: Warum Österreichs Rechte dazugewinnt

von Britta Hilpert
23.04.2023 | 21:17 Uhr
Fast 26 Prozent für die FPÖ in Salzburg: Es ist die vierte Landtagswahl in Folge, bei der Österreichs Rechtspopulisten dazugewinnen - trotz des Ibiza-Skandals vor wenigen Jahren.

Die rechtspopulistische FPÖ erreicht bei der Landtagswahl in Salzburg ihr bestes Ergebnis im Bundesland.

24.04.2023 | 02:02 min
Mozartkugeln, Festspiele und "Sound of Music" - dafür kennt man Salzburg. An diesem Sonntag aber mutiert die Touristenhochburg zum politischen Orakel: Rechter und linker Rand gewinnen stark bei den Landtagswahlen. Erstmals seit Jahrzehnten ziehen die Kommunisten in den Landtag ein.
Und die rechtspopulistische FPÖ erreichte fast 26 Prozent, das ist Platz zwei - ein historischer Höchststand in Salzburg und die vierte Landtagswahl innerhalb eines Jahres mit zum Teil kräftigen Zugewinnen.

FPÖ trotz Ibiza-Skandal im Aufwind

Wie kann das sein? Gerade mal vier Jahre ist der Ibiza-Skandal doch erst her? In einem verdeckt aufgenommenen Video zeigte sich der damalige FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache offen für Korruption. Es sprengte die Koalition von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz mit der FPÖ. Strache musste gehen und landesweit stürzte die FPÖ in ein Umfragetief.
Nun liegt sie bei der letzten Umfrage von "profil" wieder bei 28 Prozent auf Bundesebene. Damit ist sie führend vor der ÖVP mit 25 Prozent und SPÖ mit 23 Prozent.
Der Erfolg einer Partei fußt immer auch auf der Schwäche der anderen Parteien.
Politologin Kathrin Steiner-Hämmerle

SPÖ und ÖVP kriseln vor sich hin

"Die SPÖ ist seit Monaten, wenn nicht Jahren, nachhaltig geschwächt durch die internen Diskussionen um die Parteispitze. Und die konservative ÖVP ist auch noch damit beschäftigt, sich zu rechtfertigen, was da in dem einen der anderen Chat auftaucht, auch wenn Sebastian Kurz nicht mehr federführend, oder gar nicht mehr in der Politik aktiv ist."
Das Ibiza-Video hatte Ermittlungen ausgelöst, zuerst gegen die FPÖ, dann aber auch gegen die ÖVP. In der Folge musste Sebastian Kurz als Kanzler zurücktreten. Gegen ihn und acht weitere Personen wird ermittelt wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.

Unterschiedlicher Umgang mit der Vergangenheit

FPÖ und ÖVP gehen unterschiedlich mit der Vergangenheit um: Während Strache die FPÖ verließ, kaum noch Anhänger hat und auch der neue FPÖ-Chef Herbert Kickl mit ihm nicht mehr spricht, haben Sebastian Kurz' Nachfolger Nehammer und die ÖVP nie richtig mit Kurz abgeschlossen. Karl Nehammer versucht sich lieber als blasse, aber zu bemühte Kopie seines Vorgängers. Das zieht nicht.
Davon kann die Oppositionspartei SPÖ aber nicht profitieren. Die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner muss sich nach jahrelangen innerparteilichen Querelen einem Mitgliederentscheid zur Parteiführung stellen. Das soll Klarheit schaffen, rechtzeitig vor den nächsten Österreich-Wahlen 2024. Doch kaum einer glaubt, dass der Mitgliederentscheid ein Schlusspunkt in der selbstzerstörerischen Debatte ist.

FPÖ-Mann Kickl nutzt die Gelegenheiten

Und so profitiert die FPÖ, sie profitiert sogar doppelt. Denn die verschiedenen Krisen der letzten Jahre spielen der FPÖ in die Hände: Inflation und Teuerung jetzt und auch Corona spielt noch eine Rolle: gegen Maske, gegen Impfung, erst recht gegen die Impfpflicht zeigt sich vor allem Parteichef Herbert Kickl. Erst kürzlich sagt er wieder - in gewohnt zugespitzter Art:
Was hier stattgefunden hat, das war der größte Anschlag auf die Grund- und Freiheitsrechte der Zweiten Republik und nebenher ein medizinischer Totalschaden.
Herbert Kickl, FPÖ-Chef
Herbert Kickl kreiert seit Jahren Parolen der FPÖ, wie "Daham statt Islam". In der ersten Regierung von Sebastian Kurz war er FPÖ-Innenminister und sorgte sogleich für Schlagzeilen: Er wolle Flüchtlinge in Lagern "konzentrieren", er führte eine teure Polizei-Reiterstaffel ein und sorgte für eine rechtswidrige Durchsuchung des Verfassungsschutzes, der auch seine Partei beobachtete - ein politisches Desaster.

FPÖ bereit für "freiheitlichen Volkskanzler"

Nun könnte die FPÖ unter Kickls Führung bei der Österreich-weiten Wahl im nächsten Jahr stärkste Kraft werden. "Wir sind auf jeden Fall bereit für die Nationalratswahlen, egal wann sie kommen", sagte Kickl kürzlich im Salzburger Wahlkampf. "Und wir sind bereit dafür, einen freiheitlichen Volkskanzler in Wien zu ermöglichen."
"Es gibt einen wichtigen Veto-Player: Bundespräsident van der Bellen", so die Politologin Steiner-Hämmerle. Er habe klar gesagt, er werde Herbert Kickl nicht als Bundeskanzler vereidigen.
Auf der anderen Seite sagt die FPÖ: Kickl ist ihr Spitzenkandidat und sie wird ihn auch zum Bundeskanzler machen wollen. Es droht also eine Verfassungskrise, wenn die anderen Parteien keine Mehrheit finden für ein Alternativ-Szenario. Für Alternativ-Szenarien braucht es aber in sich stabile Parteien und politisches Vertrauen der Wähler. In Österreich ist das zur Zeit eher Mangelware.
Britta Hilpert leitet das ZDF-Studio in Wien.

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