: Niger: Soldaten verkünden Sturz der Regierung

26.07.2023 | 23:34 Uhr
Im Niger hat ein Putsch stattgefunden. Das Militär verkündete die Machtübernahme im Fernsehen. Internationale Staatenlenker bekunden indes Solidarität mit Präsident Mohamed Bazoum.

Im westafrikanischen Niger haben Angehörige des Militärs Präsident Bazoum festgesetzt und erklärt, die Regierung sei gestürzt.

27.07.2023 | 00:44 min
Das Militär im Niger hat erklärt, die Forderung der Putschisten nach einem Ende der Amtszeit von Präsident Mohamed Bazoum zu unterstützen. Dies teilten die Streitkräfte des westafrikanischen Landes am Donnerstag auf Facebook und Twitter mit.
Der Schritt solle die "körperliche Unversehrtheit des Präsidenten und seiner Familie" gewährleisten sowie eine "tödliche Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Sicherheitskräften" vermeiden.
Das Militär warnte in der Erklärung vor jeglicher militärischer Intervention aus dem Ausland. Diese könnte verheerende Folgen für das Land haben. Unbestätigten Berichten zufolge könnte nun der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, die Führung eines Militärrats übernehmen.
Nach einer stundenlangen Festsetzung von Nigers Präsident Mohamed Bazoum hatten Militärs in dem westafrikanischen Land die Machtübernahme erklärt. Das neue Komitee habe eine Ausgangssperre von 22 Uhr - 05 Uhr verhängt, sowie Flughäfen und Grenzen geschlossen, sagt ZDF-Korrespondent Luc Walpot.

ZDF-Korrespondent: "Warnschüsse der Präsidialgarde"

Heute Früh sei es ruhig im Niger, schätzt ZDF-Korrespondent Luc Walpot die aktuelle Lage ein. Es habe aber Warnschüsse der Präsidialgarde in Richtung der Demonstranten gegeben. Die Einheit hat den Palast abgeriegelt.
"Es hat wohl nach Bekanntgabe dieses Putsches Versuche gegeben von Menschen, von Bürgern, von Anhängern der Demokratie dort, zum Präsidentenpalast aufzubrechen", sagt Walpot. "Die wurden dann mit Warnschüssen zurückgetrieben." Dem Präsidenten Mohamed Bazoum solle es gut gehen. "Er hat offenbar sowohl mit EU-Vertretern als auch mit dem UN-Generalsekretär telefoniert."
Bazoum und seine Familie werden im Präsidentenpalast festgehalten, und initiiert wurde das ganze offenbar von einer Elite-Einheit, nämlich der Präsidialgarde.
Luc Walpot, ZDF-Korrespondent

"Es gab Warnschüsse der Präsidentengarde, die den Palast abgeriegelt hat" gegen pro-demokratische Demonstranten, so ZDF-Korrespondent Luc Walpot nach dem Militärputsch in Niger.

27.07.2023 | 03:46 min

Was bedeutet der Putsch für die Sicherheit in der Region?

"Es gibt einige Bundeswehr-Soldaten in der Hauptstadt Niamey, die sollen aber nach Auskunft eines Sprechers des Verteidigungsministeriums in Sicherheit sein", sagt ZDF-Korrespondent Walpot.
"Niger ist eine äußerst instabile Region", sagt ZDF-Korrespondent Luc Walpot. Man dürfe sich Niger nicht als Anker der Stabilität vorstellen. Es habe in der Vergangenheit schon mehrfach Militärputschs gegeben.
Aber es war in der Krisenregion immer noch der stabilste Partner, nachdem in den westlichen Nachbarländern von Niger, nämlich in Burkina Faso und auch in Mali Militärputsche stattgefunden haben und die europäischen und internationalen Militäroperationen dort abgebrochen wurden.
Luc Walpot, ZDF-Korrespondent
Dort seien nun Wagner-Söldner unterwegs.

Nach 10 Jahren zieht die Bundeswehr aus Mali ab. Die dortige UN-Mission gilt als gescheitert. Profitieren könnte in Zukunft ausgerechnet der russische Diktator Putin und seine Wagner-Söldner.

30.06.2023 | 02:35 min

Wie geht es nach dem Putsch weiter?

