Interview

: "Uns unserer Freiheit bewusst werden"

27.04.2024 | 20:40 Uhr
Sexuelle Freiheit und ihre Liebe zu Deutschland: Das 15. Album der Pet Shop Boys heißt "Nonetheless", auf Deutsch "Nichtsdestotrotz". Warum, erklären Neil Tennant und Chris Lowe.

"Kulturzeit" hat mit Neil Tennant und Chris Lowe über den Wert der Freiheit und ihr neues Studioalbum "Nonetheless" gesprochen.

24.04.2024 | 07:38 min
Zum Gespräch im Londoner Stadtteil Kensington kommen Neil Tennant (69) und Chris Lowe (64) sehr pünktlich. Das hätten sie von den Deutschen gelernt, erzählt Neil Tennant. Er trägt einen schwarzen Anzug. Chris Lowe erscheint mit klassischer Sonnenbrille.
Oft wurden die Pet Shop Boys gefragt, ob sie auch privat ein Paar sind. Sie teilen die gemeinsame Liebe zur Musik, die eine Welt verbindet, in der sich alle frei bewegen sollen.
ZDFheute: Neil, Chris, Sie blicken auf 40 gemeinsame Jahre zurück. Was bedeutet Ihnen Freundschaft?
Chris Lowe: Die ist hier rein beruflich, in erster Linie. (beide lachen)
Neil Tennant: Lasst uns in Freiheit leben. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Freiheit bestehen bleibt in diesen Zeiten.
Chris Lowe: Ja, dafür müssen wir kämpfen.

Die Pet Shop Boys ...

Quelle: dpa
... sind Chris Lowe und Neil Tennant. Das britische Elektro-Pop Duo ist seit 40 Jahren im Geschäft und so populär wie eh und je. "Nonetheless" ist ihr 15. Studioalbum. Hits wie "West End Girls" (1984), "Suburbia" (1986) oder "It's a Sin" (1987) machten sie erfolgreich. Die Pet Shop Boys sind auch für ihre einzigartig inszenierten Live-Shows bekannt. 40 Jahre Pet Shop Boys - das heißt auch: 40 Jahre Ringen um sexuelle Freiheit.
ZDFheute: Das klingt skeptisch. Die Melodien für das neue Album entstanden während der Pandemie...
Tennant: Es ist ziemlich emotional geworden.
Ich kann nicht sagen warum, aber die Emotionalität ist hörbar in Musik und Texten.
Neil Tennant
ZDFheute: Sie eröffnen das Album mit "Loneliness". Ein Song über tief sitzende Einsamkeit, ein Song über das Leben vor dem Coming Out?
Tennant: 1994, als eine neue Schwulenzeitschrift mich auf das Cover bringen wollte, dachte ich, es wäre komisch, nicht zu sagen, dass ich schwul bin. So kam es, dass ich mich outete. Ich war gerade 40, in einer neuen Beziehung, dachte, das ist die richtige Zeit.
Und so war es für mich auch ein Weg, es meinen Eltern zu sagen. Ich war im Urlaub, als sie mich anriefen. Sie sind süß damit umgegangen.
Neil Tennant
ZDFheute: Ein Jahr vor dem Outing erschien "Go West". Heute ist es eine Hymne in Fußballstadien, eine Hymne der LGBTQ-Community und eine Hymne der Freiheit des Westens. Die Freiheit des Westens ist das Thema in einem weiteren neuen Song: Dancing Star, richtig?
Tennant: Dancing Star - ich dachte: wunderbarer Titel für einen Popsong. Und da kam mir sofort Rudolf Nurejew in den Sinn. Er war bisexuell. Ein großer Sowjetstar, der auch im Ausland gefeiert wurde. Im Song heißt es: In den 60ern konnte man die Freiheit fühlen. Er hat 1961 die Sowjetunion verlassen, weil er frei sein wollte. Und diese Freiheit soll in dem Song spürbar sein.
Und ich glaube, es würde uns allen guttun, uns unserer Freiheit bewusst zu werden.
Neil Tennant

Pet Shop Boys: Deutscher Einfluss auf dem neuen Album

Quelle: dpa
Zu Deutschland haben die Pet Shop Boys eine enge Verbindung. Einige ihrer Alben haben sie in den Berliner Hansa Studios aufgenommen. Auch auf dem neuen Album nehmen sie Bezug auf Deutschland: "The Schlager Hit Parade" ist eine ironische Beobachtung der Musiksendungen im Nachkriegsdeutschland. Tennant singt von "Glühwein, Wurst and Sauerkraut" und dem unterschwelligen Wunsch, die düstere Vergangenheit hinter sich zu lassen: "What happened never happened in the Schlager hit parade".
ZDFheute: Auch zu Deutschland haben Sie eine besondere Beziehung?
Tennant: Wenn wir in Berlin sind, leben wir in West-Berlin. Da gab es früher eine lustige Schwulenbar an der Ecke, die gibt’s jetzt nicht mehr.
Da spielten sie 70er-, 80er-Jahre-Pop und -Schlager. Der fasziniert uns eh. Und irgendwie machen wir ja auch Schlager!
Neil Tennant
Das Interview führte Nicolette Feiler-Thull. Sie ist Redakteurin in der 3sat-"Kulturzeit"-Redaktion.

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