: "9/11-Moment für die Geschichte Israels"

08.10.2023 | 09:14 Uhr
Für Israel ist der Angriff der Hamas am Samstag ein 9/11-Moment. Nie zuvor starben so viele Zivilisten an einem Tag. Das Land und seine Menschen wurden völlig überrascht.

Sehen Sie hier die Einordnung zur Lage in Israel von Michael Bewerunge vom Samstagabend.

07.10.2023 | 03:09 min

Anmerkung der Redaktion

Viele Angaben zu Konflikthandlungen, Schäden und Totenzahlen in Gaza lassen sich nicht unabhängig überprüfen. So berichtet das ZDF über die Lage vor Ort - hier finden Sie Fragen und Antworten.
Der gestrige Samstag ist ein Einschnitt in der Geschichte Israels. An einem einzigen Tag starben mehr als 300 Bürger des kleinen Landes durch den Terror der Hamas. Mehr als während der gesamten ersten Intifada zwischen 1987 und 1993.
Die israelischen Sicherheitsbehörden wurden zuerst überrascht und waren dann über Stunden offenbar völlig überfordert mit der chaotischen Situation. Die Folge: Hunderte Hamas-Kämpfer konnten die hochgerüsteten Grenzanlagen überwinden und machten Jagd auf Zivilisten im Grenzgebiet. ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge berichtet aus Israel:
Das ist heute so etwas wie ein 9/11-Moment für die Geschichte Israels, so etwas wie der Angriff auf das World Trade Center in Amerika.
Michael Bewerunge, ZDF-Korrespondent
"Einen so präzise militärisch geplanten, durchgeführten Terrorangriff, den hat sich hier glaub ich schlicht niemand vorstellen können - mit so vielen Toten, mit solcher Wucht durchgeführt", sagt Bewerunge im ZDF.

Die radikal-islamische Hamas hat auch in der Nacht Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Auf beiden Seiten gehen die Kämpfe weiter.

08.10.2023 | 01:08 min

Hamas griff wahllos Zivilisten an

Palästinensische Kommandos zogen durch Ortschaften, töteten an Bushaltestellen und drangen in Wohnhäuser ein. Nahe des Kibbuz Rei’im mussten Tausende Gäste eines Festivals fliehen. Videos zeigen, wie die Menschen in bunten Gewändern und zu Fuß über offene Felder um ihr Leben rennen.
Was mit denen geschah, die es nicht schafften, wurde kurz darauf klar: Regungslos und nahezu unbekleidet liegt eine junge Frau auf der Ladefläche eines Pickup-Trucks. Bewaffnete Hamas-Anhänger fahren sie durch die Straßen von Gaza, während Schaulustige sie bejubeln. Ob die Frau noch lebt, ist unklar. Noch am Samstag melden sich Angehörige in den sozialen Medien und identifizieren sie als 22-jährige Deutsche.

Familien suchen nach ihren Angehörigen

Wie viele Menschen nach Gaza verschleppt wurden, ist auch nach 24 Stunden noch nicht klar. Israelische Medien sind voller Aufrufe verzweifelter Familien. Die israelische Polizei habe Anlaufstellen eingerichtet, wo Angehörige Fotos und DNA-Spuren ihrer Angehörigen abgeben könnten, berichtet die Nachrichtenseite "Times of Israel". Das soll dabei helfen, die Leichen zu identifizieren.
Es sind so viele Tote, dass sie teils in Lkw gesammelt werden mussten. Ein Video von Samstagabend zeigt israelische Sanitäter, die vor einer Ladefläche das Kaddisch beten. Es sind Bilder, wie sie Israel in selbst in den dunkelsten Jahren palästinensischer Selbstmordattentate nicht erleben musste.
Sanitäter beten vor einem Lkw voller Leichen
"Es ist ein Tag der Schande", schrieb die Zeitung "Haaretz" noch am Samstagabend in einer ersten Analyse. Der Staat und seine Streitkräfte hätten spektakulär versagt, seine Bürger zu schützen. Der Artikel zog Parallelen zum syrisch-ägyptischen Überraschungsangriff des Jom-Kippur-Kriegs 1973 – anders als damals seien es vor allem zivile Opfer.

Bewerunge: Bodenoffensive würde blutig werden

Im Moment konzentriere sich alles darauf, eine geschlossene Antwort auf die Bedrohung zu geben. "Das heißt konkret, dass man nicht nur die Bedrohungssituation beseitigen will, sondern ganz konkret ist die Rede von einer Bodenoffensive nach Gaza", so Bewerunge.
Die würde außerordentlich blutig werden, sagt der ZDF-Korrespondent "und würde wahrscheinlich insgesamt die Rahmenbedingungen im Nahen Osten völlig umschreiben".

Die radikal-islamische Hamas hat in einem Großangriff Israel bombardiert und ist mit bewaffneten Kämpfern in israelisches Territorium eingedrungen. Dutzende Menschen sterben.

07.10.2023 | 02:45 min

Lage führe dazu, dass "Reihen sich schließen"

Israel sei die letzten Monate innenpolitisch in Aufruhr gewesen. Im Moment führe die Lage dazu, dass "die Reihen sich schließen", sagt Bewerunge.
"Reservisten, die vorher aus Protest gegen die Justizreform und der Kappung der Gewaltenteilung ihren Dienst verweigert haben, haben sich zurückgemeldet zum Dienst."
Im Moment rauft sich Israel zusammen, um dieser Bedrohung zu begegnen.
Michael Bewerunge, ZDF-Korrespondent
Außerdem gebe es Angebote von der Opposition eine Notstandsregierung zu bilden, "unter der Bedingung, dass Netanjahu die extremistischen, religiösen Siedler aus der Regierung wirft". Was daraus werde, sei noch nicht abzusetzen.
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Quelle: ZDF

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