: Spahn hinterfragt Flüchtlingskonvention

von Felix Rappsilber
12.05.2023 | 07:21 Uhr
In Sachen Einwanderung spricht Jens Spahn von einem "Sog nach Deutschland". Er stellt die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention infrage.

Zu den migrationspolitischen Herausforderungen Deutschlands, welche Rolle Flüchtlingspolitik bei der Türkei-Wahl spielt sowie über neue Fluchtrouten nach Europa

11.05.2023 | 75:33 min
Im Bewusstsein darüber, dass er etwas wage, "was wieder tausend Shitstorms bringt", sagte Jens Spahn am Donnerstagabend bei Markus Lanz:
Vielleicht müssen wir tatsächlich mal darüber nachdenken, ob die Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention so noch funktionieren.
Jens Spahn, CDU-Politiker
Die Frage sei, ob die aus den Fünfzigerjahren stammende Flüchtlingskonvention im Jahr 2023 noch sinnvoll sei "mit diesen individuellen Verfahren, monatelang, ohne Klarheit für alle Beteiligten und mit den Botschaften, die sie sendet".
Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels:

Beim Flüchtlingsgipfel haben sich Bund und Länder auf zusätzlich eine Milliarde Euro zur Versorgung der Flüchtlinge geeinigt. Eine Arbeitsgruppe soll drüber hinaus weitere Entlastungsvorschläge erarbeiten.

11.05.2023 | 02:02 min

Spahn: Mittelmeer-Flüchtlinge zurückschicken

Stattdessen könne man "mit klaren Kontingenten" arbeiten und sich zu "Größenordnungen" verpflichten. Der CDU-Politiker verteidigte seinen Vorschlag, aus dem Mittelmeer gerettete Menschen "zurückzubringen zu der Küste, woher sie kommen": "Das machen Sie konsequent zwei, drei, vier, fünf Wochen. Dann ist die Botschaft klar: Dieser Weg funktioniert nicht."
Andernfalls würden viele Menschen "aus guten, nachvollziehbaren Gründen im Einzelfall" nach Deutschland kommen wollen. Wenn die deutsche Politik klar signalisiere, "es zu probieren, lohnt sich gar nicht", sei das zwar "hart, brutal" und tue "im Herzen weh".

Die Zahl der Binnenflüchtlinge sei im vergangenen Jahr auf mehr als 71 Millionen gewachsen. Das zeigt ein Bericht der internationalen Beobachtungsstelle für Vertriebene.

11.05.2023 | 00:22 min
Doch wenn man das "furchtbare Sterben" im Mittelmeer jemals beenden wolle, müsse man "diese klare Botschaft" senden und ergänzen mit Kontingenten, "wo man gezielt sagt, wir nehmen jedes Jahr eine bestimmte Zahl von Menschen auf":
Die lassen wir von der UN auswählen. Dann kommen vielleicht nicht diejenigen, die am stärksten sind, sondern die, die es am dringendsten brauchen: Frauen, Kinder, auch andere.
Jens Spahn

Knaus: Rückführungen 2009 und 2010 haben Zahlen reduziert

Migrationsforscher Gerald Knaus sagte, dass die italienische Regierung 2009 und 2010 Rückführungen über das Mittelmeer praktiziert habe.
Dadurch hätten sich die Migrationszahlen "drastisch reduziert", doch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof habe einen "Widerspruch zur Menschenrechtskonvention, zur Flüchtlingskonvention, zu gültigem Recht" festgestellt, so Knaus. Daraufhin habe Italien die Rückführungen gestoppt.

Spahn kritisiert EU-Außengrenzschutz

Spahn hingegen beklagte die aktuelle Vorgehensweise: "Dieser EU-Außengrenzenschutz und das Entscheiden an der EU-Außengrenze, das propagieren wir, das besprechen wir in der EU seit Jahren und es funktioniert seit Jahren nicht."
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion stellte klar, dass nach EU-Recht "in dem Land, wo man zuerst ist", der Asylantrag zu stellen und das Verfahren durchzuführen sei:
Offenkundig findet das aber nicht statt, sondern es gibt geradezu einen Sog hinein nach Deutschland.
Jens Spahn, CDU-Politiker

Spahn: Deutschland nahm meiste Flüchtlinge auf

Die Bundesrepublik habe in den letzten Jahren "mit Abstand die meisten Flüchtlinge und Menschen, die Asylanträge stellen", aufgenommen. Grund für die Attraktivität als Zielland sei die "Rechtsstaatlichkeit hier", die "sozialen Leistungen, die es gibt", so Spahn.
Solange es europäisch "kein gemeinsames Level, kein gemeinsames Niveau an sozialer Unterstützung, an Rechtsstaatlichkeit" gebe, werde es "immer diese unfaire Verteilung" geben.

Wie bewerten die Kommunen die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern? Welche Bedenken haben sie? Wie viel kommt von der eine Milliarde Euro letztendlich bei den Gemeinden an?

11.05.2023 | 01:35 min

Spahn: Haben Recht darauf wer EU und warum betritt

Die Journalistin Kristin Helberg kritisierte, dass "wir Migration als etwas Gefährliches betrachten, etwas, was uns bedroht, etwas, was wir abwehren wollen". Sie appellierte: "Wir müssen sie gestalten, um sie in unserem Interesse auch in diesem Land praktikabel zu machen."
Spahn widersprach: "Die Bürgerinnen und Bürger, die große Mehrheit jedenfalls, hat zu Recht die Erwartung an den Staat oder an die Europäische Union als Staatenverbund, Kontrolle über Migration zu haben, zu wissen, wer warum unser Land, unsere Europäische Union betritt."

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