: Ecuador auf dem Weg zum "failed state"

von Tobias Käufer
10.08.2023 | 22:45 Uhr
Der tödliche Anschlag auf Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio zeigt, wie dramatisch die Lage in Ecuador ist. Gewalttaten erschüttern das südamerikanische Land.

Nach der Ermordung eines Präsidentschaftskandidaten in Ecuador sind sechs Verdächtige aus Kolumbien festgenommen worden. Die Wahl am 20. August soll trotz des Attentats stattfinden.

11.08.2023 | 00:22 min
Fernando Villavicencio versucht sich nach einem Wahlkampfauftritt in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito durch ein Spalier zu seinem Auto durchzukämpfen. Aus dem Hintergrund sind "Fernando, Fernando"-Rufe zu hören.
Als der Präsidentschaftskandidat der Mitte-Bewegung "Construye" im Auto Platz nimmt, fallen zahlreiche Schüsse. Helfer bringen den in den Kopf getroffenen Politiker in die nahegelegene "Clinica de la Mujer", doch die Ärzte können nur noch seinen Tod feststellen.

In Ecuador ist anderthalb Wochen vor der Präsidentschaftswahl einer der Spitzenkandidaten erschossen worden. Der 59-jährige Fernando Villavicencio galt als Stimme gegen Korruption.

10.08.2023 | 00:25 min
Das Attentat wirft ein Schlaglicht auf die dramatische Situation in der südamerikanischen Andennation, die von Gewalt und Kriminalität erschüttert wird. Der amtierende Präsident Guillermo Lasso sprach am Donnerstag von einem "politischen Verbrechen".

Massaker in Gefängnissen Ecuadors

Im Land tobt ein Machtkampf zwischen verschiedenen Banden um die Vorherrschaft in der Organisierten Kriminalität.
Heute wird Ecuador von Jalisco Nueva Generación, dem Sinaloa-Kartell und auch von der albanischen Mafia beherrscht.
Fernando Villavicencio, getöteter Präsidentschaftskandidat im Mai
Hinweise, dass die Lage im Land eskaliert ist, gaben zuletzt zahlreiche Massaker und Bandenkämpfe in den ecuadorianischen Gefängnissen. Dabei kamen in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Menschen ums Leben. Villavicencio erklärte, das alles sei ohne Duldung der Politik nicht denkbar.

Attentate auf ecuadorianische Politiker und Aktivisten

Erst vor drei Wochen hatte ein Attentat auf den Bürgermeister von Manta, Agustin Anibal Intriago Quijano, an der Pazifikküste Ecuadors für Entsetzen gesorgt. Unbekannte erschossen den Politiker bei einem Besuch im Stadtviertel "15 September". Anschläge und Drohungen begleiten seit Monaten den Wahlkampf im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 20. August.

In den höchstgelegenen Goldminen riskieren Bergleute in Ecuador Leib und Leben.

19.07.2023 | 42:56 min
In dieser Woche erschütterte ein weiterer Mord die ecuadorianische Öffentlichkeit. Die schwangere Influencerin Nicol Montenegro (22), die sich der Erstellung von Inhalten widmete, die junge Menschen vom Drogenkonsum abbringen sollte, wurde in Yaguachi in der Provinz Guayas ermordet. Ihre Leiche wies mehrere Kopfschüsse auf, die Täter hatten offenbar vergeblich versucht, die junge Frau mit Benzin zu übergießen und anzuzünden.

Präsident Guillermo Lasso erklärte seinen Rücktritt

Seit seinem Amtsantritt im Mai 2021 agiert der noch amtierende rechte Präsident Guillermo Lasso glücklos. In der Wirtschaftskrise in Folge der Corona-Pandemie gab es scharfe Kritik an der Politik von Lasso.
Gewerkschaften und indigene Verbände organisierten teilweise gewalttätige, aber überwiegend friedliche Demonstrationen. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt, es kam zu Todesfällen. Trotz einer erfolgreichen Vermittlung von Kirche und Vereinten Nationen gelang es Lasso nicht mehr, das Vertrauen und die Zustimmung der Bevölkerung zurückzugewinnen.
Als der Druck zu groß wurde, zog Lasso die Notbremse, erklärte seinen Rücktritt, löste das Parlament auf. Die Neuwahlen finden nun am 20. August statt. Sie sollten eigentlich einen Neuanfang auslösen.

Zahlreiche Konfliktfelder in Ecuador

In Ecuador gibt es zahlreiche Konfliktfelder: Die Organisierte Kriminalität und die Drogenbanden haben an Macht gewonnen. Als Reaktion auf die Gewalt und Alltagskriminalität verhängten die Behörden temporäre und regional begrenzte Ausnahmezustände.
Villavicencio kritisierte auch den illegalen Bergbau. Hoch umstritten sind zudem die Förderpläne der Erdölindustrie im ökologisch wertvollen Yasuni-Nationalpark. Die indigene Bevölkerung spricht sich klar gegen eine Exploration aus. Es kommt immer wieder zu Übergriffen gegen Umweltschützer, die über illegalen Bergbau berichten.

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