: Wie Lützerath zum Klimasymbol wurde

von Josua Schwarz und Michaela Waldow
03.01.2023 | 17:15 Uhr
Das Schicksal Lützeraths scheint besiegelt. Mitte Januar sollen Protestierende aus Lützerath entfernt und mit dem Abriss der ehemals bewohnten Siedlung begonnen werden.
Lützerath sieht seinem Ende entgegen. Doch noch haben die Protestler die Hoffnung nicht aufgegeben.Quelle: Henning Kaiser/dpa
Das Ende naht. Mitte Januar sollen die Räumung und der Abriss von Lützerath beginnen. Seit 2005 besteht das Vorhaben. Was ist seitdem passiert und was sind die Hintergründe?

Die Ausgangssituation

Lützerath ist eine kleine Siedlung der Stadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen. Es gehört zum Kreis Heinsberg und liegt circa 20 Kilometer südlich von Mönchengladbach. Lützerath befindet sich genau am Rand des Tagebaus Garzweiler II, wo RWE Braunkohle abbaut.
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Im Braunkohlenplan der Bezirksregierung Köln wurde 2005 festgelegt, dass Garzweiler II erweitert werden soll. Dafür sollten mehrere Dörfer umgesiedelt werden - darunter auch Lützerath. Ab 2006 begannen die Umsiedlungsmaßnahmen. Einwohner*innen wurden entschädigt und zogen weg. Einige blieben aber zunächst.
Ursprünglich beheimatete Lützerath knapp über 100 Menschen. Mit dem Verkauf des Ortes an RWE-Power schrumpfte die Zahl aber stetig. Im Oktober 2022 verließ der letzte offizielle Einwohner Lützerath. Ein Großteil der ehemaligen Bewohner*innen wurde nach Neu-Immerath umgesiedelt.
Diese Abriss- und Umsiedlungsmaßnahmen für den Braunkohletagebau sind nicht neu. Bereits bei der Erweiterung von Garzweiler I zu Garzweiler II wurden zahlreiche Ort umgesiedelt.  

Die Proteste

Seit Beginn des Abrissvorhabens wehrten sich einige Einwohner*innen gegen die Pläne. Einer der prominentesten Gegner ist Eckardt Heukamp, der auf dem denkmalgeschützten Duisserner Hof lebte. Er wehrte sich lange juristisch gegen RWE - konnte aber auch nicht verhindern, dass der Energiekonzern den Duisserner Hof 2022 erwarb und das Oberverwaltungsgericht Münster die Abbaggerung von Lützerath freigab.
Auch Aktivist*innen beteiligten sich an Protesten. Im Sommer 2020 errichteten einige ein Protestcamp direkt an der Grenze des Tagebaus. Seitdem leben hier über 100 Protestierende in den verlassenen Häusern, Hallen oder in selbst gebauten Baumhäusern. Polizeieinsätze, die die Besetzer*innen vertreiben sollten, hatten keine nachhaltige Wirkung.
Für die Protestierenden ist Lützerath längst ein Symbol des Widerstands gegen eine ihrer Meinung nach klimaunfreundliche Politik. Sie haben Lützerath trotz der geplanten Räumung noch nicht aufgegeben.

Brauchen wir die Braunkohle überhaupt?

Laut geologischen Schätzungen liegen 1,3 Milliarden Tonnen Kohlereserven rund um das Gebiet Garzweiler II. Um diese Vorkommen zu erschließen, wurde 2005 der Umsiedlung von Lützerath und anderen Dörfern zugestimmt. RWE plant, jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Braunkohle zu fördern. Die Kohle soll hauptsächlich zur Stromversorgung verwendet werden und zur Versorgungssicherheit beitragen.
Karte vom Tagebau GarzweilerQuelle: Arne Müseler / www.arne-mueseler.de, CC BY-SA 3.0 DE
2022 beschloss die amtierende Ampelregierung zusammen mit der Landesregierung von NRW und RWE den Kohleausstieg 2030. Man wolle zukünftig auf erneuerbare Energien setzen. Durch diese Maßnahme konnten die Dörfer Kuckum, Keyenberg, Oberwestrich, Unterwestrich und Beverath vor dem Abriss bewahrt werden.
Lützerath und Immerath - welches schon vollständig zurückgebaut ist - sollten aber weiterhin den Baggern weichen. Wegen der Energiekrise sei der Abriss Lützeraths laut NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur alternativlos.

Die Klima-Aktivisten, die Lützerath besetzt haben, wollen nicht kampflos aufgeben.

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Dem widersprechen die Wissenschaftler*innen der "CoalExit Reasearch Group". Sie kamen zu dem Schluss, dass die Kohle unter Lützerath nicht zur Versorgungssicherheit benötigt werde. Bestehende Tagebaue RWEs in Hambach und Garzweiler II verfügten demnach über genug Kohle bis zum Ausstieg im Jahr 2030.

RWE braucht Erdmaterial

Die Kohle ist aber nur einer der Gründe für den geplanten Abriss. RWE benötigt vor allem auch Erd- und Gesteinsmaterial, um die Böschungen der Tagebaue zu stabilisieren. Die Abbruchkanten sind sehr steil und würden wahrscheinlich in sich zusammenfallen. Durch das abgebaute Gestein sollen Böschungen abgeflacht werden.

Was jetzt passiert

Der Abriss von Lützerath und der Start der Erweiterung von Garzweiler II soll zeitgleich Mitte Januar beginnen. Dabei sollen auch die Aktivist*innen aus Lützerath entfernt werden. Dafür hat der Kreis Heinsberg bei der Polizei Aachen um die nötige Vollzugshilfe gebeten.
Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft forderte die Klimaaktivist*innen im Deutschlandfunk dazu auf, dass die Proteste nicht überreizt werden sollen. Die Aktivist*innen haben für den 14. Januar bereits eine große Demonstration angekündigt.

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