Thema