: Binnenschifffahrt: Stiefmütterliches Dasein

von Frank Bethmann
11.11.2023 | 07:19 Uhr
Dass mehr Fracht auf Flüssen transportiert werden soll, ist unstrittig. Das Problem: die marode Wasserinfrastruktur. Es fehlt an Geld, an Personal - und auch am politischen Willen.
18.08.2022, Rhein bei Lobith, Niederlande: Ein Binnenschiff fährt durch den Rhein (aufgenommen aus der Vogelperspektive)Quelle: epa
"Was helfen die ganzen Lippenbekenntnisse?", fragt Jens Schwanen enttäuscht. Der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) kann sich noch gut an den Jahresanfang erinnern. Im Januar machte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der Branche bei einer öffentlichen Veranstaltung Mut:
Eine umwelt- und klimafreundliche Logistik ist ohne die Binnenschifffahrt nicht möglich.
Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP) im Januar 2023
Doch passiert ist wenig, nicht erst seitdem. Bereits seit 2019 existiert der "Masterplan Binnenschifffahrt", der vorsieht, dass der Verkehrsanteil der Binnenschifffahrt bis 2030 bei 12 Prozent liegen soll. Das entspräche fast einer Verdoppelung der aktuellen Transportleistung.

Schleusen, Wehre, Brücken - vielerorts in desolatem Zustand

Die Vorteile einer solchen Verkehrsentwicklung liegen auf der Hand. Auf den Flüssen ist im Gegensatz zur Straße und zur Schiene noch Platz. Vor allem aber schafft es ein durchschnittliches Frachtschiff die Ladung von 150 LKW zu transportieren.

Die Internationale Weltschifffahrts-Organisation will konkrete Vorgaben machen, wie Containerschiffe ihre Emissionen senken sollen. Bisher fahren die Schiffe vor allem mit Schweröl.

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Zwar verursachen auch Schiffe Treibhausgase, doch das Bundesumweltamt hat errechnet, dass sie pro Tonne Fracht nur etwa ein Drittel dessen emittieren, was ein LKW hinten raushaut.
Das Problem aber ist ein ganz anderes. Die Infrastruktur der Wasserstraßen ist in die Jahre gekommen. Schleusen, Wehre, Brücken sind vielerorts in einem desolaten Zustand.
Auf Anfrage der CDU/CSU im Bundestag bestätigte die Bundesregierung jüngst, dass ein kurz- bis mittelfristiger Handlungsbedarf an circa 70 Wehren, circa 130 Schleusen und 160 Brücken bestünde.

Geld zur Sanierung "reicht vorne und hinten nicht"

Das sei die Folge einer jahrzehntelangen Unterfinanzierung, meint Magnus Bünning vom Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen, einem Branchen-Thinktank.

Eine weitere Alternative zu Lastwagen auf der Autobahn ist die Bahn. Doch auch hier fehlt es an Investitionen für den Gütertransport auf Schienen.

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In diesen Tagen wird über den endgültigen Bundeshaushalt für das kommende Jahr entschieden. Der für das Schifffahrtsgewerbe wichtigste Etat, nämlich für Ersatz, Ausbau und Neubaumaßnahmen, soll im Jahr 2024 725 Millionen Euro betragen.
Das reicht vorne und hinten nicht.
Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutsche Binnenschifffahrt (BDB)
Schwanen verweist dabei auf den vom Bundesverkehrsministerium vorgelegten Verkehrsinfrastrukturbericht. Danach beträgt allein der Ersatzinvestitionsbedarf 900 Millionen Euro pro Jahr, um den Substanzverlust im Wasserstraßennetz aufzufangen. "Und da reden wir noch nicht vom Ausbau", ergänzt der Geschäftsführer des BDB.

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Für Binnenschifffahrtsausbau fehlen Planer und Ingenieure

Es klemmt also gewaltig und das nicht nur beim Geld. Bünning lenkt den Fokus auf die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die nach Meinung des Branchenkenners nicht ausreichend in der Lage ist, die Verkehrswege in Schuss zu halten.
Dort fehlt es an Planern und Ingenieuren sowie an einer positiven Fehler- und Entscheidungskultur.
Magnus Bünning, Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen
Dass Planungs- und Genehmigungsverfahren mitunter Jahrzehnte dauern, zu dieser Erkenntnis kommt auch der Abschlussbericht der Beschleunigungskommission Mittelrhein.

Planungs- und Bauzeiträume für Wasserwege sollen verkürzt werden

Im Detail geht es dabei um Lösungen für eines der wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte im Bundesverkehrswegeplan für Wasserstraßen, einer Fahrrinnenvertiefung auf Deutschlands wichtigstem Strom, dem Rhein.

