: Entführung gefährdet Friedensprozess
von Tobias Käufer, Rio de Janeiro
06.11.2023 | 19:49 Uhr"Lasst ihn frei, jetzt" steht auf den selbstgemalten Bannern und Plakaten, die in Barrancas überall zu sehen sind. In der Heimatstadt von Kolumbiens aktuell bestem Fußballspieler ist die Wut auf die marxistische ELN-Guerilla besonders groß.
Seit Tagen warten die Menschen auf die Freilassung von Luis Manuel Diaz, zumindest aber ein Lebenszeichen des Vaters von Luis Diaz. Zuvor hatten Vertreter der linksgerichteten Regierung von Präsident Gustavo Petro angekündigt, die Geisel, die sich seit über einer Woche in der Hand der ELN-Guerilla befindet, werde bald freikommen.
Wir hoffen, dass dies in den nächsten Stunden Realität wird. Aber dafür ist die Nationale Befreiungsarmee verantwortlich.
Schnelle Freilassung von Diaz bleibt unklar
Doch am Sonntagabend dann die ernüchternde Nachricht: Diaz bleibt vorerst in der Gewalt der ELN-Guerilla. Der rechtsgerichtete TV-Sender RCN berichtet, die Rebellen erklärten, sie verfügten über keinerlei Einnahmen oder finanzielle Unterstützung. Tatsächlich gehörten Geiselnahmen jahrelang zu den Haupteinnahmequellen der Guerilla.
In anderen Medien hieß es, die Freilassung sei an die Bedingung geknüpft, die Region La Guajira zu entmilitarisieren. Ob Luis Manuel Diaz doch schnell frei kommt oder es noch eine längere Hängepartie wird, weiß niemand so genau.
Kolumbiens Regierung wirkt machtlos
Für die kolumbianische Regierung wird der Fall zunehmend zu einem Problem, denn sie hatte mit der ELN einen Waffenstillstand vereinbart. Die Entführung gefährdet nun den eingeleiteten Friedensprozess im Land. Die ohnehin nach den letzten Kommunal- und Regionalwahlen schwer angeschlagene Regierung wirkt machtlos.
In Kolumbien boomt der Drogenhandel. Die Luftwaffe und Marine des Landes haben in einer gemeinsamen Aktion drei Tonnen Kokain sichergestellt.
15.09.2023 | 00:19 minDie ELN vermittelt wiederum den Eindruck als könne sich der Staat nicht auf ihre Zusagen verlassen. Je länger die Geiselnahme andauert, um so schwieriger wird es für die Regierung am Friedensprozess festzuhalten. Entsprechend verärgert reagierte Petro: "Die ELN ist für das Leben des Vaters von Luis Diaz verantwortlich."
Sie haben eine Tat begangen, die gegen den Friedensprozess selbst gerichtet ist.
Zweifel an Ernsthaftigkeit der Friedensgespräche mehren sich
Eine Schlüsselrolle in dem Prozess spielt die katholische Kirche in Kolumbien, die bei den Gesprächen mit der ELN als Beobachter mit am Tisch sitzt und gemeinsam mit den Vereinten Nationen auch den ausgehandelten Waffenstillstand verifizieren soll.
Nach der Ermordung eines Präsidentschaftskandidaten in Ecuador wurden sechs Verdächtige aus Kolumbien festgenommen.
11.08.2023 | 00:22 minNun fragen erste Vertreter der Kirche öffentlich, ob es die ELN mit ihren Friedensabsichten tatsächlich ernst meint. Bischof Francisco Ceballos erklärte, diese Situation bringe die Regierung und die Öffentlichkeit zum Nachdenken über die Ernsthaftigkeit der stattfindenden Friedensgespräche.
Zugleich machte der Bischof aus der Region, zu der auch die Heimatprovinz von Luis Diaz zählt, ein Vermittlungsangebot:
Wir stellen uns der Guerilla zur Verfügung, wenn sie unsere Präsenz benötigt.
Luis Diaz bittet ELN, seinen Vater freizulassen
Der Familie von Luis Diaz bleibt nichts anderes übrig als weiter zu appellieren und auf einen guten Ausgang des Dramas zu hoffen. Der Nationalspieler hatte am Sonntag nach seinem Ausgleichstreffer beim 1:1 bei Luton Town in der englischen Premier League ein T-Shirt mit der Aufschrift "Freiheit für Papa" unter dem Trikot offenbart.
Ich bitte Sie, ihn unverzüglich freizulassen, seine Integrität zu respektieren und diesem schmerzhaften Warten ein Ende zu setzen.
Nun geht das bange Warten in Liverpool und Barrancas weiter. Viel hängt davon ab, wie groß der Einfluss der ELN-Kommandanten auf die lokale Führung ist, die Luis Manuel Diaz in ihrer Gewalt hat. Scheitern die Freilassungsverhandlungen dürfte auch der Friedensprozess in ernsthafter Gefahr sein. Dann steht mehr als nur das Leben von Luis Manuel Diaz auf dem Spiel.