: Bundesregierung stellt Queer-Strategie vor

von D. Rzepka, J. Wengert
18.11.2022 | 14:30 Uhr
Schwule sollen Blut spenden dürfen, Gewalt gegen trans Menschen soll bekämpft und das Grundgesetz geändert werden: Die Bundesregierung stellt erstmals eine Queer-Strategie vor.
Er wollte feiern auf dem Christopher Street Day. Er ging dazwischen, als zwei lesbische Frauen bedroht wurden. Er bezahlte seine Zivilcourage mit dem Leben. Knapp drei Monate ist es her, dass der 25-jährige trans Mann Malte bei einer Attacke in Münster getötet wurde. Der Fall machte deutschlandweit Schlagzeilen - und erschütterte die queere Community.
Der Tod von Malte habe gezeigt, dass Gleichberechtigung nach wie vor nicht erreicht ist, sagt Max Appenroth. Der 36-jährige Kölner ist eine trans Person und der amtierende "Mr Gay Germany".
Wir vergessen manchmal, dass es Gewalt gegen queere Menschen auch in Deutschland gibt.
Max Appenroth, Mr Gay Germany
Auch die gewaltvollen Hasskommentare, die er in den sozialen Netzwerken bekommt, seien ein Problem. Vor allem unter den Bildern, die ihn gemeinsam mit seinem Mann oder zum Beispiel mit lackierten Fingernägeln zeigen.

Ampel will Grundgesetz ändern

Um Gewalt und Hass gegen queere Menschen zu bekämpfen, hat das Kabinett am Freitag einen Aktionsplan "Queer leben" beschlossen. Die ressortübergreifende Strategie solle die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt fördern, sagt der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann:
Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen müssen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können.
Sven Lehmann, Grüne
Die Bundesregierung werde in allen Ministerien für mehr Teilhabe und die rechtliche Anerkennung queeren Lebens arbeiten, so Lehmann. Unter anderem soll das Grundgesetz geändert werden. In Artikel 3 soll es künftig heißen, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden dürfe.
Außerdem solle das Transsexuellen-Gesetz aufgehoben werden. Queere Geflüchtete sollen vor Gewalt geschützt werden. Und Männer, die Sex mit Männern haben, sollen künftig Blut spenden dürfen - zuletzt hatte die Ampel dieses Vorhaben verschleppt.

Linke: Zu viele Details sind unklar

Kritik am Aktionsplan kommt von der Linken. Soziale Fragen würden weitgehend ausgeblendet, sagt Kathrin Vogler, queerpolitische Sprecherin der Fraktion.
Junge queere Menschen sind besonders von Wohnungsnot betroffen, lesbische Frauen von Altersarmut.
Kathrin Vogler, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion
Hier aber bliebe der Plan vage. Außerdem sei unklar, mit welchen personellen und finanziellen Ressourcen der Aktionsplan umgesetzt werden soll. "Das wird aber entscheidend dafür sein, ob der Aktionsplan tatsächlich ein wirksames Instrument wird oder ein bloßes Lippenbekenntnis bleibt", so Vogler. Einer angestrebten Änderung des Grundgesetzes Artikel 3 würde die Linke aber zustimmen.

Was gilt bei der Blutspende?

Was gilt im Moment noch?

Seit 2021 können Männer, die Sex mit Männern haben leichter Blut spenden in Deutschlannd. Sie müssen vor einer Blutspende vier Monate lang monogam gewesen sein, also Sex nur mit dem eigenen Partner gehabt haben. Für Kritiker ist das eine lebensfremde Regelung, die faktisch einem Ausschluss gleichkommt.

Wer darüber hinaus auch noch Sex mit einem weiteren Partner hatte, wird gesperrt. Auch Männer, die Sex mit wechselnden Partnern haben, sind von der Blutspende ausgenommen - auch dann, wenn der Sex geschützt war, also zum Beispiel Kondome verwendet wurden.

Wie soll das überprüft werden?

Durch Selbstauskunft. Wer Blut spenden will, muss vorher einen Fragebogen ausfüllen. Dabei ist eine Frage, ob man in den letzten vier Monaten Sex mit einem neuen Partner hatte. Frauen werden gefragt, ob sie Sex mit einem bisexuellen Mann gehabt haben.

Welche Kritik gibt es an den Regeln?

Der Lesben- und Schwulenverband kritisiert, dass gleichgeschlechtlicher Sex unter Männern per se als riskanter dargestellt werde als heterosexueller Sex. Das sei diskriminierend.

Außerdem kritisiert der Verband, dass Trans-Personen extra erwähnt werden. Sie würden bereits als heterosexuelle Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben adressiert. Sie extra zu nennen sei unnötig und damit stigmatisierend.

Werden Blutspenden auf HIV getestet?

Ja. Die Deutsche Aidshilfe teilt mit, dass Blutspenden vor der Verwendung auf HIV und andere Infektionen untersucht werden. Allerdings können dabei Infektionen übersehen werden, weil zum Beispiel Antikörper auf HIV immer erst nach einer gewissen Zeit nachweisbar sind.

Laut Aidshilfe sind Männer, die Sex mit Männern haben, nach wie vor die am stärksten von HIV betroffene Gruppe in Deutschland. Trotzdem sei das individuelle Risiko verschieden. Ein pauschaler Ausschluss aller Männer, die Sex mit Männern haben, sei diskriminierend.