So werden Waren weltweit transportiert:

Auf dem Wasser

Quelle: ZDF
Der Transport auf dem Wasser wird in zwei große Bereiche eingeteilt - und zwar in die Seeschifffahrt und in die Binnenschifffahrt. Bei der Seeschifffahrt werden die geladenen Güter über Meere und Ozeane transportiert, wohingegen sich die Schiffe bei der Binnenschifffahrt auf Seen, Flüssen oder Kanälen bewegen. Die Seeschifffahrt wird am häufigsten genutzt, weil hier sehr große Mengen über sehr weite Strecken transportiert werden können. Zum Beispiel kommen so Waren aus China nach Deutschland. Insbesondere innerhalb eines Landes tragen Binnenschiffe zur Entlastung des Straßen- und Schienentransports bei. Auf dem großen Fluss Rhein sind beispielsweise viele Transportschiffe unterwegs. So ersetzt ein einziges Binnenschiff bis zu 150 Laster.

Weil Schiffe auf Binnengewässern nur vergleichsweise langsam fahren dürfen und das Wasser eine geringe Strömungsgeschwindigkeit hat, dauert der Transport hier etwas länger, als über Meere oder Ozeane. Außerdem können kleinere Gewässer im Winter auch mal zufrieren, einen niedrigen Wasserstand oder Hochwasser haben. Dann kommen Schiffe meistens gar nicht mehr oder nur schwer voran.

In der Luft

Quelle: dpa
Flugzeuge legen im Vergleich zu Lkw, Güterzügen oder Frachtschiffen die weiteste Strecke in der kürzesten Zeit zurück. Deshalb werden mit ihnen besonders Güter transportiert, die aufgrund ihrer kurzen Haltbarkeit schnell ausgeliefert werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel Obst oder Pflanzen, Medikamente oder wichtige und eilige Dokumente. Für den Transport in der Luft werden nicht immer nur reine Frachtflugzeuge eingesetzt, sondern zum Teil auch Passagierflugzeuge.

Bevor die Fracht allerdings abheben kann, muss sie erst einmal zum Flugzeug gebracht werden. Am Zielflughafen später muss sie dann noch abgeholt und zum Ziel weiter transportiert werden. Das kostet sehr viel Zeit. Ein weiterer Nachteil ist die Größen- und Gewichtsbeschränkung. Sehr große und sperrige Dinge können nicht mitgenommen werden. Ein Frachtflugzeug verbraucht außerdem ungefähr zwölfmal so viel Treibstoff wie ein Schiff.

Auf der Straße

Quelle: Ulrike Koltermann/dpa
Der Laster ist das am häufigsten genutzte Transportmittel im gesamten Güterverkehr. Lkw sind nicht an feste Routen gebunden, wie zum Beispiel Züge auf Schienen und können von fast jedem Ort zu fast jeder Zeit beladen werden und starten.

Weniger gut sind die Abgase und der Lärm, den die Laster auf den Straßen jeden Tag verursachen. Manche Länder testen deshalb schon Elektro-Lkw auf speziellen Strecken, die dann umweltfreundlicher und leiser wären.

Auf der Schiene

Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa
Im Jahr 1830 ist die erste für den Güterverkehr gebaute Schienenstrecke in England eingeweiht worden. Damit ist die Lokomotive nach dem Schiff die zweitälteste Transportmöglichkeit. Ein Vorteil des Schienengüterverkehrs ist, dass Züge bis zu 30 Waggons hintereinander hängen können und dass in die großen Container viele Waren reinpassen. Das spart Transportkosten. Außerdem ist der Schienengüterverkehr deutlich umweltfreundlicher als die Lkw.

Ein Nachteil ist, dass die Waren oft noch einmal zum Beispiel auf Laster umgeladen werden müssen, bevor sie an ihrem Ziel ankommen. Außerdem sind die Schienennetze noch nicht gut genug ausgebaut und Güterzüge teilen sich die Gleise mit den Personenzügen und sind dadurch an feste Fahrpläne gebunden.

Von Abladeoptimierung sprechen die Fachleute, die Vorschläge erarbeitet haben, wie sich hier Planungs- und Bauzeiträume verkürzen ließen.
BDB-Geschäftsführer Schwanen freute es seiner Zeit, "dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing seine Überzeugung mitgeteilt hat, dass die Abladeoptimierung im überragenden öffentlichen Interesse liegt und dass er sich weiter dafür einsetzt, dass dies auch entsprechend gesetzlich verankert wird."

Bundesrat moniert Fehlen von Wasserstraßenprojekten

Gesagt, aber nicht getan. Im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz befindet sich weder dieses konkrete Mittelrhein- noch irgendein anderes Wasserstraßenprojekt. Der Bundesrat hat diesen Missstand zwar moniert, ungewiss jedoch, ob er auf Änderungen beharrt oder das Gesetz dennoch durchwinkt.
Wie es auch kommt, eines bleibt schon jetzt hängen: "Wieder einmal werden die Wasserstraßen eher stiefmütterlich behandelt", findet Bünning.
Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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