: "Ökonomie darf nicht die Medizin dominieren"

16.05.2023 | 15:10 Uhr
Gesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt auf dem Ärztetag in Essen an, der Profitorientierung in der Medizin entgegenzusteuern. Die Ärztekammer fordert eine Stärkung der Praxen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht bei der Eröffnung des 127. Deutschen Ärztetages in Essen.Quelle: dpa
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Abkehr von zu viel finanziellem Druck in der Patientenversorgung bekräftigt. Bei der Eröffnung des Deutschen Ärztetags in Essen sprach der SPD-Politiker verschiedene Missstände im deutschen Gesundheitswesen an.
Die Ökonomie darf nicht die Medizin dominieren.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister
In einigen Bereichen sei der Bogen überspannt worden, erläuterte er etwa mit Blick auf die Vergütung der Kliniken, die Bedingungen für Arzneimittellieferungen oder Beteiligungen von Finanzinvestoren an Medizinischen Versorgungszentren. Daher solle gesetzlich gegengesteuert werden.

Lauterbach gegen Gebühr für Notaufnahme

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, forderte Verbesserungen bei der Digitalisierung und für die Praxen. Lauterbach erteilte Forderungen nach einer Gebühr für Besuche in Notaufnahmen der Kliniken erneut eine klare Absage.
Es werde nicht Teil einer geplanten Reform sein, "Eintrittsgelder für Patienten" zu nehmen. Probleme bei der Steuerung von Patienten in die jeweils passende Einrichtung könnten nicht auf dem Rücken der Ärmsten gelöst werden.

Bei einer geplanten Krankenhausreform sollen Krankenhäuser sich stärker spezialisieren und so für mehr Behandlungsqualität zu sorgen. Damit soll außerdem der Wettbewerbsproblematik vorbeugen.

16.05.2023 | 01:59 min

Lauterbach: "Müssen Personal selbst ausbilden"

Unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte eine solche Gebühr ins Gespräch gebracht, wenn Patienten ohne vorherigen Anruf in der Leitstelle in überlastete Notaufnahmen gehen.
Der Minister warb angesichts des Fachkräftemangels dafür, die Zahl der Medizinstudienplätze um 5.000 pro Jahr zu erhöhen. Ärzte und auch Pflegekräfte aus anderen, meist ärmeren Ländern abzuwerben, sei unethisch. "Wir müssen dieses Personal selbst ausbilden", sagte er.

"Dass in vielen Klinikstandorten alle alles machen und im Wettbewerb" zueinanderstehen, könne "in einem System wie dem Krankenhauswesen nicht funktionieren", so Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.

16.05.2023 | 05:36 min

Ärztepräsident: Arztpraxen müssen gestärkt werden

Ärztepräsident Klaus Reinhardt hielt Lauterbach mangelnde Einbeziehung von Gesundheitsakteuren in politische Vorhaben und "absurde" Verfahren bei Gesetzesberatungen vor - etwa bei einen um 1:08 Uhr frühmorgens verschickten Entwurf zum Infektionsschutzgesetz mit einer Frist für Stellungnahmen bis 10 Uhr am selben Tag. Eine solche "pro forma Beteiligung" sei demokratiegefährdend.
Reinhardt kritisierte auch den Umgang mit Praxen der niedergelassenen Ärzte. Statt deren Einsatz etwa mit einem Bonus für medizinische Fachangestellte zu würdigen, werde der Rotstift angesetzt. "Stärken Sie die Praxen", appellierte der Ärztepräsident.
Während des viertägigen Treffens in Essen wählen die 250 Delegierten auch die Führung der Ärzteschaft neu. Der seit 2019 amtierende Präsident Reinhardt (62) tritt erneut an.
Gegen ihn kandidiert die Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna (57). Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Bundesärztekammer, die 550.000 Ärzte und Ärztinnen vertritt. Die Wahlen sind an diesem Donnerstag geplant.
Quelle: dpa

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