: Urteil: "Handy-Blitzer"-Bußgelder rechtens

von G. Pagliaro, S. Kirsch
02.03.2023 | 19:28 Uhr
Ein Spezial-Blitzer für Handynutzung am Steuer führte in Rheinland-Pfalz zu Bußgeldern. Noch ohne Rechtsgrundlage, befand ein Gericht heute. Zahlen müssen die Fahrer trotzdem.
Die MONO-Cam ist so neu, dass es noch keine Rechtsgrundlage für sie gibt. Aber Bußgelder müssen trotzdem gezahlt werden. Quelle: dpa
Es war ein Pilotprojekt des rheinland-pfälzischen Innenministeriums: Die Polizei in Trier und Mainz setzte 2022 eine spezielle Kamera ein, die erkennt, wenn Autofahrer am Steuer ihr Handy nutzen.

Gericht bestätigt Bußgelder in drei Fällen

Fünf Personen, die von der so genannten "MONOcam" geblitzt wurden, legten Einspruch gegen die Bußgeldbescheide ein. Nun entschied das Amtsgericht Trier als erstes Gericht in Deutschland über die Rechtmäßigkeit des "Handy-Blitzers". Ein Betroffener wurde freigesprochen, weil das Handy auf dem Bild nicht erkennbar war. Ein weiteres Verfahren wurde wegen weiterer Ermittlungen ausgesetzt.
In drei Fällen bestätigte das Gericht die Bußgelder. Es stellte jedoch fest, dass es keine ausreichende gesetzliche Grundlage für den "Handy-Blitzer" gegeben habe. Sein Einsatz greife in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller ein, die von der "MONOcam" gefilmt werden, darunter auch diejenigen Autofahrer, die keine Anstalten machen, ein Handy am Steuer zu nutzen. Deswegen müsse geregelt sein, unter welchen Voraussetzungen die Kamera eingesetzt werden darf. Ohne Regelung sei die Messung rechtswidrig gewesen.

Immer häufiger geschehen schwere Unfälle, weil sich Autofahrer mehr mit ihrem Smartphone beschäftigen als mit dem Straßenverkehr. Bei einer Großkontrolle in Karlsruhe hat die Polizei deshalb vor allem Handysünder im Visier.

29.09.2018 | 05:19 min

Bilder trotzdem verwertbar

Trotz der fehlenden Rechtsgrundlage war das Gericht aber der Ansicht, dass die Bilder als Beweis verwertet werden durften. Denn das Interesse der Allgemeinheit an der Verfolgung und der Sicherheit des Straßenverkehrs wiege schwerer als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Geblitzten.
Jeder, der am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme, müsse damit rechnen, beim Autofahren gesehen und kontrolliert zu werden. Jürgen Verheul, Anwalt zweier Kläger, kündigte an, gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vor das Oberlandesgericht Koblenz zu ziehen.

Wie funktioniert der Handy-Blitzer?

"MONOcam" ist ein niederländisches System, das dort bereits regulär eingesetzt wird. Wie bei einer Abstandsmessung wird die Kamera zumeist auf Brücken aufgestellt. Sie filmt alle vorbeifahrenden Autos und erkennt mit künstlicher Intelligenz Handys im Fahrerbereich und Handbewegungen, die auf eine Nutzung hindeuten.
Kommt beides zusammen, schießt und speichert die "MONOcam" ein Foto, das dann von geschulten Polizisten ausgewertet wird.

Handy-Sünder zu überführen ist schwierig. Abhilfe soll nun die Monocam schaffen, eine Kamera mit KI-Advice. In Rheinland-Pfalz wurde sie gerade erfolgreich getestet.

05.12.2022 | 06:34 min

Datenschutzbeauftragter skeptisch

Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann war vom Innenministerium vor Start des Pilotprojekts eingebunden worden. Nach eigener Aussage hatte er einem zeitlich begrenzten Einsatz ohne spezielle Rechtsgrundlage "mit Bauchschmerzen zugestimmt", aber darauf gedrungen, den Zeitraum auf sechs Monate zu begrenzen und die Überwachung mit Hinweisschildern anzukündigen. Das erfolgte dann auch. Dem Vorschlag, die "MONOcam" zunächst auszuprobieren, ohne Bußgelder zu verhängen, war das Innenministerium nicht gefolgt.
Ob der "Handy-Blitzer" in Rheinland-Pfalz eine Zukunft hat, will das Innenministerium noch entscheiden, teilte ein Sprecher auf ZDF-Anfrage mit. Für eine dauerhafte Nutzung brauche es dann eine spezifische Rechtsgrundlage. Derzeit ist die "MONOcam" nicht im Einsatz.
Der Datenschutzbeauftragte Kugelmann hält es für möglich, dass der Gesetzgeber eine Regelung schaffen könnte, die einen Einsatz von "Handy-Blitzern" zulässt. Offen ist noch, ob die Kompetenz dafür bei den Bundesländern liegt, oder beim Bund, der für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist.

Handy am Steuer verboten

Ablenkung durch Handys am Steuer ist eine häufige Unfallursache. Die Nutzung während des Fahrens ist laut Straßenverkehrsordnung verboten. Darunter fällt jede Benutzung, für die das Mobiltelefon in die Hand genommen werden muss. Neben dem Telefonieren ohne Freisprechanlage dürfen zum Beispiel auch keine Textnachrichten gelesen oder verschickt werden. Wird man erwischt, drohen 100 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg.
Gianna Pagliaro und Samuel Kirsch arbeiten in der Redaktion Recht und Justiz.

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