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: Von Ost nach West - und wieder zurück
von Charlotte Bauer und Svetlana Leitz
09.11.2022 | 08:00 UhrSven Häfner erinnert sich ganz genau an seinen Umzug aus Weida, einer Kleinstadt in Thüringen, nach Allendorf in Hessen. Am 1. April 1998 verließ er seine Heimat.
Schon als Schüler hatte ich den Wunsch, ein eigenes kleines Handwerksgeschäft zu haben, aber das war zu DDR-Zeiten nahezu unmöglich.
Aus diesem Grund sei der Mauerfall für ihn gerade zur richtigen Zeit gekommen, sagt er. Nachdem er seinen Meister absolviert hatte, entschied er sich, mit seiner Familie nach Hessen zu gehen und dort ein Bauunternehmen zu übernehmen.
Millionen Ostdeutsche zogen nach dem Mauerfall in den Westen
Der Trend zur Abwanderung hat sich noch lange nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 gehalten. Millionen Ostdeutsche zog es nach der Wiedervereinigung in den Westen - in der Hoffnung auf Arbeit, eine bessere Zukunft. Allein 1991 gingen laut Statistischem Bundesamt rund 230.000 Ostdeutsche in den Westen, in umgekehrte Richtung nur knapp 64.000 (alle Zahlen ohne Berlin).
Bis 2020 sind fast vier Millionen Menschen von Ost nach West umgezogen, 2,7 Millionen in die andere Richtung. Der Osten hat infolgedessen mehr als 1,2 Millionen Einwohner*innen verloren.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Laut dem Soziologen Nico Stawarz vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung lag das vor allem an dem Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft, der hohen Arbeitslosigkeit und den niedrigen Löhnen.
Sicherlich gab es aber auch viele Menschen, die einfach nicht mehr in der DDR leben wollten.
Um die Jahrtausendwende hat sich die Abwanderungswelle nochmal deutlich verstärkt. Laut Stawarz zog es damals vor allem junge, gebildete Frauen in den Westen. Dies war ebenfalls ökonomisch bedingt. Es habe Wirtschaftskrisen gegeben und die Arbeitslosenzahlen seien gestiegen, so Stawarz.
Abwanderungstrend gestoppt
2017 drehte sich die Entwicklung dann erstmals um. Während 89.418 Ostdeutsche in den Westen zogen, waren es umgekehrt 93.415 - eine Differenz von 3.997. Laut Stawarz war der Grund dafür die positive Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft.
Eine wesentliche Rolle dabei spielen laut dem Soziologen die relative Angleichung der Löhne und der Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Aber auch die Lebensqualität sei in Städten wie Leipzig oder Dresden deutlich gestiegen, sagt er.
Zudem gebe es Hinweise, dass vermehrt Personen in der Gruppe der 30-Jährigen aus familiären Gründen wieder in den Osten zurückgezogen seien, so Stawarz.
Franziska Deinzer ist nach ihrem Abitur vom Westen in den Osten gezogen. Die Studentin ging 2019 von Mainz nach Jena. Kurze Zeit später zog sie erneut um, diesmal nach Dresden. In erster Linie wegen ihres Medizinstudiums.
Anscheinend ist es hier einfacher, einen Studienplatz zu bekommen - und auch verhältnismäßig günstiger zu leben.
Als Westdeutsche habe sie sich nie identifiziert, sagt sie. "Generell bin ich auch nicht wirklich heimatverbunden." Am meisten am Osten mag sie, dass es dort grüner sei als im Westen. Allein aus diesem Grund könne sie sich gut vorstellen, dort zu bleiben.
Sven Häfner, der Bauunternehmer, ist nicht im Westen geblieben. Nach mehr als 23 Jahren in Hessen ist er vor einem Jahr wieder in den Osten, nach Sachsen, gezogen - mitsamt seinem Betrieb. Möglich machte das die gute wirtschaftliche Entwicklung. Häfners Hauptgrund war aber: Er wollte zurück in seine Heimat.