"Wir wissen aber nicht, was die Präsidialgarde und das Militär vorhaben", sagt Walpot. "Also muss man erst einmal abwarten, wie sich die neuen Machthaber das vorstellen, ob die EU-Mission weitergehen kann oder ob das ganze in Frage steht."
Fakt ist, dass die Region weiter instabil bleibt und jetzt eben droht noch instabiler zu werden, denn vom Norden drängen islamistische Kräfte und die Grenze zu Burkina Faso und Mali ist brüchig.
Luc Walpot, ZDF-Korrespondent

Einsatz der Bundeswehr im Niger

Nach Militärputschen in Burkina Faso und Mali war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde.
Erst Ende 2022 hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Die Bundeswehr stellt für diese EU-Mission bisher nur einige wenige Soldaten, die in Niamey sind.

Bundeswehr: Seit zehn Jahren im Niger präsent

Zunächst waren die Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten dort ihm Rahmen einer UN-Mission eingesetzt, die zur Stabilität im benachbarten Mali beitragen sollte. In der nigrischen Hauptstadt Niamey unterhält die Bundeswehr einen wichtigen Lufttransportstützpunkt, der bei dem Bundeswehr-Abzug aus Mali eine entscheidende Rolle spielen soll. Dort können Flugzeuge be- und entladen werden. Zudem gibt es eine medizinische Zwischenstation und ein speziell ausgerüstetes Flugzeug, um verwundetes Personal zu transportieren.

Bundeswehr trainierte nigrische Streitkräfte

Zwischen 2018 und 2022 war die Bundeswehr an der Ausbildungsmission "Gazelle" beteiligt. Zunächst hatten Kampfschwimmer der Marine nigrische Soldaten trainiert und es wurde in Tillia im Westen des Landes eine Schule für Streitkräfte aufgebaut. Dieses Engagement soll nach bisherigen Plänen im Rahmen einer neuen, noch im Aufbau befindlichen EU-Mission weitergeführt werden. Ziele sind Beratung der Streitkräfte und Ausbildung eines nigrischen Führungsbataillons.

Auswirkungen des Putschversuchs auf Bundeswehr nicht absehbar

Nach ersten Angaben des Bundesverteidigungsministeriums waren alle deutschen Soldaten in Sicherheit. Derzeit sind demnach etwa ein Dutzend Soldaten an der Mission EUMPM Niger beteiligt. Auf dem Luftstützpunkt in Niamey seien zudem um die hundert deutsche Soldaten. Niger war seit der Verschlechterung der Beziehungen zur Militärjunta in Mali zuletzt der wichtigste Partner Deutschlands in der Sahel-Region - weswegen in den vergangenen Monaten unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dorthin gereist waren.

Quelle: Ulrike Koltermann, AFP

Verhandlungen mit den Putschisten

International riefen die Vorgänge noch vor der Verkündung im Fernsehen scharfe Verurteilungen hervor. Unter anderem die Vereinten Nationen, die EU, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas forderten eine Freilassung Bazoums und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.
Den Informationen der EU zufolge liefen noch am Abend Verhandlungen mit den Putschisten. US-Außenminister Antony Blinken sagte:
Wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen.
Antony Blinken, US-Außenminister
Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Nigers sowie mit ihren Partnern. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen. Erst bei einem Telefonat mit Bazoum am Morgen habe er klargemacht, dass die USA diesen als den demokratisch gewählten Präsidenten des Nigers unterstützten.

Niger

Quelle: ZDF
Niger liegt im Herzen der Sahelzone in Westafrika und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die zur Flucht von Hunderttausenden führte. Der Niger ist einer der letzten Verbündeten des Westens in der Sahelregion. Die Nachbarn Mali und Burkina Faso haben sich anderen Partnern zugewandt, darunter Russland.

Der westafrikanische Binnenstaat Niger hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich. Bazoum war vor zwei Jahren beim ersten friedlichen Machtwechsel des Landes seit der Unabhängigkeit ins Amt gewählt worden.

Quelle: AFP

EU-Diplomaten im Gespräch mit Bazoum

Nach Angaben von Diplomaten der Europäische Union sprachen auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum, der demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz war.
Auch António Guterres sprach mit dem Präsidenten, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte. Der UN-Generalsekretär sei "zutiefst verstört" über den Arrest von Präsident Bazoum, erklärte Sprecher Stephane Dujarric. Guterres verurteile den "unkonstitionellen Regierungswechsel" scharf.
Quelle: dpa

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