: AfD-Jugend "gesichert rechtsextremistisch"

von Julia Klaus
27.04.2023 | 10:15 Uhr
Die AfD-Jugend "Junge Alternative" wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" hochgestuft. Was das für ihre Mitglieder bedeutet.

Die AfD-Jugend, die "Junge Alternative", wurde vier Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet. Jetzt steht fest, dass die Organisation rechtsextremistische Bestrebungen und verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.

26.04.2023 | 01:27 min
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD-Parteijugend "Junge Alternative" (JA) nun als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Das erfuhr ZDFheute von der Behörde. Die Positionen der JA seien "nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", so Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts. Damit kann die Jugendorganisation, die laut eigenen Angaben knapp 2.000 Mitglieder zählt, noch leichter nachrichtendienstlich beobachtet werden.

JA-Vorsitzender als Extremist eingestuft

Die meisten Verstöße sehen Sicherheitsbehörden im Bereich der Menschenwürde. JA-Vertreter grenzen insbesondere Musliminnen und Muslime sowie Migrantinnen und Migranten aus und machen sie verächtlich. Etwa, indem sie ihre Herkunft mit einem angeblichen Hang zu Kriminalität und Gewalt verknüpfen. Vorsitzender der JA ist der als Extremist eingestufte Soldat Hannes Gnauck.
Er sagte ZDFheute, die Hochstufung sei ein "durchschaubares Spiel zur Diskreditierung der Opposition".
Für die JA bedeutet dies lediglich, eine weitere Hetzkampagne seitens des Establishments ertragen zu müssen.
Hannes Gnauck, Vorsitzender Junge Alternative
Schon 2019 war die JA als Verdachtsfall eingestuft worden. Damit war das Abhören von Telefonen, das Mitlesen von E-Mails sowie der Einsatz von V-Leuten theoretisch möglich. Ob und welche Maßnahmen der Verfassungsschutz ergreift, darüber schweigt er sich naturgemäß aus.
Was der Unterschied zwischen Prüffall, Verdachtsfall und der Einstufung als extremistisch ist, lesen Sie hier:

1. Prüffall

Es dürfen noch keine nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden - es wird also nicht überwacht. Doch es liegen "erste tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer extremistischen Bestrebung" vor. Der Verfassungsschutz darf öffentlich einsehbare Informationen sammeln - etwa, wenn eine Person etwas bei Facebook postet, bei einer Demo auftritt oder dort eine Rede hält.

2. Verdachtsfall

Ab jetzt dürfen nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Beim Verdachtsfall liegen für den Verfassungsschutz "hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer extremistischen Bestrebung" vor.

3. Gesicherte extremistische Bestrebung

Wenn sich die "tatsächlichen Anhaltspunkte zur Gewissheit verdichtet haben", ist die oberste Stufe erreicht. Der Verfassungsschutz darf beobachten - und hat bei der Verhältnismäßigkeits-Abwägung mehr Spielraum.

Wo ist der Unterschied zwischen den letzten beiden Stufen?

Eine Überwachung ist ein starker Eingriff in die Grundrechte, der immer begründet sein muss. Beim Verdachtsfall muss der Verfassungsschutz noch stärker abwägen, ob eine Maßnahme es wert ist, um eine bestimmte Information zu generieren. Ihr Nutzen muss größer sein als der Schaden, den sie möglicherweise auch verursacht - es geht immer um die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Quelle: Julia Klaus

