Analyse

: Mehr Macht für Meloni durch Verfassungsreform?

von Annette Hilsenbeck
20.06.2024 | 15:59 Uhr
International erfährt die italienische Regierungschefin viel Anerkennung. Doch innenpolitisch verfolgt sie ein umstrittenes Projekt: die Verfassungsreform.

Die erste Hürde ist genommen: der italienische Senat hat die umstrittene Verfassungsreform der Regierung gebilligt. Ministerpräsidentin Meloni könnte damit das Staatswesen umbauen.

19.06.2024 | 01:56 min
Die Vertreter der Regierungsparteien jubelten, die Opposition protestierte und demonstrierte auf den Straßen Roms: Der Senat, die kleinere der beiden Parlamentskammern, hatte mit 109 zu 77 Stimmen für das Vorhaben der Regierung Meloni gestimmt, die Verfassung Italiens zu reformieren. Das reicht nicht aus: Die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für den Gesetzesentwurf kam damit nicht zustande.
Doch Ministerpräsidentin Meloni hat den ersten Schritt gemacht, ein deutliches Signal gesetzt: Sie will Italiens Staatswesen umbauen, die Verfassungsreform unbedingt durchsetzen. Diese Reform ist ein zentrales Vorhaben der Ministerpräsidentin. Das hat sie schon beim Amtsantritt erklärt.
Wir sind davon überzeugt, dass Italien eine Verfassungsreform mit präsidialer Ausrichtung braucht, die Stabilität garantiert und die Souveränität des Volkes wieder in den Mittelpunkt stellt.
Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin, 25.10.2022

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Melonis Ziel: Direktwahl des Regierungschefs oder -chefin

Ihr Entwurf sieht vor, dass Ministerpräsident oder -präsidentin künftig direkt vom Volk gewählt werden, für eine Amtszeit von fünf Jahren - und sie will noch mehr: Die bei Wahlen stärkste Partei soll zudem einen Mehrheitsbonus erhalten. Sie bekäme 55 Prozent der Sitze, hätte also die absolute Mehrheit - unabhängig vom Stimmenanteil.
Die stabilen politischen Verhältnisse, die die Regierung Meloni so schaffen will, sehen Kritiker als gefährliche Zementierung von Macht. Auch wenn viele grundsätzlich eine Reform befürworten: Über das "Wie" ist man in Italien angesichts des Meloni-Entwurfes Italien gespalten.
Tatsächlich gehen seit dem Zweiten Weltkrieg Regierungen in Italien häufig zu Bruch. Diese Instabilität ist auch in der Verfassung Italiens begründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg und Jahrzehnten unter Diktator Benito Mussolini wollte man mit dieser unbedingt verhindern, dass eine einzelne Person wieder alle Macht auf sich vereint, und gab den beiden Parlamentskammern mehr Gewicht.

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Kritiker befürchten Machtkonzentration

Manche Gegner sehen Melonis Reform als Vorstufe zu einem Regime. Sie befürchten, dass dem Parlament und dem Staatspräsidenten wichtige Kompetenzen entzogen werden. Die Oppositionsparteien machen Front gegen den Gesetzesentwurf - und gingen dafür erstmalig gemeinsam auf die Straße. "Diese Reform muss gestoppt werden und es muss gesagt werden, was sie tut: Sie schränkt die Grundrechte der Menschen ein", so Elly Schlein, Parteichefin der sozialdemokratischen PD.
Die rechte Regierung demonstriert mit der jetzigen Abstimmung über die Verfassungsreform vor allem Entschlossenheit. Doch die Hürden im Parlament sind groß, erklärt ZDF-Italien-Korrespondent Andreas Postel: "Für jede Verfassungsänderung ist in Italien eine Zweidrittelmehrheit nötig; und zwar in beiden Kammern des Parlaments. Kommt diese nicht zustande, muss darüber in einem Referendum abgestimmt werden."
Das scheint wahrscheinlich. Wie viele Italiener und Italienerinnen für eine Verfassungsänderung stimmen würden, ist eher ungewiss: Beim letzten Versuch, die Verfassung per Referendum zu reformieren, war 2016 der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi gescheitert. Das weiß auch Giorgia Meloni. Sie wird am Ende wohl die Bevölkerung von ihrem Vorhaben überzeugen müssen.
Annette Hilsenbeck arbeitet in der ZDF-Redaktion "Heute in Europa" und im Auslandsressort der ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschichte

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