: Tod und Vertreibung - der lange Arm Teherans

von Golineh Atai
23.01.2023 | 12:18 Uhr
Die Opfer von Irans Politik im Irak, Syrien und dem Libanon verfolgen die Vorgänge in Iran genau. Und sie erwarten von der EU konkretere Schritte in Richtung Teheran.
Seine Bilder stehen immer noch überall in ihrem Wohnzimmer. Die Mutter von Ihab Al-Wazni hat immer noch Tränen in den Augen, wenn sie die Fotos ihres getöteten Sohnes anschaut.
Al-Wazni war eine der Ikonen der irakischen Tischrin-Bewegung, die 2019 gegen Korruption, gegen Arbeitslosigkeit und gegen den Ausverkauf irakischer Interessen an den Iran auf die Straßen ging.
Die riesigen Demonstrationen hallen immer noch nach - die Missstände, die sie ansprachen, sind immer noch nicht behoben. Sicherheitskräfte und pro-iranische paramilitärische Gruppen töteten während des Aufstands mehr als 600 Demonstranten - und gehen weiter gegen Aktivisten vor.

Irans Einfluss im Nachbarland Irak wächst

Irans wirtschaftlicher, politischer und militärischer Einfluss im Irak habe sich seitdem vergrößert, sind Beobachter überzeugt.
"Ihabs Traum war, alle Iraker glücklich zu sehen. Ein Land, in dem es Arbeit für alle gibt, Freiheit, Frieden, Wohlstand. Er wollte die Iraner aus dem Land werfen, den Gouverneur und den Polizeichef ersetzen mit Irakern, die wirklich Patrioten sind," sagt der hochgewachsene Bruder des Ermordeten, Ali Jawad Al-Wazni.
Hinter dem Anschlag auf ihn stehen die pro-iranischen schiitischen Parteien des Irak. Der Mord wurde von Iran geplant.
Ali Jawad Al-Wazni, Bruder von Ihab
Davon ist Ali Jawad Al-Wazni überzeugt.
Ali Jawad Al-Wazni, Bruder des ermordeten Ihab Al-Wazni.Quelle: ZDF
Die Familie lebt im irakischen Kerbela, dem wichtigsten Wallfahrtsort der Schiiten, wo Irans Revolutionswächter den Imam-Hussein-Schrein kontinuierlich ausbauen, mit Stahl und Zement aus dem Iran.

Al-Wazni: "Bete zu Gott, dass die Iraner ihr Recht bekommen"

2020 sanktionierten die USA die Bauherren der iranischen Kowsar-Stiftung: Sie sei an Geldwäsche und Geheimdienstaktivitäten im Irak beteiligt und statte Milizen im Irak und in Syrien mit Waffen aus.

Die Frage ist, "ob man riskieren will, dass das Atom-Abkommen komplett scheitert", sagt ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers zur Diskussion um neue EU-Sanktionen gegen den Iran.

23.01.2023 | 02:34 min
Ihab Al-Waznis Bruder sieht in Iran und im Irak die gleichen repressiven Kräfte am Wirken. "Ich verfolge die Demonstrationen in unserem Nachbarland Iran genau und ich bete zu Gott, dass die Iraner ihr Recht bekommen und die kriminellen Terroristen in Teheran stürzen können."
Wenn Irans Regime fällt, fallen alle Parteien, die behaupten, islamisch zu sein, aber im Grunde nur das Geld der Menschen stehlen und unsere Kinder töten.
Ali Jawad Al-Wazni, Bruder von Ihab

UN-Sonderbeauftragte schlägt Gespräche mit Iran vor

Der mutmaßliche Mörder seines Bruders, ein schiitischer Warlord, wurde unter iranischem Druck schnell wieder freigelassen. Teheran kontrolliert die irakische Justiz.
Die westliche Welt verstehe nicht, wer Irans Revolutionswächter in Wahrheit seien, klagt Al-Wazni:
Wir haben der UN-Sonderbeauftragten für den Irak erklärt, wie kriminell die Machthaber im Iran sind. Dass sie hier Geld stehlen und in den Iran schicken, um dort Paläste zu bauen. Dass sie im Irak ihr Geld waschen.
Ali Jawad Al-Wazni, Bruder von Ihab
"Sie sagte, man könne ja mit ihnen reden", berichtet Al-Wazni weiter. "Ich fragte sie, ob sie mit dem IS oder mit Al-Kaida auch sitze und rede. Sie meinte, das sei etwas anderes. Ich sagte ihr, dass es wirklich keinen Unterschied gibt."

Der Iran droht der EU mit Konsequenzen, sollte sie die iranische Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen. Das könnte die Blockade von Öltransporten bedeuten.

