Interview

: "Waldbrände entstehen durch Fehlverhalten"

10.06.2023 | 15:46 Uhr
Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes sieht mit Sorge auf die Gefahr von Waldbränden in Deutschland. Die Feuer würden oft genug vom Menschen verursacht, sagt er ZDFheute.
Eine achtlos weggeworfene Zigarette kann in kürzester Zeit für einen Waldbrand sorgen. Symbolbild.Quelle: dpa
ZDFheute: Der Waldbrand bei Jüterbog in Brandenburg, das Feuer am Brocken im Harz: Wie blicken Sie Anfang Juni auf den Sommer?
Karl-Heinz Banse: Ich blicke mit Sorge auf den Sommer. In Nord- und Mitteldeutschland hatten wir seit längerer Zeit keine nennenswerten Niederschläge. Dabei hatte das Jahr relativ feucht begonnen, der Grundwasserspiegel stieg etwas und die Waldbrandgefahr war nicht so hoch.

Karl-Heinz-Banse...

Quelle: K. Neuhauser
… ist seit Februar 2021 Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). Dieser vertritt die Interessen der mehr als eine Million Angehörigen der Freiwilligen, Jugend-, Berufs- und Werkfeuerwehren bundesweit.
ZDFheute: Der Deutsche Wetterdienst spricht sogar davon, dass der Frühling so nass war wie zuletzt vor zehn Jahren.
Banse: Für den Zeitraum war es eine Erleichterung. Wenn es dann aber ein, zwei Wochen lang keine Niederschläge gibt, ist die Oberfläche trocken und das Feuer kann sich ausbreiten. Es brennt ja nicht nur die Vegetation oberhalb des Bodens, sondern auch die Humusschicht als Teil des Bodens. Insgesamt steigen die Waldbrandgefahren.
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ZDFheute: Welche Fehler wurden aus ihrer Sicht in den vergangenen Jahren bei der Prävention von Waldbränden gemacht?
Banse: Das fängt schon etliche Jahre rückblickend an: Waldgebiete wie im Harz dürfen nicht fast nur von Fichten bewachsen sein – oder von Kiefern, wie im Norddeutschen Tiefland oder auch in Brandenburg.
Diese Reinkulturen bergen eine große Gefahr, bei den Fichten etwa haben wir jetzt das Problem des Waldsterbens.
Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes
Der Borkenkäfer sorgte dafür, dass die meisten Fichten im Harz jetzt Totholz sind. Wir brauchen Mischwälder.
Und um Prävention zu betreiben, müssen wir Waldwege anlegen, die befahrbar sind. Schneisen, an denen Brände gestoppt werden können. Wir müssen außerdem Löschwasser zur Verfügung stellen: Durch Zisternen, Löschteiche oder Wasserleitungen können wir Wasserentnahmestellen in den Wäldern schaffen.
In Deutschland gibt es ein Niederschlagsdefizit:

Hierzulande sei zudem die "Verdunstung angestiegen, es ist viel zu warm in Deutschland", so der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, deshalb müsse auch künftig "der Niederschlag ansteigen, um das Defizit auszugleichen".

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ZDFheute: Was kann jeder Einzelne tun, um Waldbrände zu verhindern?
Banse: Immer daran denken: Trockene Vegetation am Boden ist hochentzündlich. Auf keinen Fall rauchen. Sie sollten auch nie offenes Feuer im Wald machen. Besonders muss man achtgeben, wenn man mit dem Auto auf Wiesen fährt.
Der heiße Auspuff allein kann schon dafür sorgen, dass bei einem abgestellten Auto ein Brand entsteht.
Die meisten Waldbrände entstehen durch das Fehlverhalten von Menschen. Und wenn das Gras trocken ist, dann kann es sehr schnell gehen.
Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes
ZDFheute: Wie reagiert man, wenn man im Wald ein Feuer bemerkt oder sogar selbst auslöst?
Banse: Sie sollten als allererstes die Feuerwehr rufen und die genaue Örtlichkeit nennen. Dabei können Rettungspunkte helfen. Sonst kann man über das Navi Längen- und Breitengrad einsehen oder sich über das Handy orten lassen.
Als nächsten Schritt können Sie versuchen, das Feuer selbst auszumachen. Vielleicht liegt im Auto eine Decke oder ein Feuerlöscher. Wer unbewusst eine Kippe wegwirft, muss sie sofort austreten und sollte dann einen Moment abwarten, ob das Feuer wirklich vorbei ist – aber bloß nicht achtlos weitergehen.

Wie kann Waldschutz in der Klimakrise gelingen?

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ZDFheute: Wie gut sind die Feuerwehren für diese Waldbrandsaison aufgestellt?
Banse: Die Feuerwehren sind grundsätzlich gut aufgestellt. Wir haben über eine Million Einsatzkräfte – 36.000 Berufsfeuerwehrleute und ungefähr 36.000 Werkfeuerwehrleute, sonst Ehrenamtliche. Es gibt Kontingente und Bereitschaften, von denen überörtlich und sogar länderübergreifend Hilfe geleistet wird, wenn es erforderlich ist. Wir müssen uns aber verbessern.
ZDFheute: Wie wollen Sie das umsetzen?
Banse: In der Ausbildung etwa müssen wir mehr Lehrgänge zum Thema Vegetationsbrandbekämpfung anbieten. Das lässt sich leider nicht von heute auf morgen regeln, denn im deutschen Föderalismus müssen 16 Länder zustimmen, wie taktisch vorgegangen wird oder wie die Kleidung aussieht.
Wir brauchen andere, leichtere Schutzkleidung als die für Gebäudebrände. Wir brauchen zum Teil auch andere Fahrzeuge, denn die für den städtischen Raum sind für Waldbrände nicht geeignet.
Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes
Wir brauchen Fahrzeuge mit Allradantrieb, die leichter und beweglicher sind, um überhaupt in die Wälder reinzukommen.

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Ein großes Plus wäre es auch, wenn wir mit entsprechenden Hubschraubern und bzw. oder Löschflugzeugen mehr Brandbekämpfung aus der Luft ermöglichen könnten. Es gibt Feuerwehren, die bereits über solche Ausrüstung verfügen. Natürlich ist das für die Kommunen als Träger der Feuerwehren eine große finanzielle Belastung. Aber es gibt Fachempfehlungen, die müssen flächendeckend umgesetzt werden. 
Das Interview führte Laura Roban, Reporterin der ZDFheute.

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