: FDP ringt um Eigenständigkeit in Koalition

von Frank Buchwald
22.04.2023 | 19:59 Uhr
Bundesparteitag der FDP in Berlin: Die Liberalen setzen auf eigenen Stil, eigene Erfolge - und sie grenzen sich selbstbewusst von ihren Ampelpartnern ab
Die Wände weiß gekalkt, der Boden rauer Beton, alle paar Minuten durchzieht ein leichtes Zittern die genietete Stahlkonstruktion, dann rattern U-Bahnzüge über die Dächer der Hallen. Der alte Postbahnhof am Berliner Gleisdreieck wirkt schmucklos und spröde.

Parteitag: Gleicher Ort, andere Tonlage

Seit 2013, als die FDP sang- und klanglos aus dem Bundestag verschwand, treffen die Liberalen sich hier zu ihren Bundesparteitagen. Reduziert auf das Wesentliche: Loft-Atmosphäre und Start-up-Charme passten gut zu einer vom Wähler schwer bestraften Traditionspartei im parlamentarischen Aus.

Bei den letzten Landtagswahlen fuhr die FDP herbe Verluste ein, flog aus drei Landtagen. Mehr Profilschärfe in Berlin soll die Partei auch auf Landesebene erfolgreicher machen.

24.04.2023 | 02:50 min
Der Ort ist noch immer derselbe, die Partei aber hat sich längst wieder aufgerappelt; mit Christian Lindner an der Spitze schafften die Freien Demokraten die Rückkehr in den Bundestag und arbeiteten sich schließlich aus der Opposition auf die Regierungsbank empor. Die Liberalen sind angekommen in der Verantwortung - und damit hat die politische Tonlage der Parteitage sich verändert.

Christian Lindner ohne triumphalen Gestus

Auch Christian Lindner klingt anders als früher. Kein freischwebendes rhetorisches Capriccio mehr, wo scharf geschliffene Sachargumente sich abwechselten mit bissigem Spott, vor allem auf Kosten der Grünen. Die sind nun Koalitionspartner des Finanzministers: Die eigenen Erfolge stellt Lindner zwar durchaus selbstbewusst ins Schaufenster, verzichtet aber auf jeden triumphalen Gestus.
Und die sonst so gern verspotteten Lastenradfahrer im Prenzlauer Berg kommen zwar immer noch vor, aber als Antipode zum Autofahrer im Thüringer Wald, der nun mal auf seinen Wagen angewiesen sei. Beide Lebensstile müssten ihren Platz haben, sagt Lindner; da spricht der Finanzminister aller Deutschen. Und das liberale Credo, dass jeder Euro, den der Staat ausgibt, vorher von seinen Bürgern verdient werden muss, klingt bei ihm nun milder als früher - und fürsorglicher.

Djir-Sarai: Wohlstand muss erwirtschaftet werden

Der Leitantrag soll liberale Programmatik definieren, ohne Rücksicht auf Kompromisse in der Ampel-Koalition. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bringt ihn am Samstag ein. Er beschwört eine Wachstumsagenda und grenzt die FDP ab gegen "diejenigen, die Tag für Tag den Weltuntergang" voraussagten: "Das Philosophieren über Nullwachstum und Wohlstandsverzicht mag linksgrüne Stuhlkreise faszinieren", sagt Djir Sarai, als Zukunftsmodell aber tauge es nicht.
Dabei nennt er zwar keine Namen, die Kritik an den Koalitionspartnern SPD und Grüne aber ist nicht zu überhören. "Weite Teile der deutschen Politik" hätten verdrängt, dass Wohlstand zunächst erwirtschaftet werden müsse, bevor er verteilt werden könne. Die FDP bekenne sich deshalb zu Wachstum, Forschung und Innovation, zu Marktwirtschaft, Freihandel und zu "Entlastungen für die hart arbeitende Mitte".
Nur solide Staatsfinanzen sicherten Arbeitsplätze, einen effektiven Sozialstaat und wirksamen Klimaschutz. Bei dieser "zentralen internationalen Menschheitsaufgabe" aber dürften die Menschen nicht bevormundet werden: Klimaschutzpolitik müsse deshalb auf Technologieoffenheit setzen, nicht auf "die Sackgasse der Verbotspolitik".

FDP-Wähler genervt von Ampel-Kompromissen

Solche Sätze dienen der liberalen Selbstvergewisserung. Sie wirken in die Partei hinein und senden ein Signal an die Wähler der FDP, nicht wenige von ihnen sind genervt von Kompromissen in der Ampel, die Umfragewerte könnten besser sein. Es gehe um eine Positionsbestimmung, heißt es in der Parteispitze, die FDP bleibe als Partei eigenständig, regiere aber eben auch in einer Koalition. Mit solchen Realitäten müsse sie umgehen.
Die Freien Demokraten gingen deshalb selbstbewusst in ein weiteres Regierungsjahr und empfehlen sich als Garanten einer Politik der Mitte, mit eigenem Stil und gelegentlich auch eigenen Erfolgen. Wer da noch zweifele müsse sich nur mal vorstellen, wie das Land aussähe - mit einer Regierung ohne die FDP.
Ob diese Strategie aufgeht, wird sich auch bei den bald anstehenden Landtagswahlen erweisen. In Bremen und Bayern hat die FDP es traditionell schwer, Hessen aber könnte zum doppelten Lackmustest werden: An der Spitze des Landesverbandes steht Bettina Stark-Watzinger und die Bundesbildungsministern ist gerade erst als stellvertretende FDP-Vorsitzende in die Parteispitze aufgerückt.

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