: Butscha ein Jahr nach der Befreiung

von Anne Brühl
31.03.2023 | 06:00 Uhr
Leichen, die tagelang auf der Straße lagen, ein Massengrab hinter der Kirche: Wie kaum ein anderer Ort steht Butscha für das Grauen des Krieges.
Wer von Kiew durch den Kiefernwald heraus nach Butscha fährt, der kommt vorbei an einem ganz besonderen Mahnmal: Dutzende ausgebrannte Autowracks, viele von Kugeln durchsiebt. Nach dem Rückzug der Russen haben die Menschen Sonnenblumen darauf gemalt, auf einigen ist zu lesen: Gott schütze die Ukraine.

Neuanfang für Butscha - ein Jahr nach dem Abzug der Russen

In den Autos haben die Menschen versucht zu fliehen, damals als zu Kriegsbeginn die Russen Butscha besetzten. In den ersten Kriegstagen rücken die russischen Einheiten auf Kiew vor. Durch die Woksalna-Straße, die Bahnhofsstraße, in Butscha rollen russische Panzer. Einen guten Monat, bis zum 31. März 2021 werden russische Soldaten in Butscha bleiben.
In der Woksalna-Straße wird überall renoviert und wiederaufgebaut. Selbst die Straßenbäume werden neu gepflanzt. Es soll ein kraftvoller Neuanfang für Butscha werden. Für den Ort, der das Unvorstellbare erlebt hat.

Die Menschen in Butscha haben Unvorstellbares erlebt

Valentin Didkowskij lebt in der Woksalna-Straße. Als ich ihn treffe, zeigt er ein Handyvideo, das er damals aufgenommen hat und sagt: "Wissen Sie, das werde ich bis zum Ende meines Lebens nicht vergessen." Und dann erzählt von dem Mann auf dem Fahrrad, den die Russen auf offener Straße erschossen haben. Von Leichen, die tagelang auf der Straße lagen, weil die Anwohner von Butscha sich in ihren Kellern verstecken mussten - weil die Russen Wärmebildkameras auf ihren Waffen hatten und in die Wohnungen schossen.
Der Priester Andryj Galawin ist ein gefragter Mann in Butscha - Annalena Baerbock war schon da - oder gerade der japanische Ministerpräsident. Hinter Galawins Kirche war das Massengrab. 637 gewaltsame Todesfälle während der russischen Besatzung werden untersucht.
Wir können das Böse nicht erklären. Wenn wir es erklären, dann rechtfertigen wir es.
Andryj Galawin, Priester in Butscha

Eine Fotoausstellung will den Opfern Namen geben

Galawin zeigt eine Fotoausstellung in seiner Kirche geht. Eine weibliche Hand mit lackierten Fingernägeln - eine männliche Leiche, neben der ein Hund sitzt sind auf den Fotos zu sehen. Der Mann hieß Wolodymyr Brovchenko, sagt Galawin. Ihm ist das wichtig, diesen Namen zu nennen, den Opfern einen Namen zu geben.
Die Russen, sagt er fast verzweifelt, sagen, dass das hier Fake sei. Es ist die Wirklichkeit in Butscha, festgehalten von Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters. Die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden sind dabei Beweise zusammenzutragen um die Fälle vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.

Wiederaufbau ist das eine, die Herzen und Seelen zu heilen das andere

Tetjana Prutka hat die russische Besatzung überlebt. Wir treffen sie vor dem Haus ihrer Mutter in der Bahnhofstraße. Tetjana hat sich vor den Russen im Keller versteckt. Nach ein paar Tagen sind sie mit 20 Personen in drei Autos gestiegen. Es gelang ihnen zu fliehen.
Auch hier läuft der Wiederaufbau, dazu gibt es vom Staat Unterstützung. Positiv denken, das ist das Motto von Tetjana, sagt sie. Zum Abschied aber auch das: Der Wiederaufbau der Häuser, das Renovieren - das habe alles nur mit Geld zu tun. Viel schwerer aber sei es, die Herzen, die Seelen der Menschen von Butscha zu heilen.
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