: Verfassungsschutz Bayern darf AfD beobachten

von Patricia Schäfer
01.07.2024 | 15:18 Uhr
Der Verfassungsschutz in Bayern darf die AfD beobachten. Das Verwaltungsgericht München wies eine Klage dagegen ab.

Das Verwaltungsgericht München hat entschieden: Der bayerische Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten.

01.07.2024 | 00:23 min
Die Beobachtung der AfD durch den bayerischen Verfassungsschutz ist gerichtlich bestätigt: Das Bayerische Verwaltungsgericht München entschied am Vormittag, dass der Landesverfassungsschutz Bayern nicht nur den Landesverband der AfD beobachten darf, sondern die Gesamtpartei.

Richter: "Tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen"

Es gebe "tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD", begründete der Vorsitzende Richter Michael Kumetz das Urteil. Die Kammer erachte die Beobachtung der Gesamtpartei deshalb für möglich und verhältnismäßig. Mildere Mittel wie Beobachtung lediglich einzelner Parteimitglieder würden zu kurz greifen.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Richter aus, dass in Äußerungen von Vertretern der AfD "ein Bedrohungs- und Schreckensszenario mit Blick auf Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen muslimischen Glaubens aufgebaut wird."

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Gericht wertet Chatprotokolle und Posts von AfD-Mitgliedern aus

Das Gericht hatte zuvor Tausende Aussagen, Posts und Re-Postings von AfD-Mitgliedern, teilweise aus der Parteispitze, ausgewertet. Konkrete Beispiele waren etwa ein Facebook-Post des AfD-Kreisverbands Aichach-Friedberg. Zu sehen ist ein überfülltes Flüchtlingsboot: "Invasorentaxi" steht darunter.
Oder eine Collage mit zwei jungen Schwarzen. Sie halten darauf den deutschen Pass in die Kamera. "Wir sind Deutsche" steht darunter. Das zweite Bild zeigt zwei Löwen - mit der Aufschrift "Wir sind Vegetarier". Oder die Rede eines bayerischen AfD-Mitglieds. Den Islam bezeichnet der Politiker darin als "ansteckende Krankheit".

Urteil: "Nicht nur einzelne verbale Entgleisungen"

Solche Äußerungen seien "nicht nur einzelne verbale Entgleisungen", sondern basierten "auf einem ethnisch-biologischen Volksverständnis", das darauf abziele "auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund menschenwürdeverletzend auszugrenzen", heißt es dazu in der Urteilsbegründung.
Zudem machten "der AfD zurechenbare Äußerungen die demokratischen Institutionen und damit auch die Demokratie und den Rechtsstaat insgesamt in verfassungsschutzrelevanter Weise verächtlich." Als Beispiel wurde genannt, dass AfD-Vertreter ein Gericht als "Verrätergericht" bezeichnet und mit dem Dritten Reich verglichen hätten. In einem internen Telegram-Chat seien "Umsturzfantasien" geäußert worden.

Verwaltungsrechtler: AfD muss als Partei Konsequenzen für Aussagen tragen

Tobias Teich, stellvertretender AfD-Landesvorsitzender, sagte nach der Urteilsverkündung, es sei "nicht der Partei im Gesamten zuzurechnen, wenn ein Vertreter der AfD "irgendwelche Aussagen tätigt". Die Parteiführung könne nicht an jeden Einzelnen herantreten. Tatsächlich stammten die dem Gericht vorgelegten Äußerungen aber auch von Landtagsabgeordneten wie René Dierkes, Franz Schmid oder AfD-Landeschefin Katrin Ebner-Steiner.

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AfD will in Berufung gehen

Nach dem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichts ist nicht nur die Beobachtung der AfD als Gesamtpartei durch den bayerischen Verfassungsschutz zulässig, sondern auch die "sachliche Information der Öffentlichkeit hierüber". Die "tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD" seien "hinreichend gewichtig", so die Richter.

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Der stellvertretende Landesvorstand der bayerischen AfD Tobias Teich zeigte sich "nicht sonderlich überrascht über das Urteil, weil dem Eilantrag gefolgt wurde" und sagte, dass seine Partei sich weitere Schritte vorbehalte. Bereits zu Beginn der Verhandlung hatte AfD-Landeschef Stephan Protschka angekündigt, in Berufung gehen zu wollen.
Bis zur schriftlichen Urteilsbegründung können noch einige Wochen vergehen. Erst dann kann die AfD eine Berufung beantragen. Ob diese dann auch gestattet wird, bleibt abzuwarten.
Patricia Schäfer ist Korrespondentin im ZDF-Landesstudio Bayern.

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