: Lehrer senden Hilferuf an Politik

von Svenja Dohmeyer
26.02.2024 | 09:23 Uhr
Beleidigungen, Prügeleien, sexualisierte Gewalt - immer öfter enden Konflikte an Schulen in Schlägereien. Lehrkräfte und Schulleitungen verzweifeln.

An Brennpunktschulen kommt es immer häufiger zu Gewalt. Prügeleien und aggressive Eltern, die Pädagogen bedrohen, sind keine Seltenheit. Die Schulen schlagen Alarm.

20.02.2024 | 03:51 min
Schülerinnen und Schüler provozieren andere oder ärgern aus Spaß. So weit, so bekannt. Doch immer häufiger eskalieren Situationen in der Klasse, auf dem Pausenhof oder dem Schulweg. An der IGS Büssingweg in Hannover habe es mit dem Ritual der 'Geburtstagsschläge' begonnen: ein Schüler bekommt dabei 'aus Spaß' von seinen Mitschülern so viele Schläge, wie er alt geworden ist. An einem Vormittag sei dann allerdings eine Massenschlägerei daraus geworden, bei der ein Junge eine schwere Gehirnerschütterung erlitten habe, berichtet Schulleiterin Isabell Lenius.
Auch an der IGS Stöcken kämpfen Lehrerinnen und Lehrer täglich mit Respektlosigkeit, Beschimpfungen und Bedrohungen. "Es gab mehrere Reizgasangriffe, und wir bekommen häufiger die Meldung, dass Jugendliche Messer mit in die Schule bringen", erzählt Lehrerin Imke Ebbing. Fast täglich müsse man Schüler aus disziplinarischen Gründen vom Unterricht ausschließen, manchmal bis zu fünf an einem Tag.

Sozialpsychologin Catarina Katzer erläutert die Hintergründe der steigendenen Gewalt an Schulen.

20.02.2024 | 05:07 min

Schulen schreiben Brandbrief an die Stadt

Beide Schulen gelten als Brennpunktschulen und haben sich jüngst mit einem Brandbrief an die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen gewandt. "Wir können nicht mehr", erklärt die Schulleiterin der IGS Stöcken Anja Backhaus, "wir möchten eine bunte Schülerschaft, wir möchten Chancengleichheit, und wir erreichen sehr viel bei unseren Kindern. Aber wir haben so viele Aufgaben, so viele Konflikte, so viele Bereiche abzudecken, dass sich eine ganz große Erschöpfung breit gemacht hat."
Neben den Lehrkräften kümmern sich an der IGS Stöcken zwei Sozialarbeiterinnen um die Probleme der knapp 1.000 Schülerinnen und Schüler. Doch der Bedarf ist derart gestiegen, dass das längst nicht mehr ausreicht. Die Jugendlichen kommen aus mehr als 40 Nationen. Einige haben Fluchterfahrungen, können kaum Deutsch oder stammen aus bildungsfernen oder sehr armen Familien.

Beziehungsarbeit im Fokus

Mindestens so wichtig wie die Wissensvermittlung sei heute die Beziehungsarbeit. Es brauche vor allem Verständnis, viele Gespräche und Zeit, um Vertrauen zwischen Lehrkräften und Schülern aufzubauen. An der IGS Stöcken versucht man in den Jahrgängen 5 und 6 außerdem, mit Sozialtrainings und Gewaltpräventionsprojekten vorzubeugen.
Rund 80 Prozent der Schülerschaft erreichen die Pädagogen nach eigener Einschätzung gut mit dieser intensiven Beziehungsarbeit. Bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen aber greifen die Maßnahmen nicht.
Die Schulen wünschen sich zudem dringend Unterstützung bei der Pausenaufsicht. Ein von der Stadt Hannover kurzzeitig eingesetzter Sicherheitsdienst wurde allerdings nach wenigen Wochen wieder eingestellt. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay hält auf Dauer ein externes Ordnungsteam für den falschen Weg und will keine amerikanischen Verhältnisse.

Die Kriminalstatistik für Kinder und Jugendliche zeigt einen erschreckenden Anstieg. An Brennpunktschulen stehen Schlägereien auf der Tagesordnung. Im Bundestag wird heute über mögliche Hilfen gesprochen.

11.04.2024 | 01:35 min

Auch Eltern werden zum Problem

Zunehmend zum Problem wird auch die Aggressivität mancher Eltern, die die Konflikte ihrer Kinder selbst auf dem Schulhof regeln wollen.
"Das sind nicht nur freundliche Eltern an der Stelle, die sind auch sehr aufgebracht, da sieht man sich teilweise in einer bedrohlichen Situation wieder und muss gut deeskalieren können", berichtet Isabell Lenius. Mehr als 100 Klassenkonferenzen gab es an ihrer Gesamtschule alleine im 1. Halbjahr.

An einer Realschule in Nordrhein-Westfalen werden die Handys der Schüler von den Lehrkräften vor Unterrichtsbeginn eingesammelt. Damit will man Videoaufnahmen von Gewalt auf dem Schulgelände verhindern.

16.06.2023 | 01:47 min

Schulen hoffen auf bessere Unterstützung

Mit kleineren Klassen, Dolmetschern, mehr Personal und mehr Geld für Präventionsprojekte ließe sich vieles verbessern. Die Hoffnung der beiden Gesamtschulen ruht jetzt auf einem Sozialindex, mit dem das niedersächsische Kultusministerium noch in diesem Jahr Brennpunktschulen besser ausstatten will.
Er soll mehr Personal bringen und die Möglichkeit, zusätzlich Geld aus dem Startchancen-Programm des Bundes zu generieren. Eine Milliarde Euro stehen Schulen in schwierigen sozialen Lagen dabei jährlich zu Verfügung.

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