: Was Uran-Munition bewirken kann

von Christian Mölling, András Rácz
09.09.2023 | 16:54 Uhr
Die Ukraine erhält Geschosse mit abgereichertem Uran. Wie diese funktionieren und warum ihr "nuklear" klingender Name sie zum idealen Propagandamaterial macht.

Beim Besuch in der Ukraine hat US-Außenminister Blinken die Lieferung von Uran-Munition zugesagt. Uran-Munition ist nicht verboten, gilt aber als umstritten, weil es giftig ist.

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Während des Überraschungsbesuchs von US-Außenminister Antony Blinken diese Woche in Kiew wurde bekannt, dass die USA der Ukraine 120-mm-Panzergranaten mit abgereichertem Uran liefern wollen.
Abgereichertes Uran ist ein Nebenprodukt der Urananreicherung. Es ist etwa 40 Prozent weniger radioaktiv, als das ursprüngliche, vor der Anreicherung verwendete, natürliche Metall und kann keine radioaktive Kernreaktion auslösen. Es ist also keine Atomwaffe.

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Festigkeit macht Durchschlagskraft von Uran-Munition aus

Die Länder, die in der Lage sind, Urananreicherung zu betreiben, besitzen riesige Mengen an abgereichertem Uran als Nebenprodukt: Allein die USA verfügen über mehrere Hunderttausend Tonnen davon. Der Grund aber, warum abgereichertes Uran für militärische Zwecke verwendet wird, ist, dass eines der dichtesten Metalle der Erde ist. Es hat sogar eine fast 1,7-mal höhere Dichte als Blei.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Die Verwendung von abgereichertem Uran für panzerbrechende Geschosse ist daher neben der hohen Verfügbarkeit auf zwei Hauptfaktoren zurückzuführen. Erstens trifft das Projektil aus abgereichertem Uran aufgrund seiner hohen Dichte mit sehr hoher kinetischer Energie auf das Ziel. Die kinetische Energie wird teilweise in Wärme umgewandelt, wodurch die Panzerung geschmolzen und durchdrungen wird.
Zweitens bringt die Hitze auch den Urankern zum Brennen, was zusätzliche Zerstörungskraft erzeugt. Dank der Kombination dieser beiden Faktoren können Geschosse mit abgereichertem Uran praktisch jede Panzerung durchdringen, auch moderne Sandwich-Panzerungen. Natürlich sind sie auch gegen alle anderen gepanzerten Ziele sowie gegen Betonbefestigungen wirksam.

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Ideales Ziel der Desinformation

Die Tatsache, dass diese Waffe Restmengen radioaktiven Materials enthält, macht sie zu einem idealen Ziel für Desinformation. Russland hat die USA notorisch jedes Mal kritisiert, wenn die US-Streitkräfte solche Granaten eingesetzt oder exportiert haben, sei es im ehemaligen Jugoslawien, im Irak oder jetzt im Krieg in der Ukraine.
Es überrascht daher nicht, dass die russischen Staatsmedien und das russische Außenministerium die angekündigte Lieferung von Geschossen mit abgereichertem Uran sofort als "unmenschlich" verurteilten und bedauerten. Dies ist interessant vor dem Hintergrund, dass sich Uran-Munition auch in russischen Arsenalen findet.

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Risiko: Vergiftung, nicht Verstrahlung

Geschosse mit abgereichertem Uran haben nichts mit Atomwaffen zu tun. Die sehr begrenzten Risiken, die sie möglicherweise für die Zivilbevölkerung darstellen, rühren von ihrer Toxizität her, wie bei jedem anderen Schwermetall. Dabei ist es wesentlich weniger giftig als Blei.
Die Entwicklung einer Krankheit würde eine dauerhafte Exposition gegenüber dem Material oder ein direktes Eindringen in den Körper erfordern. Eine gelegentliche Exposition (z. B. wenn jemand nur einmal an einem Gebiet vorbeikommt, in dem solche Waffen früher eingesetzt wurden) ist nicht schädlich. Studien über Langzeitschäden dauern an.
Solange die Granate nicht abgefeuert wird, stellt sie für niemanden ein nennenswertes Risiko dar. Die Toxizität ist offensichtlich nicht gegeben, da sich der Kern des Geschosses aus abgereichertem Uran im Inneren der Hülle befindet.

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Giftige Gaswolke entsteht

Doch mit dem Einschlag zersplittert das Projektil. Es entsteht eine hochgiftige Gaswolke. Diese toxische Wirkung tritt ein, wenn die beim Einschlag entstehenden Aerosole direkt eingeatmet werden oder später in den Verdauungstrakt gelangen (z. B. durch Lebensmittel oder Wasser aus dem betroffenen Gebiet).
Eine weitere Möglichkeit einer schweren Vergiftung besteht darin, dass abgereichertes Uran in den Blutkreislauf gelangt, beispielsweise wenn eine Person von einem Fragment eines Geschosses getroffen wird. In all diesen Fällen sind insbesondere die Nieren betroffen.
Nach allem, was bis heute bekannt ist über die Effekte von Uran-Munition, stehen den militärischen Vorteilen bei der Durchschlagskraft durch Panzerung nur sehr begrenzte Risiken einer Vergiftung gegenüber.
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