: Wie Meloni die Republik umbauen will

von Andreas Postel
11.11.2023 | 17:44 Uhr
Giorgia Melonis Regierungskoalition will Italiens Verfassung umbauen. Kritiker befürchten, dies könne die Demokratie schwächen und die Republik in eine Autokratie verwandeln.
Über ein Jahr ist Giorgia Meloni inzwischen Ministerpräsidentin Italiens.Quelle: AFP
In den vergangenen 75 Jahren seiner republikanischen Geschichte hatte Italien sage und schreibe 68 Regierungen mit einer durchschnittlichen Amtszeit von eineinhalb Jahren. Allein in den vergangenen 20 Jahren gab es 12 Ministerpräsidenten.

Gesetzentwurf für Ende der Ränkespiele um Regierungen

Bereits zum Regierungsantritt vor einem Jahr hatte Giorgia Meloni angekündigt, mit ihrer rechten Koalitionsmehrheit daran etwas zu ändern.
Hier handle es sich um die Mutter aller Reformen, ist Meloni überzeugt:
Gerade, weil wir stabil und stark sind, haben wir die Verantwortung, diese Chance zu ergreifen und diesem Land etwas zu hinterlassen, das seine strukturellen Probleme lösen kann.
Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin Italien
Ein Jahr später macht sie nun ernst. Ihre rechte Regierungskoalition hat einen Gesetzentwurf zur Verfassungsreform einstimmig genehmigt, mit dem erklärten Ziel, Schluss zu machen mit Ränkespielen und technischen Regierungen.

Vor einem Jahr holte das rechte Parteienbündnis um Georgia Meloni insgesamt 44 Prozent der Stimmen.

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Melonis Plan: Direktwahl für Italiens Regierungschef

Kern der Vorschläge ist eine Direktwahl des Regierungschefs mit einfacher Mehrheit. Demnach müssten Wahlbündnisse einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs aufstellen. Ein Bündnis würde dann bei der erfolgreichen Wahl seines Kandidaten automatisch 55 Prozent der Sitze in beiden Parlamentskammern erhalten.
Seitdem der Reformentwurf nun vorliegt, ist in Italien eine leidenschaftliche Diskussion darüber entbrannt. Das "premierato", d.h. die Direktwahl des Ministerpräsidenten, habe keine akzeptable Logik, kritisiert Sara Gentile, Professorin für Politikwissenschaft und Analyse der politischen Sprache an der Universität von Catania: Es schwäche das Parlament und die Rolle des Präsidenten der Republik auf gefährliche Weise.
Und Roberta Calvano, Professorin für Verfassungsrecht an der Unitelma Sapienza in Rom, warnt, dass die Reform aus dem Staatsoberhaupt einen Notar mache: Nach den Plänen der Regierung würde der Staatspräsident im Quirinalspalast zu einem notariellen Garanten der politischen Richtung, ein bloßer, dem Ministerpräsidenten unterstellter De-facto-Vollstrecker.

Italiens Ministerpräsidentin Meloni will die Sozialhilfe streichen. Betroffene leben aktuell schon am Limit, verstärkt durch Inflation und mangelnde Arbeitsangebote.

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Schwächt der Entwurf die Demokratie?

Der Verfassungsrechtler Gaetano Azzariti von der Universität La Sapienza gibt zu bedenken, dass sich direkt gewählte Regierungsformen nur unter der Voraussetzung bewährt haben, dass es sehr starke Gegengewalten gibt, wie dies beispielsweise in den USA der Fall ist - zumindest solange die Macht des Kongresses gegenüber dem Präsidenten stark ist.
In anderen Fällen gebe es jedoch beunruhigende Auswirkungen, die dann in eine Autokratie auszuarten drohen, käme es zu einer Machtkonzentration in den Händen eines Einzelnen. Meloni versichert dagegen, dass die Kompetenzen des Präsidenten der Republik mit der Reform nicht berührt würden.

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Wähler und Regierung: Politikwissenschaftler sieht zu wenig Bindung

Politikwissenschaftler Prof. Dr. Giovanni Orsina von der LUISS-Universität in Rom sieht eine Reform grundsätzlich positiv und meint, dass die Stärkung der Regierung sowie der Aufbau einer Bindung zwischen Regierung und den Wählern zu begrüßen wären.
Er sehe kein Risiko einer demokratischen Schwächung und meint, dass diese Gefahr eher bestehe, weil die Regierungen sehr schwach waren und weil die Regierungen keine starke Beziehung zu den Wählern hatten, so Orsina.
Seiner Meinung nach stärke ein engeres Verhältnis zwischen Regierung und Wählerschaft die Demokratie und schwäche sie nicht.

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Verfassungsreformen in der Vergangenheit gescheitert

Bis zur Umsetzung der Reformpläne wäre es noch ein weiter Weg, denn die Opposition wird diese Reform höchstwahrscheinlich nicht akzeptieren, und für eine Verfassungsänderung ist in Italien eine Zweidrittelmehrheit in den beiden Kammern des Parlaments nötig.
Das bedeutet, so Orsina, dass wir abwarten müssen, wie das parlamentarische Verfahren ablaufen wird, ob es Änderungen geben wird, wer dafür stimmen wird, und ob es letztlich ein Referendum geben wird.
An einem Verfassungsreferendum hatte sich 2016 bereits Ministerpräsident Matteo Renzi verhoben, zog am Ende persönlich die Konsequenzen und trat zurück. Auch für Georgia Meloni ist das Vorhaben mit einem gewissen Risiko behaftet - Ausgang offen.
Andreas Postel ist Leiter des ZDF-Studios in Rom.

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