Der Staat will Extremisten entwaffnen

Konkrete Folgen könnte es für JA-Mitglieder haben in Bezug auf
  • die Erteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen. JA-Mitgliedern könnte der Zugang zu Waffen erschwert werden, da der Staat Extremisten entwaffnen will. Zwar gibt es bei der Umsetzung noch Probleme, doch theoretisch kann die Zugehörigkeit zu einer gesichert rechtsextremistischen Organisation ein Grund sein, die Erlaubnis zu entziehen oder einen Neuantrag nicht zu genehmigen.
  • Die Entfernung aus dem Öffentlichen Dienst wird leichter bzw. damit kann künftig Neu-Bewerbern der Zugang leichter verwehrt werden.
JA-Chef Gnauck sagte ZDFheute dazu, dass "einige Mitglieder, die zum Beispiel verbeamtet oder Jäger sind, davon besonders stark betroffen" seien. Das jedoch sei auch das Kalkül. "Man hofft auf die Säuberung der Behörden von Patrioten und wird auch nicht bei der JA Halt machen."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Mittwoch zur Einstufung der JA, die Akteure der "Neuen Rechten" verbreiteten Hass gegenüber Andersdenkenden, Geflüchteten und anderen Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie betonte:
Gefährlich sind nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiten.
Nancy Faeser, Bundesinnenministerin

Die AfD wird zehn Jahre alt. Doch für viele der Gründer ist das kein Grund, um zu feiern.

31.01.2023 | 13:31 min

AfD-Jugend sitzt nun selbst in den Parlamenten

Die Junge Alternative ist eng mit ihrer Mutterpartei verwoben: Viele JA-ler arbeiten in Abgeordnetenbüros oder sind selbst in die Parlamente gewählt worden. Wie sich die JA-Hochstufung auf die AfD - die dieses Jahr zehnjährigen Geburtstag feiert - auswirkt, ist offen.
Ein Rechtsstreit zwischen dem Verfassungsschutz und der AfD läuft noch immer. Das Verwaltungsgericht Köln hatte im März 2022 entschieden, dass das Bundesamt die Partei als Verdachtsfall einordnen und beobachten darf. Dagegen hatte die AfD Berufung eingelegt - mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster wird nicht vor Ende des Jahres gerechnet.
Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel nannten die Einstufung ihrer Jugend "empörend" und schrieben gegenüber ZDFheute von einem "prozesstaktischen Manöver, um das bevorstehende Verfahren am OVG Münster einseitig zu beeinflussen". Bezogen auf die JA prüfe man den Einsatz juristischer Mittel. Auch JA-Chef Gnauck kündigte gegenüber ZDFheute an, man werde "gerichtlich dagegen vorgehen".

Zwei weitere Organisationen "gesichert rechtsextremistisch"

Auch den Verein "Ein Prozent" und das "Institut für Staatspolitik" (IfS) stuft das Bundesamt nun als "gesichert rechtsextremistisch" hoch. Beide waren bislang als Verdachtsfälle behandelt worden und gelten als wichtige Bausteine der Neuen Rechten in Deutschland. Die Neue Rechte versteht sich als Gegenmodell zur sogenannten Altrechten, die sie im Nationalsozialismus verhaftet sieht. Neurechte setzen in ihrem Auftreten oft auf gegenwärtige Kleidung, Medien und Kommunikationsmittel.
Der Verein "Ein Prozent" ließ etwa ein Computerspiel entwickeln, das später auf den Index für jugendgefährdende Medien gesetzt wurde, und betreibt auch einen Podcast.
Der Name des selbst ernannten Kampagnen-Netzwerks "Ein Prozent" ist von der Behauptung entlehnt, dass angeblich nur ein Prozent der Deutschen nötig wären, um eine politisch-gesellschaftliche Wende im Sinne von "Ein Prozent" herbeizuführen. Der Verein unter dem Vorsitz von Philip Stein schürt Ängste vor einer angeblichen Überfremdung und warnt vor einer "Umvolkung" - eine in rechtsextremen Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie, wonach Deutsche gezielt durch Migration ausgetauscht werden würden.

Hochgestufte Organisationen können dagegen klagen

Das IfS gilt als neurechte Denkfabrik, mit Sitz in Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Auch Köpfe der AfD besuchen Seminare dort. Neben seinem Veranstaltungsangebot gibt das Institut auch die in neurechten Denker-Kreisen wichtige Zeitschrift "Sezession" heraus. Geleitet von Erik Lehnert und aufgebaut von Götz Kubitschek funktioniert das IfS somit als wichtiger neurechter Thinktank.
Alle Organisationen können klagen - ein langjähriger Rechtsstreit wie im Falle der AfD ist somit möglich.

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