: Migration nach Portugal: Der Traum von Europa

von Anne Arend und Tilo Wagner
10.03.2024 | 15:55 Uhr
Die Aussicht auf einen EU-Pass lockt viele Migranten nach Portugal. Sie sorgen für einen Landwirtschaftsboom und beleben kleine Orte. Doch es gibt auch Unmut.

Immer mehr Arbeitsmigranten kommen nach Portugal. Viele Gemeinden erleben dank der liberalen Einwanderungspolitik der Regierung einen wirtschaftlichen Aufschwung.

07.03.2024 | 01:57 min
Die Märzsonne wärmt bereits. Auf dem Dorfplatz von São Teotónio in Portugal sitzen junge Männer und warten darauf, dass die Erntesaison beginnt. Sie kommen aus Indien, Nepal oder Bangladesch, um auf den Plantagen im Südwesten des Landes Blaubeeren und Himbeeren zu pflücken. Doch die Arbeit in der Landwirtschaft ist nicht der einzige Grund, warum sie hier - ausgerechnet am Rande Europas - auf eine bessere Zukunft hoffen. Sie hoffen, zu bleiben.
In Portugal bekommt man leichter einen Pass, wird EU-Bürger und hat damit die Aussicht, legal in Europa bleiben zu dürfen.
Laxman Bhandori
Laxman Bhandori stammt aus Nepal, lebt inzwischen mit seiner Frau und dem dreijährigen Sohn in São Teotónio.

Portugal: Regeln für Migration gelockert

Tatsächlich hat Portugal in den vergangenen Jahren die Aufnahme-Regeln für Migranten deutlich gelockert, um Arbeitskräfte zu gewinnen. Wer einen Job hat und in die Sozialversicherung einzahlt, bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung. Nach fünf Jahren können die Migranten einen portugiesischen Pass beantragen und werden damit EU-Bürger.
Neue Arbeitskräfte: Der Südwesten Portugals profitiert von der Migration. Doch es ergeben sich auch Herausforderungen.Quelle: ZDF

Migration sorgt für wirtschaftlichen Aufschwung

Das hat sich herumgesprochen. Die Gemeinde São Teotónio, die lange unter Bevölkerungsschwund gelitten hat, ist zum Magneten für Arbeitsmigranten aus Südasien geworden. "Wo mehr Leute sind, ist mehr Geld im Umlauf, Handel und Wirtschaft blühen auf. Viele Wirtschaftsbereiche in São Teotónio haben sich positiv entwickelt. Das betrifft nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch alles drumherum," erzählt Bürgermeister Dário Guerreiro bei einem Rundgang durch den alten Ortskern.
Viele junge qualifizierte Portugiesen sind auf der Suche nach einem besseren Job nach Lissabon oder ins Ausland gezogen. Aber an jungen Familien fehlt es im Ort trotzdem nicht.

Portugal steht vor einem Rechtsruck. Grund dafür sind die Wohnungsnot und zu teure Mieten. Laut der rechten Partei „Chega“ sei die zunehmende Zuwanderung daran schuld.

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Integration als gesellschaftliche Grundlage

Bai Krishna holt seinen Sohn aus dem Nachhilfezentrum gleich hinter der Kirche ab. Der Junge lernt schnell, spricht besser portugiesisch als der Vater. Die Kinder in der Schule, sagt er, kämen aus vielen verschiedenen Ländern. In den Pausen spielen sie zusammen. Fußball vor allem und ein nepalesisches Spiel.
"Es ist sehr wichtig, sich um Integration zu bemühen. Denn nur so sind wir für die Zukunft gewappnet", sagt Hugo Gomes. Für den Sozialarbeiter, der mit den Kindern spielt und arbeitet, ist es wichtig, in der Gemeinde eine gewisse Stabilität zu erhalten.

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Gemeinde stößt an ihre Grenzen

Denn das Zusammenleben ist durchaus fragil: hohe Fluktuation und knapper Wohnraum, könnten dazu beitragen, dass die freundliche Stimmung gegenüber der Einwanderung in São Teotónio kippt. Dem Bürgermeister bereitet das Sorge.
Er zeigt auf die Häuserfassaden. Aus den Fenstern hängen T-Shirts, Hosen und Schuhe. "Die hausen da zu zehnt oder noch mehr. Es sollte eine Vorschrift geben, dass nicht mehr als vier, fünf Personen in einer Zwei-Zimmerwohnung leben dürfen", so Dário Guerreiro. Viele Vermieter verlangen Geld pro Schlafplatz statt pro Wohnung und versuchen möglichst viele Migranten unterzubringen.

Lissabon ist beliebt bei Touristen, Airbnb Wohnungen boomen. Doch die Wohnungspreise haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

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Forderung nach mehr Kontrolle der Migration

Längst wird das liberale Einwanderungsgesetz von Schlepperbanden ausgenutzt. Sie schleusen die ausländischen Erntehelfer nach Portugal und lassen sich das teuer bezahlen. Auf den Obstplantagen übernehmen immer mehr Migranten eine schwere Arbeit, die die Einheimischen nicht machen wollen. Sie leben unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Bürgermeister Dário Guerreiro wünscht sich mehr Regulierung, mehr Kontrolle seitens der portugiesischen Regierung.

Wohnraum knapp, Mieten steigen

Und darin stimmt ihm Laxman Bhandari zu. Der Nepalese gehört zu den ersten, die von dem liberalen Einwanderungssystem profitieren. 2017 kam er nach Portugal. Ein paar Jahre hat er in den Feldern gearbeitet. Inzwischen führt er sein eigenes Restaurant. Im Angebot: Sushi und indische Gerichte. Die Gäste: Einheimische und Einwanderer.
Fast jeden Tag werde er nach einer Unterkunft gefragt, erzählt der 33-jährige. Der Wohnraum werde immer knapper, die Mieten steigen. Es sei leicht, in der südportugiesischen Provinz einen Job zu finden, sagt er. Doch eine Bleibe - inzwischen fast unmöglich.
Anne Arend und Tilo Wagner berichten für das ZDF-Studio Südwesteuropa aus São Teotónio.

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