: Ukrainischer Armeechef Saluschnyj abgesetzt

08.02.2024 | 19:18 Uhr
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, ist von seinem Posten entbunden worden. Sein Nachfolger wird Generaloberst Olexander Syrskyj.

Nach der Entlassung des ukrainischen Oberbefehlshabers wurde sein Nachfolger bekanntgegeben. Militärexperte Nico Lange erklärt, was das für die Lage an der Front bedeuten kann.

08.02.2024 | 01:48 min
Fast zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, von seinem Posten entbunden worden. Das teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videobotschaft in Kiew mit. Er habe Saluschnyj gesagt, es sei an der Zeit, dass jemand anderes die Streitkräfte anführe.
Selenskyj auf X über Umbau der Armee-Spitze
In einem Beitrag im Netzwerk X, dem früheren Twitter, erklärte Selenskyj, er danke dem General für seinen Dienst. "Die Zeit für eine solche Erneuerung ist jetzt", sagte er. Zum Nachfolger sei Generaloberst Olexander Syrskyj ernannt worden, der bisherige Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat seinen Armee-Chef Saluschnyj entlassen, schon länger hatte es Spannungen gegeben. Katrin Eigendorf kennt die Hintergründe.

08.02.2024 | 01:26 min

Selenskyj: Saluschnyj kann Teil des Teams bleiben

Der Erklärung gingen Tage der Spekulationen voraus, nachdem lokale Medien berichtet hatten, dass Selenskyj den Top-General feuern könnte. Er bat Saluschnyj, sich weiter an der Militärführung zu beteiligen.

Herkunft

Syrskyj wurde im Juli 1965 in der Wladimir-Region im heutigen Russland geboren, damals ein Teil der Sowjetunion. Seit den 80er Jahren lebte er in der Ukraine. Er studierte dann an der Armee-Hochschule in Moskau, genau wie viele Altersgenossen, die heute Kommandeure in der russischen Armee sind. Syrskyj machte seinen Abschluss im Jahr 1986 und trat in das sowjetische Artillerie-Korps ein.

Spitzname "Schnee-Leopard"

2019 wurde Syrskyj Befehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte. Davor hatte er die ukrainischen Truppen befehligt, die gegen die von Russland unterstützten Aufständischen in der Region Donezk und Luhansk in der Ost-Ukraine kämpften. Dort erhielt er den Kampfnamen "Schnee-Leopard".

Größte Armee-Erfolge

Syrskyj verantwortete einige der größten Erfolge gegen die russische Armee im laufenden Krieg. Er organisierte die erfolgreiche Verteidigung der Hauptstadt Kiew in den ersten Monaten und wurde im April 2022 zum "Held der Ukraine" ernannt, der höchsten Ehrung für einen Militär. Im Sommer 2022 startete er die erfolgreiche Gegenoffensive in der Region Charkiw, bei der die Ukraine die Russen überraschte und große Teile der besetzten Gebiete befreite.

Tragende Rolle bei der Verteidigung von Bachmut

Anfang 2023 übernahm Syrskyj die Verteidigung der Stadt Bachmut, wo Tausende Soldaten auf beiden Seiten fielen. Es war bis dahin eine der blutigsten Schlachten im Krieg. Einige Militäranalysten stellten die Frage, ob die Verteidigung einer so zerbombten Stadt Tod oder Verwundung so vieler Menschen rechtfertigte. Syrskyj entgegnete, der zähe Widerstand habe Russlands Kampfkraft geschwächt und die Söldnertruppe Wagner über lange Zeit gebunden.

Truppenmoral

Syrskyj hat den Ruf, dass die Moral seiner Truppen für ihn besonders wichtig ist. So wird er häufig bei Frontbesuchen gesehen. In Interviews sagte er, er schlafe jede Nacht nur 4,5 Stunden und entspanne sich in der Sporthalle. Syrskyj ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Quelle: Reuters

Auch Verteidigungsminister Rustem Umjerow dankte dem scheidenden Oberbefehlshaber. Er schrieb aber auf Facebook, die Schlachten der Jahre 2022, 2023 und 2024 seien "unterschiedliche Realitäten". 2024 werde Veränderungen bringen. "Neue Ansätze, neue Strategien sind nötig."

