: Menschenrechte: Wo Deutschland ran muss

07.12.2022 | 11:24 Uhr
Sechs Themen, fast 50 Empfehlungen: Das Institut für Menschenrechte sieht für Bund, Länder und Kommunen einigen Handlungsbedarf. Das geht aus dem Menschenrechtsbericht hervor.
Bei der Inklusion gibt es noch einiges zu tun. Allerdings ist die Situation in den Bundesländern unterschiedlich.Quelle: dpa
Ein besonderes Augenmerk richtet der diesjährige Bericht vom Deutschen Institut für Menschenrechte auf das Recht auf inklusive Bildung. Darüber hinaus bewertet das Institut Klimaschutzpolitik, die Situation an den EU-Außengrenzen zu Belarus, die Förderung einer kindgerechten Justiz, die Rechte älterer Menschen und die Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen. Bei diesen Themen sieht das Institut Handlungsbedarf.

Inklusive Bildung: Rückschritte in einigen Ländern

Bei inklusiver Bildung kommt das Institut zu dem Schluss: Vielen Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen wird der diskriminierungsfreie Zugang zu einem inklusiven Schulsystem in Deutschland "de facto" verwehrt.
Das Institut verlangt, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen an allgemeinbildenden Schulen inklusiv beschult und Förderschulen schrittweise abgebaut werden. Denn Förderschulen würden meist ohne Schulabschluss verlassen. Dies sei der "Beginn einer lebenslangen Exklusionskette" mit wenig Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Für Eltern sei es jedoch weiterhin mangels Informationen extrem aufwändig, einen inklusiven Schulplatz zu organisieren. Immer wieder werde ihnen nahegelegt, eine Förderschule zu wählen. Die Förderschulen müssten aber "schrittweise abgebaut werden", forderte Institutsdirektorin Beate Rudolf, das sei "gut für alle Kinder, mit und ohne Behinderungen".

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Die Exklusionsquote sei bundesweit seit Jahren nahezu gleichbleibend. "Die UN-Behindertenrechtskonvention ist seit 14 Jahren in Deutschland in Kraft, eine Gesamtstrategie für inklusive Bildung fehlt immer noch", so Rudolf. Um inklusive Bildung zu gewährleisten, empfiehlt das Institut Grundgesetzänderungen sowie einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern.

Klimaschutz: Mehr Anstrengung gefordert

Die versäumte Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre gefährdet in Deutschland einige Regionen und bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark, so der Bericht. "Es ist gut, dass sich die Bundesregierung klar zum Klimaschutz bekennt und bereits Maßnahmen in die Wege geleitet hat. Doch es braucht mehr und vor allem menschenrechtlich angemessene Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen sowie ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz", sagt Institutsdirektorin Rudolf.

Flucht: Rechte Schutzsuchender werden verletzt

Beim Thema Flucht konzentriert sich der Bericht auf den Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen - konkret an der polnisch-belarussischen Grenze. Schutzsuchende erlebten dort massive Menschenrechtsverletzungen, weil sich die EU-Staaten nicht unter Druck setzen lassen wollen.
"Belarus lockt Schutzbedürftige an und schickt sie dann in Richtung EU-Außengrenze", sagte Rudolf. Es sei dennoch nicht mit den Menschenrechten vereinbar, diese Menschen einfach wieder zurückzuschicken. Sie hätten einen Anspruch auf Prüfung ihres Asylanspruchs, "unabhängig davon, dass ein anderer Staat die Not der Menschen ausnutzt, um die EU unter Druck zu setzen".

Schutz älterer Menschen: Es gibt Lücken

Auch bei weiteren Themen stellt der Menschenrechtsbericht 2022 politische Handlungsdefizite fest: Fehlende Regelungen zum Schutz Älterer hätten sich vor allem bei der Frage der Triage in der Corona-Pandemie und im Zusammenhang mit der zunehmenden Altersarmut sowie alltäglicher Diskriminierung gezeigt. Um die Schutzlücken zu schließen, empfiehlt das Institut der Bundesregierung, sich mit Nachdruck für eine UN- Konvention für die Rechte Älterer einzusetzen.

Kinder: UN-Konvention besser umsetzen

Auf dem Weg zu einer kind- und jugendgerechten Justiz müsse der UN-Kinderrechtskonvention noch mehr Rechnung getragen werden, so der Menschenrechtsbericht. Gerichte, Staatsanwältinnen und -anwälte sowie Verfahrensbeistände müssten den Anspruch des Kindes auf Gehör stärker in die Verfahren integrieren und besser im Umgang mit Kindern geschult werden.

Gesundheitspolitik: Menschen mit Behinderungen mehr in Fokus rücken

In der Gesundheitspolitik und im Gesundheitswesen fordert das Institut, Menschen mit Behinderungen und ihre Bedarfe auf allen Ebenen stärker zu berücksichtigen. Deutschland müsse sicherstellen, dass sie die gleiche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite und Qualität erhalten wie Menschen ohne Beeinträchtigung.
Quelle: dpa, epd, ots

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