: Deutschlands Ringen mit der Aktienrente

von Frank Bethmann
11.01.2023 | 09:54 Uhr
Die Rente ist sicher, ihre Finanzierung schon lange nicht mehr. Helfen soll künftig eine weitere Finanzierungsquelle: der Kapitalmarkt. Doch es fehlt an Entschlossenheit.
Welche Zukunft hat die gesetzliche Altersvorsorge? SymbolbildQuelle: Marijan Murat/dpa/dpa-tmn/Archivbild
Wenn man dieser Tage liest, die Rentenkasse sei gut gefüllt, dann ist das nicht mehr als eine Momentaufnahme. Die zudem eine Sicherheit in der gesetzlichen Altersvorsorge vorgaukelt, die es schon lange nicht mehr gibt.
Jahr für Jahr müssen Mittel aus dem Bundeshaushalt locker gemacht werden, um die Defizite in der Rentenkasse auszugleichen. Derzeit schießt der Bund 110 Milliarden Euro dazu, das ist ein Viertel des Haushalts. In den kommenden Jahren dürfte die Quersubventionierung der Rente mit Steuergeldern noch deutlich zunehmen.

Um die Rentenkasse vor dem Kollaps zu bewahren, schlagen einige Wirtschaftsexperten eine Rente mit 70 vor. Die Ampel-Parteien und auch der Gewerkschaftsbund lehnen den Vorschlag bisher ab.

02.08.2022 | 01:55 min
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat errechnet, wenn man das Rentenniveau langfristig wie geplant halten will und gleichzeitig die Beitragsätze begrenzt, benötigt man 2060 60 Prozent der Bundesmittel, um das Defizit in der Rente zu decken.

Rentensystem künftig immer schwieriger zu finanzieren

"So kann es nicht weitergehen", sagt Sven Schumann, Experte für Altersvorsorge, Wirtschafts- und Finanzbildung von der Deutschen Börse. Nicht die Rentenkasse sei voll, sondern der Durchlauferhitzer für die Rentenkasse.
Was Schumann meint, ist klar: Nur jetzt, um die Ansprüche der derzeitigen Rentner zu sichern, gebe es keine Probleme. In der Zukunft aber sieht das ganz anders aus. Seit Jahren ist bekannt, immer weniger Arbeitende müssen für immer mehr Rentner sorgen.

Jüngere müssen Zeche zahlen

Bereits 2035 müssten rechnerisch hundert Beschäftigte die Ansprüche von 45 Rentnern finanzieren. Oder um im Bild des Durchlauferhitzers zu bleiben: Es kommt immer weniger Wasser an, dabei ist der Bedarf an warmem Wasser enorm. Schumann will aufklären. Die Jüngeren werden die Zeche zahlen, sagt er.
Ihre Rentenansprüche sind alles andere als sicher. Zudem fehlen die Steuergelder, die jetzt in die Rente fließen für dringend benötigte andere Investitionen; beispielsweise in Bildung. Er unterstützt daher das Vorhaben der Ampelregierung zur Erschließung einer weiteren Quelle – das Vorhaben, einen Teil der Rentenansprüche über den Kapitalmarkt zu finanzieren.

Rentenreform: Schweden als Vorbild

Deutschland ist spät dran, die Rente zu reformieren. In Schweden beispielsweise hat die Politik beizeiten begonnen, die Altersvorsorge um eine kapitalgedeckte Säule zu ergänzen. Eine sogenannte Prämienrente. Seit dem Jahr 2000 fließen nun 16 Prozent des Bruttogehalts der Schweden in die umlagefinanzierte Rente und 2,5 Prozent werden in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge eingezahlt.
"Das hat", sagt Jens Magnusson, Chef-Ökonom der schwedischen SEB-Bank, "für eine gewisse Entlastung des Rentensystems gesorgt". Wohin diese 2,5 Prozent fließen, entscheidet jeder Arbeitnehmer selbst. Ihm stehen dabei einige Hundert Fonds zur Verfügung. Auch die SEB profitiert davon, bietet entsprechende Fonds an.
Jens Magnusson sieht in der Aktienrente aber auch Vorteile für die Schweden selbst. Bewusst hätten sich die Skandinavier damals für diesen Weg entschieden, schließlich ist nicht jeder oder jede bereit, das gleiche Risiko zu gehen. So hat man die Möglichkeit zu wählen, welcher Aktienfonds zu einem passt.
Und dann sagt Magnusson, spielte noch etwas eine wichtige Rolle:
Es wurde als gut empfunden, dass jeder etwas mehr über Fonds und den Aktienmarkt lernt und feststellt, wenn es Schweden, der schwedischen Wirtschaft und den schwedischen Unternehmen gut geht, dann ist es auch gut für meine Prämienrente.

Rentenreform braucht langen Atem

Vom kollektiven Gefühl, was dabei entsteht, spricht auch Bildungsexperte Schumann. Diese Chance auf etwas mehr Aktienkultur scheint die Ampel-Koalition allerdings so nicht länger zu verfolgen.
Im Gesetzgebungsverfahren, welches in den kommenden Monaten starten soll, ist statt von einer Aktienrente nur noch von einer Aktienrücklage die Rede. Dabei will der Staat selbst einen Fonds gründen und mit den Renditen der in Aktien angelegten Gelder die Löcher in der Rentenkasse stopfen.
Umstritten ist diese Lösung gleich doppelt. Zum einen muss sich Bundesfinanzminister Christian Lindner für diesen Staatsfonds weiter verschulden. Er will, so der Plan, zehn Milliarden Euro dafür aufnehmen. Zum anderen seien 10 Milliarden Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Reicht 1 Million Euro für den Ruhestand?

05.11.2018 | 02:15 min
Das Kapital für den Staatsfonds soll in den kommenden Jahren weiter aufgestockt werden. "Das ist gut", findet Sven Schumann, "ebenso wichtig aber ist ein langer Atem".
Altersvorsorge - insbesondere am Kapitalmarkt - entwickelt seine Wirkung erst über viele, viele Jahre. In Schweden, wo man die ergänzende Aktienrente vor über 20 Jahren eingeführt hat, macht ihr Anteil an der Gesamtrente von durchschnittlich knapp 1.900 Euro zurzeit gerade einmal 70 Euro aus. Solche Reformen benötigen also auch Zeit.

Themen

Mehr zum Thema Rente