23.01.2023 | 01:57 min

Vorwurf: Pro-iranische Milizen töten gezielt Demonstranten im Irak

Auch er ist ein Gesicht Kerbelas: der 24 Jahre alte Taha Hussein, der 2019 friedlich demonstrierte und bedroht wurde. Im Februar 2020 durchsiebte eine Kugel seinen Nacken. Seine Arme und Beine sind seitdem gelähmt.
Sein Vater kümmert sich um ihn. "Ich kenne die Person und die Miliz, die diesen Anschlag verübte", sagt Hussein Abbas Najem. "Ich behalte diese Information in meinem Herzen, bis der Tag kommt, an dem wir ihn bestrafen können."
Taha Hussein und sein Vater Hussein Abbas Najem.
Der Irak kann sich nicht entwickeln, weil diese Leute die Wahlurnen beherrschen und die Entscheidungen in der Justiz und Politik fällen.
Hussein Abbas Najem, Vater von Taha
Sein Sohn spricht klar und deutlich aus, was er denkt: "Wir Iraker freuen uns für die Iraner, dass sie demonstrieren und von dieser Diktatur befreit werden wollen. Dieses Regime in Teheran hat die Iraner im Namen der Religion getötet - genauso wie seine Milizen Demonstranten im Irak töteten."

Opfer iranischer Milizen fordern UN zu "echten Schritten" auf

Der Iraker Hussein Deli arbeitet für das Afad Observatory Network und dokumentiert die Verbrechen der Milizen. Kaum jemand wisse, erzählt er, dass im Zuge des Kampfes gegen den IS Tausende sunnitische Iraker von den Milizen entführt wurden.

Das iranische Regime greift hart gegen die Protestierenden auch im Ausland durch - mit Repressalien gegen deren Familien im Iran.

19.01.2023 | 06:00 min
Mittlerweile gibt der irakische Parlamentssprecher zu, dass diese Entführten wohl größtenteils getötet wurden - aber er verschweigt, wer dahinter steckt und was mit den Opfern passiert ist. Dass die EU nun überlegt, die Revolutionsgarde in die Terrorliste mit aufzunehmen, findet Deli zu wenig:
Jeder weiß, dass das iranische Regime am Irak hängt, wenn es darum geht, Haushaltslöcher zu stopfen und den westlichen Sanktionen auszuweichen. Wir brauchen einen echten Schritt gegen Irans Regime im UN-Sicherheitsrat.
Hussein Deli, Afad Observatory Network

Unterstützung für Syriens Machthaber Assad durch pro-iranische Milizen

2014 trat der Iran in den Syrien-Krieg ein, um Baschar al-Assad zu stützen, und die Landbrücke zur pro-iranischen Hisbollah im Libanon zu sichern.
Der damalige syrische Revolutionär Basel Abu Hamza hat erlebt, wie Irans Revolutionsgarden und ihre Milizen während der Belagerung Aleppos Wohngebiete seiner Heimatstadt zerstörten und auf Zivilisten schossen, die fliehen wollten.
Der Syrer Basel Abu Hamza floh aus Aleppo in die Türkei.Quelle: ZDF
Ich habe Zeugen-Aussagen, die belegen, wie iranische Milizen bewusst jene folterten und töteten, die gegen Assads Herrschaft waren.
Basel Abu Hamza, ehemaliger syrischer Revolutionär
Heute lebt der 33-Jährige aus Aleppo in der Türkei - und beobachtet als Journalist den wachsenden Einfluss Irans in Syrien. Etwa durch die schiitischen Gemeindezentren, die Iran aufbaut, um Syrer zur Konversion zu bewegen, oder um sie dazu zu motivieren, den Milizen beizutreten. Oder durch die Beschlagnahmung von Agrarland und Eigentum im Süden von Damaskus, um dort - in ehemals sunnitischen Gebieten - Schiiten aus dem Irak, Pakistan oder dem Libanon anzusiedeln.
Iran weitet seine Softpower im Land aus, indem seine Revolutionsgarde Schulen, Krankenhäuser oder Parks wiederaufbaut. An einer Rückkehr syrischer Flüchtlinge hat Iran daher nicht das geringste Interesse.
Ob Syrer oder Iraner - das Regime ist das gleiche, die Unterdrückung, der Schmerz und das Leid der beiden Völker ein- und dasselbe.
Basel Abu Hamza, ehemaliger syrischer Revolutionär
Als Syrer hat Abu Hamza Mühe, an die Wirksamkeit internationaler Erklärungen zu glauben. Falls die EU wirklich Irans Revolutionsgarde auf die Terrorliste setze, erwarte er mehr als ein Statement auf dem Papier. Es müssten endlich praktische Schritte folgen, um den iranischen Terror im Mittleren Osten zu beenden.
Golineh Atai ist Leiterin des ZDF-Studio Kairo.

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