Präsident Selenskyj hat angekündigt Führungskräfte auszutauschen. ZDF-Reporterin Anne Brühl berichtet, es sei "sehr unruhig - vor allem in der Bevölkerung" der Ukraine.

06.02.2024 | 02:47 min

Lange: Syrskyj kennt die russischen Streitkräfte gut

Unstimmigkeiten zwischen Präsident und Armeechef: Welches Zeichen sendet das in die ukrainischen Truppe? "Es ist ja Unsicherheit produziert worden und das ist natürlich in die Truppe hinein schlecht", sagt Militärexperte Nico Lange bei ZDFheute live. Den neuen Oberbefehlshaber Syrskyj kennt die Truppe allerdings schon lange, so Lange. Er sei bereits seit 2014 als wichtiger militärischer Führer im Donbass bekannt.
Der hat bei der Verteidigung von Kiew eine leitende Aufgabe gehabt, bei der Verteidigung von Charkiw. Also das ist jetzt niemand ganz Neues, auf den sie sich einstellen müssen.
Nico Lange, Politikwissenschaftler
Präsident Selenskyj habe mit Syrskyj in manchen Fragen "eher übereingestimmt" als mit General Saluschnyj, glaubt Lange. "Und dass er da vielleicht auch weniger Widerspruch bekommen hat." Syrskyj sei zudem jemand, der die russischen Streitkräfte sehr gut kenne.
Und meine Interpretation ist, dass das in dieser Lage, in der die Ukraine im Osten sehr unter Bedrängnis steht, darauf ankommt jemanden zu haben, der in der Verteidigung sehr gut ist.
Nico Lange, Politikwissenschaftler
Die Ukraine sei gerade nicht in der Lage, komplexe Angriffsoperationen zu führen. Im Gegensatz: Die Truppen müssten sich mit unterlegenen Ressourcen im Osten verteidigen. "Und Syrskyj hat auf diesem Gebiet besonders viele Erfahrung. Das mag vielleicht ein Grund sein, warum er jetzt der Oberbefehlshaber geworden ist."  

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerji Saluschnyj ist entlassen worden. ZDF-Reporterin Anne Brühl berichtet live aus Kiew und schätzt die Situation aus Sicht der Ukraine ein.

08.02.2024 | 06:12 min

Saluschnyj seit Juli 2021 ukrainischer Armeechef

Syrskyj Vorgänger Saluschnyj war im Juli 2021 als Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte eingesetzt worden. Unter seiner Führung hielten die Truppen dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 stand. Sie eroberten im Lauf des ersten Kriegsjahres sogar besetzte Teile des Gebietes Charkiw und die Gebietshauptstadt Cherson im Süden zurück. Der 50-jährige Saluschnyj war auch der Architekt der ukrainischen Sommeroffensive 2023, die aber gegen stark befestigte russische Verteidigungsanlagen kaum vorankam.
In einem aufsehenerregenden Artikel für die britische Zeitschrift "The Economist" schrieb der General davon, dass der Krieg am Boden in eine Pattsituation geraten sei. Nur große Waffenlieferungen und ein Technologiesprung könnten die ukrainischen Streitkräfte wieder in die Offensive bringen. Selenskyj widersprach seinem höchsten Militär bei dieser Einschätzung öffentlich.

Die Phase der Unsicherheit müsse beendet werden, sagte Militärexperte Nico Lange mit Blick auf eine mögliche Entlassung des ukrainischen Armee-Chefs durch Präsident Selenskyj.

05.02.2024 | 09:23 min

Uneinigkeit über Kriegsführung als Grund für Absetzung?

Auch in der Frage einer weiteren Mobilisierung von Soldaten waren die führenden Verantwortlichen für die ukrainische Kriegsführung uneins. Nach Medienberichten hatte Selenskyj den Oberbefehlshaber schon Ende Januar zum Rücktritt gedrängt - dieser lehnte demnach aber ab.
Bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung galt der bullige General als äußerst beliebt. Deshalb kamen immer wieder Spekulationen auf, der Militär strebe eine eigene politische Karriere an. Er selbst dementierte dies. Saluschnyj ist in den ukrainischen Streitkräften einer der ranghohen Offiziere ohne Vorprägung durch die frühere sowjetische Armee. Er setzte deshalb auf Kommandostrukturen, die sich am Vorbild der Nato orientieren.

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Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
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Quelle: dpa, AP, AFP

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