FAQ

: Was hat der Kita-Rechtsanspruch gebracht?

von Florence-Anne Kälble
01.08.2023 | 16:12 Uhr
Seit zehn Jahren gibt es den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in der Kita. Hat sich dadurch etwas verändert? Und wenn ja, was? Ein Überblick.
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ist 2013 in Kraft getreten. (Symbolbild)Quelle: iStock/FatCamera
Am 1. August 2013, also vor genau zehn Jahren, ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr in Kraft getreten. Verankert wurde das in Paragraf 24 Absatz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII.
Ziel dieser gesetzlichen Regelung war, Männern und Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu ermöglichen. Ob das tatsächlich geklappt hat? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wer hat einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz?

Eltern eines Kindes unter einem Jahr haben nur dann einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Einrichtung, wenn beide Elternteile berufstätig oder in Ausbildung sind.
Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Betreuungsanspruch. Hierbei ist es unerheblich, ob die Eltern einen Job haben.

In Radolfzell am Bodensee übernehmen Eltern nachmittags abwechselnd die Kita-Betreuung ihrer Kinder. Wegen fehlender Fachkräfte hätte die Kita sonst mittags schließen müssen.

18.04.2023 | 01:53 min

Werden mehr Kinder in der Kita betreut als noch vor 10 Jahren?

Ja. Seit Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr zeigen sich stetig steigende Betreuungsquoten bei den unter Dreijährigen. Seit 2013 ist die Betreuungsquote von 29,3 Prozent auf 35,5 Prozent im Jahr 2022 gewachsen. Bei den drei- bis fünfjährigen Kindern bewegte sich der Wert im selben Zeitraum zwischen 92 und 94,3 Prozent.
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Wie viele Kinder mit Migrationshintergrund werden betreut?

Auch der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund unter allen Kita-Kindern ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Machten Kinder mit Migrationshintergrund laut Statistischem Bundesamt 2007 etwa 23 Prozent aller Kita-Kinder aus, so waren es 2019 gut 28 Prozent.
Klar wird aber auch: Die Betreuungslücke bei vielen dieser Kinder bleibt groß. So zeigte eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung im März, dass nur 24 Prozent der Kinder, in deren Familien zu Hause kein Deutsch gesprochen wird, 2020 eine Kita besuchten. 28 Prozent bekamen keinen Platz - obwohl bei den Familien Bedarf besteht. Dabei sagen Fachleute: Bei Familien, in denen kein Deutsch gesprochen wird, kann der Kita-Besuch dabei helfen, die Sprache zu lernen.

Kita-Anspruch rechtlich durchsetzen, aber wie?

Was tun, wenn die Kita-Suche trotz Rechtsanspruchs erfolglos bleibt? Diese Schritte sind zu berücksichtigen, noch bevor es zur Klage kommt:

  • Eltern müssen sich zunächst selbst um einen Kita-Platz bemühen, sie können sich dafür bei den gewünschten Betreuungseinrichtungen förmlich anmelden.
  • Bleibt die Suche weiter erfolglos, unterstützt das örtliche Jugendamt.
  • Wenn dieses ebenfalls keinen Platz vermittelt, stellt das Amt einen ablehnenden Bescheid aus. Gegen diesen Bescheid können die Eltern in den meisten Fällen widersprechen.
  • Haben die Eltern nach dem Widerspruchsverfahren immer noch keinen Kita-Platz, können sie vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage erheben. Bei den Fristen gilt zu beachten: Meist steht auf dem Ablehnungsbescheid, wie viel Zeit dafür zur Verfügung steht. Falls es dann bereits zu Verdienstausfall oder Mehrkosten gekommen ist, kommt auch Schadensersatz in Betracht – das ist jedoch vom Einzelfall abhängig.

Quelle: Felix Molchanov/ZDF-Redaktion Recht und Justiz

Wird der tatsächlich vorhandene Betreuungsbedarf gedeckt?

Vor allem bei Kindern im Alter unter drei Jahren wird der Betreuungsbedarf noch immer nicht gedeckt. Zahlen des Bundesfamilienministeriums zeigen, dass fast die Hälfte der Eltern mit Kindern unter drei Jahren sich 2022 einen Betreuungsplatz für ihr Kind gewünscht hatten. Die tatsächliche Betreuungsquote in dieser Altersklasse liegt mit 35,5 Prozent deutlich unter dem Anspruch.

Wie hat sich der Betreuungsschlüssel entwickelt?

Der Personal-Kind-Schlüssel in den Kitas lag 2022 für Gruppen mit null bis zweijährigen Kindern bei 4,0, das bedeutet vier Kinder pro Fachkraft. Für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt lag der Schlüssel bei 7,8.
Sina Fackler vom des Deutschen Jugendinstitut e.V. erklärt, dass sich der Betreuungsschlüssel über die Zeit zwar deutlich verbessert habe, aber grundsätzlich gelte "je geringer, desto besser", da gerade die unter Dreijährigen deutlich höhere Aufmerksamkeit benötigen würden.

Hat der Rechtsanspruch etwas bewegt?

Die Zahl der Betreuungsplätze ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Für Kinder unter drei Jahren vergleichsweise stärker als für Kinder ab drei Jahren. Dabei muss aber laut Sina Fackler auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung betrachtet werden: "Flucht- und Migrationswellen haben die Zahl von Kindern im Krippen- und Kindergartenalter erhöht.
Das Platzangebot ist trotz eines massiven Ausbaus noch immer knapp", betont die Expertin.

Ermöglicht der Rechtsanspruch mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Tatsächlich hätten sich laut Deutschem Jugendinstitut e.V. zwei Stellschrauben als probat erwiesen, die vor allem die Müttererwerbstätigkeit erhöht hätten: der Rechtsanspruch und geringere Betreuungskosten.
Die Müttererwerbstätigkeit sei aber, zumindest in Westdeutschland, vor allem schon in den Jahren vor dem Rechtsanspruch angestiegen. Helmut Rainer, Leiter des ifo Zentrums für Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsökonomik, betont, dass die wichtigste Phase, die des Ausbaus der Krippenplätze zwischen 2005 und 2013 war: "Da gibt es schon Evidenz, dass das in Familien einiges verändert hat."
Es gibt Studien, die zeigen, dass die Müttererwerbstätigkeit hochgegangen ist. Vor allem bei Müttern im mittleren Bildungssegment.
Helmut Rainer, ifo Zentrum für Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsökonomik
Der Anstieg erklärt sich laut Rainer primär dadurch, dass Eltern - vor allem Frauen - mittlerweile mehr in Teilzeit arbeiten würden. Dazu habe der Krippenausbau maßgeblich beigetragen. "Danach ist der Ausbau, zumindest in Westdeutschland, zum Erliegen gekommen", fügt der Arbeitsmarkt-Experte hinzu.
Wir haben ja noch immer ein Mangelangebot an Krippenplätzen für unter Dreijährige im Schnitt.
Helmut Rainer, ifo Zentrum für Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsökonomik
Die verzweifelte Suche nach einem Kitaplatz - Betroffene schildern ihre Erfahrungen:

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