: Wie ich eine toxische Beziehung erkenne

von Charlotte Bauer
19.11.2022 | 15:03 Uhr
Machtspiele, Eifersucht, Manipulationen: Toxische Beziehungen sind weit verbreitet - in Partnerschaften, im Job, in der Familie und unter Freunden. Wie man einen Ausweg findet.
"Fast verrückt geworden": Toxische Beziehungen im Arbeitsumfeld sind extrem belastend.Quelle: iStock/Fizkes
Als sie ihren neuen Job anfing, schien alles perfekt. Ihr Chef überhäufte sie nahezu mit Lob. Doch es dauerte nicht lange, bis sich ihr vermeintlicher Traumjob als Albtraum entpuppte. Immer häufiger überschritt ihr neuer Chef Grenzen, kam ihr körperlich zu nahe. "Bin ich zu empfindlich?", fragte sich Anna, die eigentlich anders heißt. 
So schildert Kirsten Schierbaum, Expertin für toxische Beziehungen und Narzissmus, den Fall einer Klientin. Mit der Zeit ging es Anna immer schlechter. Etwas zu sagen, traute sie sich nicht. Sie hatte Angst, dass sie wieder gehen muss, wenn sie jetzt nicht funktioniert. Sich nicht trauen, Grenzen zu setzen - laut Schierbaum ein typisches Alarmsignal von toxischen Beziehungen. 
Schließlich ging Anna nur noch mit Magenschmerzen und Migräne zur Arbeit. Doch es wurde noch schlimmer: Ihr Chef fing an, sie ständig zu kritisieren, Workflows wurden geändert. "Ein typischer Narzisst ändert ständig die Regeln", erklärt Schierbaum. "Die gelten heute so und morgen wieder so, da kannst du gar nicht mitkommen. Sie ist wirklich fast verrückt geworden."  

Toxische Beziehungen kommen in Beruf und Partnerschaft vor

Häufig ist von toxischen Beziehungen in Partnerschaften die Rede. Aber auch im Arbeitsumfeld gibt es Fälle, wo Arbeitnehmende unter toxischen Chef*innen leiden, so Schierbaum. 
Gleiches gelte innerhalb der Familie oder im Freundeskreis, wenn Eltern zum Beispiel ihren Kindern kaum Empathie zeigen oder wenn Freund*innen nur nehmen, aber nie etwas zurückgeben. Wie viele Menschen in Deutschland unter toxischen Beziehungen leiden, legt eine Umfrage des Online-Partnervermittlungs-Portals "Parship" nahe:   
Quelle:

Mit Liebe überschüttet - und plötzlich fallen gelassen

Auch Kirsten Schierbaum kennt dieses Gefühl, erst mit Liebe überschüttet und dann plötzlich fallengelassen zu werden - allerdings aus einer früheren Partnerschaft. Lange Zeit war sie in einer toxischen Beziehung gefangen, konnte sich einfach nicht von ihrem Ex-Partner lösen.  
Immer habe sie viel für die Beziehung gegeben, sagt sie, aber etwas zurückbekommen habe sie nie. Stattdessen habe sie gelernt eine "Wunscherfüllerin" zu sein. Dennoch konnte sie es ihm nie recht machen.  
 
Ich habe da extrem darunter gelitten.
Kirsten Schierbaum, Coachin für toxische Beziehungen
Ständig wollte ihr Ex-Partner die Kontrolle über sie haben, sagt Schierbaum. Und sie musste funktionieren. "Wenn ich Sex nicht leben wollte, war das egal. Ich musste geben", sagt sie. Es folgte, was folgen musste: Ein mentaler Zusammenbruch. "Ich war nur noch müde und erschöpft. Ich konnte nichts mehr, was ich früher geliebt hatte, genießen. Im Gegenteil: Auf einmal war alles zu viel." 

Frauen sind häufiger betroffen als Männer

Toxisch bedeutet so viel wie "giftig", eine ungesunde Beziehung. Machtspiele, Eifersucht, Narzissmus - Toxische Beziehungen äußern sich oft diffus. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. 

Toxische Beziehungen können auch negative Folgen für die Gesundheit haben. Coachin Schierbaum zum Beispiel hat lange unter chronischer Müdigkeit gelitten. Einige Betroffene beklagen auch Magenprobleme oder Schlafstörungen, wieder andere bekommen psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzustände. 

Wie verlaufen toxische Beziehungen?

Oftmals verlaufen toxische Beziehungen nach einem vorhersehbaren Muster:  

Wie verlasse ich eine toxische Beziehung?

Um aus diesem Zustand rauszukommen, hilft laut Kirsten Schierbaum nur ein radikaler Kontaktabbruch. Betroffene können sich dafür auch professionelle, psychologische Unterstützung suchen.  
Schierbaums Klientin mit dem toxischen Chef habe es schließlich geschafft, sich zu lösen. Sie hat ihrem Chef keine Zugeständnisse mehr gemacht und die Reißleine gezogen: Sie hat gekündigt.