: Queere Menschen: Ihr Verbrechen war die Liebe

von Sebastian Scherrer
27.01.2024 | 12:33 Uhr
Wie sexuelle Minderheiten im Nationalsozialismus verfolgt wurden, zeigt eine Dokumentation von ZDFinfo. Die Dreharbeiten: eine echte Herausforderung, berichtet Regisseur Scherrer.

Warum wurden Schwule, Lesben und Transpersonen im Nationalsozialismus verfolgt? Die Dokumentation zeigt, wie die Nazis Strafen verschärften und queere Menschen terrorisierten.

27.01.2024 | 44:58 min
Der Film bringt die verschollenen Biographien queerer Personen in der NS-Zeit ans Licht. Gemeinsam mit den Aktivistinnen Julia Monro und Kerstin Thost sowie dem Schauspieler Jannik Schümann begab sich unser Team auf eine Reise in die Vergangenheit, um die bewegenden Lebensgeschichten von Rudolf Brazda, Liddy Bacroff und Elli Smula zu rekonstruieren.

"Queer" als Überthema

Für das Team - bestehend aus mir als Regisseur, meinem Producer Fabio Mauro und den Mitarbeitern von Februar Film - stellte dieses Projekt eine besondere Aufgabe dar. Bereits die Auswahl der Geschichten, die wir erzählen wollten, war ein komplexer Prozess.

Gut 18 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs begann der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess. Damals ein wichtiger Schritt hin zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust.

20.12.2023 | 01:36 min
Die Herausforderung, Menschen in einem Film zu porträtieren, liegt darin, dass es um individuelle Lebensgeschichten geht. Wenn man so einen breiten Begriff wie "queer" als Überthema behandelt, ist das nicht einfach.

Oftmals nur noch Stolpersteine als Erinnerung

Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, wählten wir mit Brazda einen schwulen Fall, wagten durch das Leben von Elli Smula einen Blick in die lesbische Lebenswelt und nahmen mit Liddy Bacroff einen Fall auf, der in erster Linie gar nichts mit Sexualität zu tun hat, sondern mit der Frage geschlechtlicher Identität.

Dieses Video erklärt, wie man Stolpersteine reinigt, damit diese nicht in Vergessenheit geraten

13.11.2019 | 02:11 min
Die nächste Herausforderung begegnete uns, als wir herausfanden, dass die Spuren, denen wir folgen wollten, kaum noch vorhanden sind. Die meisten Schauplätze, an denen sich das Leben unserer Protagonisten abspielte, sind verschwunden. Und an jenen, die es noch gibt, erinnert bis auf den einen oder anderen Stolperstein kaum noch etwas an die Schicksale der Menschen, die dort waren.

Wenig Forschung vorhanden

In den Quellen sieht es nicht besser aus. In der Zeit des Nationalsozialismus waren homosexuelle Menschen marginalisiert. Wenn sie überhaupt Eingang fanden in Artikel, Wochenschauen oder Akten, dann immer im Blickwinkel ihrer Verfolger. Sie müssen also genau und kritisch gelesen werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass es an umfassender wissenschaftlicher Forschung zu diesem Thema mangelt. Studien zur queeren Geschichte sind selten - und vieles von jenem, das wir erzählen wollten, war bislang wissenschaftlich überhaupt noch nicht aufgearbeitet. Trotz dieser Schwierigkeiten gelangen uns hin und wieder Überraschungen, die den Schleier für einen Moment heben konnten und einen Blick in die queere Lebensrealität ermöglichten.

Juden-Verfolgung der Nazis: Wo leben Holocaust-Überlebende?

Quelle: Frank Marten Pfeiffer

79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs leben weltweit noch 245.000 Menschen, die die Juden-Verfolgung der Nazis überlebt haben und davon Zeugnis ablegen können. Das zeigt ein demografischer Bericht, den die Claims Conference veröffentlicht hat.

  • Fast die Hälfte der Überlebenden (49 Prozent) leben in Israel,
  • 16 Prozent in den USA,
  • 17,5 Prozent in Westeuropa,
  • neun Prozent in Frankreich (21.900),
  • knapp sechs Prozent in Deutschland (14.200).
Insgesamt leben die Shoah-Überlebenden in mehr als 90 Ländern. Die meisten von ihnen sind "Child Survivors" (95 Prozent) und waren bei Ende des Zweiten Weltkriegs im Durchschnitt sieben Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Überlebenden liegt bei 86 Jahren. Die älteste Überlebende ist 112 Jahre alt. Der demografische Bericht zeigt, dass die Zahl der Shoah-Überlebenden im Vergleich zu früheren Jahren dramatisch gesunken ist.

Die Claims Conference

Quelle: Muammar Awad/XinHua/dpa/Archiv
Die Claims Conference arbeitet mit einem weltweiten Netzwerk von 300 Hilfsorganisationen zusammen, die den Kontakt zu den Überlebenden pflegen. Sie kennen ihre Bedürfnisse und helfen dabei, schnell auf sie zu reagieren. Die Claims Conference finanziert häusliche Betreuung, um den Überlebenden ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und sie leistet Nothilfe wie zum Beispiel mit dem Notfall-Fonds, der nach dem 7. Oktober für Überlebende in Israel aufgelegt wurde oder der Evakuierung von Shoah-Überlebenden aus der Ukraine im Jahr 2022.

Quelle: www.claimscon.org

"Ich habe meine Natur gelebt"

Im Fall von Liddy Bacroff waren es literarische Selbstzeugnisse, die einen wertvollen Einblick in die Eigenwahrnehmung einer queeren Person vor etwa hundert Jahren erlaubten. Wenn sie dort schreibt:
Irgendwo in der Welt, ohne dass man viel Aufsehen davon machen wird, werde auch ich enden; aber keine Klage wird, wenn es so weit ist, über meine Lippen kommen, denn ich habe meine Natur gelebt.
Liddy Bacroff
So berührt das angesichts der Tatsache, dass sie nur kurze Zeit später in Mauthausen ermordet wurde. Und das, weil sie selbstbestimmt leben wollte.

Wunsch nach Freiheit verwehrt

Der Film "Verbotene Liebe" war ein Projekt, dass uns durch seine Schwierigkeiten, aber auch durch seine berührenden Einblicke in Erinnerung bleiben wird. Dies betrifft besonders die historischen Schicksale.

Die Befehle im Dritten Reich wurden von Männern gegeben, doch auch Frauen haben sich schuldig gemacht – als Aufseherinnen oder Ärztinnen im KZ.

19.08.2020 | 43:02 min
Es war der Wunsch dieser Menschen, frei zu leben. Er wurde ihnen versagt. Für ihren Wunsch wurden sie unterdrückt, verfolgt, und getötet. So etwas darf nie wieder geschehen.

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