: Ukraine: Wie der Krieg dem Jobmarkt zusetzt

von Thomas Dudek
16.02.2024 | 20:05 Uhr
Trotz des Krieges erlebt die ukrainische Wirtschaft einen leichten Aufschwung. Doch der Krieg sorgt gleichzeitig dafür, dass Unternehmen freie Stellen oft nicht besetzen können.
Im Kriegsverlauf immer weniger verfügbar: Arbeiter in der UkraineQuelle: picture alliance / Photoshot
Fast täglich stattfindende russische Raketenangriffe auf ukrainische Städte oder die seit Monaten andauernde Debatte über ein neues Mobilisierungsgesetz, mit dem das Militär 500.000 Menschen einberufen möchte. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die vor zwei Jahren begonnene russische Großinvasion das Leben der Menschen in der Ukraine bestimmt.
Dass für die Gegenwart und Zukunft des Landes aber nicht allein nur militärische Aspekte wichtig sind, zeigte sich während des jüngsten Weltwirtschaftsforums in Davos. Denn neben Staatspräsident Wolodomyr Selenskyj oder Außenminister Dmytro Kuleba, die bei der Veranstaltung um weitere militärische, politische und finanzielle Unterstützung warben, waren vor Ort auch Vertreter ukrainischer Unternehmen, die ausländische Investoren von der Ukraine zu überzeugen versuchten.

Die Ukraine steht an fast allen Frontabschnitten unter Druck: Ihre Soldaten kämpfen nicht nur gegen eine immense Übermacht der russischen Armee, sondern auch gegen Kriegsmüdigkeit.

13.02.2024 | 07:56 min

Bruttosozialprodukt nur auf dem Papier besser?

Und die Bedingungen, zumindest auf dem Papier, könnten trotz des Krieges schlechter sein. Während 2022 das Bruttosozialprodukt wegen der russischen Großinvasion noch um 29,1 Prozent eingebrochen ist, ging es vergangenes Jahr wieder aufwärts mit der Wirtschaft in der Ukraine.
Was dazu führte, dass sowohl die ukrainische Nationalbank als auch der Internationale Währungsfonds ihre Prognosen bezüglich des realen Wirtschaftswachstums für 2023 nach oben korrigierten. So geht die Nationalbank davon aus, dass das Bruttosozialprodukt im vergangenen Jahr nicht nur um 2,9 Prozent gewachsen ist, sondern um 4,9.
Das sind Zahlen, die zwar ein Lichtblick sind, von denen man sich aber nicht täuschen lassen sollte. Laut Berechnungen des in Kiew ansässigen "Institute for Economic Research", war das Bruttosozialprodukt im Oktober 2023 um rund 28 Prozent geringer als im Oktober 2021.

Nichts ist gewöhnlich, wenn die Verteidigungsminister aus rund 50 Staaten über Waffenlieferungen an die Ukraine sprechen. Es geht um die Zukunft des Landes.

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Migration, Besatzung, Mobilisierung: Jobmarkt unter schwierigen Vorzeichen

Nichtsdestotrotz macht sich ein zarter wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Während im März 2022, dem ersten Monat des Krieges, auf eine freie Stelle noch 24 Bewerber kamen, sind es heute, je nach Statistik, nur noch zwei bis drei. Dmytro Sacharuk, Geschäftsführer der im Energiebereich tätigen Holdinggesellschaft DTEK, erklärte Ende Dezember:
Es wird immer schwieriger, Angestellte zu finden. Vor allem solche, die professionell und qualifiziert sind
Dmytro Sacharuk, Geschäftsführer DTEK
Und damit war Sacharuk bei dieser Veranstaltung, an der noch vier Topmanager teilnahmen, keine Ausnahme. Oleksandr Komarow, Chef des größten ukrainischen Mobilfunkanbieters Kyivstar, berichtete über dieselben Probleme und nannte auch gleich den Hauptgrund.
Die Zahl der offenen Stellen hat sich dem Vorkriegsniveau angenähert, die Zahl der Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist jedoch um mehrere Millionen gesunken.
Oleksandr Komarow, Chef von großem Mobilfunkanbieter
"Migration, Besatzung, die Mobilisierung. All dies führt dazu, dass es Probleme damit gibt, jemanden zu finden", so der Manager.

Mehr Frauen in Metallverarbeitung

Unterstrichen werden diese Aussagen durch Statistiken. Seit dem 24. Februar 2022 bis Oktober 2023 hat der ukrainische Arbeitsmarkt durch die Mobilisierung und Flucht 781.000 Männer verloren. Hinzukommen 1,5 Millionen Frauen, die vor dem Krieg ins Ausland geflohen sind. Insgesamt also fast 2,3 Millionen Menschen, die nicht nur auf dem Arbeitsmarkt fehlen, sondern dem Staat auch als Steuerzahler.

Weil die Männer in der Region Dnipro in den Krieg ziehen müssen, übernehmen Frauen die Arbeit im Bergwerk. So auch Oxana: Die ehemalige Choreographin arbeitet nun unter Tage.

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Wie schwer es ist, Arbeitskräfte zu finden, zeigt sich an zwei Entwicklungen besonders: Es stieg die Zahl der Frauen, die nun in klassischen Männerberufen tätig sind wie der Metallverarbeitung oder der Möbelindustrie.

Durchschnittsgehalt in Ukraine gestiegen

Zudem nahm - wegen des Arbeitskräftemangels - das Durchschnittsgehalt zu. Im vergangenen Jahr betrug es laut dem ukrainischen Statistikamt 17.937 Hrywnja monatlich, rund 440 Euro. Das sind 23 Prozent mehr als 2022.
Und auch in diesem Jahr werden die Gehälter voraussichtlich steigen. Allerdings sind mit dem Krieg auch die Lebenshaltungskosten der Menschen in der Ukraine gestiegen.

Viele ukrainische Kriegsflüchtlinge suchen Schutz im relativ sicheren Westen des Landes. Die Folge: In Lwiw und anderen Städten der Region ist Wohnraum knapp und teuer geworden.

30.10.2023
Gleichzeitig zeichnen sich schon heute Probleme ab, die Kriegsrückkehrer zukünftig auf dem Arbeitsmarkt haben könnten. Laut einer im November veröffentlichten Studie des ukrainischen Arbeitgeberverbandes haben Unternehmer Angst, Veteranen einzustellen. Als der häufigste Grund wird mit 79 Prozent deren psychischer Zustand genannt.
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