: Der Terror-Fürst

von Julia Klaus und Nils Metzger
07.12.2022 | 18:57 Uhr
Im einen Leben ist Heinrich XIII. Prinz Reuß Schirmherr eines historischen Golfclubs. Im anderen Leben soll der "Reichsbürger"den Umsturz geplant haben. Wie passt das zusammen?
Zugriff im noblen Frankfurter Westend: Am frühen Mittwochmorgen dringen vermummte SEK-Beamte in die Dachgeschosswohnung von Heinrich XIII. Prinz Reuß ein. Der Reichsbürger soll Kopf einer Terror-Zelle sein, die den Sturz des politischen Systems geplant haben soll. Insgesamt 25 Personen werden festgenommen, mehr als 300 Objekte durchsucht. 
Als der Prinz abgeführt wird, trägt er Hemd und Sakko. Gepflegtes Auftreten scheint ihm offenbar wichtig. Nach dem Umsturz sollte er Kopf der neuen Regierung werden.
Um sich versammelte er eine bunte Truppe an Reichsbürger- und Querdenken-nahen (Ex-)Soldaten, Juristen, früheren AfD-Politikern und Esoterikern. Sie alle sollen - laut Generalbundesanwaltschaft - eine terroristische Vereinigung gebildet haben.

Jagdschloss: zwischen Golfclub und Terrortreff

Der Immobilienunternehmer soll auch ein Anwesen für die Umsturzpläne zur Verfügung gestellt haben. Mehrere Treffen sollen auf seinem Jagdschloss Waidmannsheil in Bad Lobenstein, Thüringen, stattgefunden haben, bestätigen ZDFheute Sicherheitskreise. 
Sonst nutzt Reuß das historische Schloss auch zum Networking mit lokalen Eliten – er ist etwa Schirmherr von Golfturnieren seines "Fürstlichen Hickory Golf Clubs Reuß", den er 2017 auf dem Jagdschloss mitgegründet hat. Für 2023 hatte der Club bereits einen weiteren Wettbewerb unter Mitwirkung Reuß' angekündigt.
Gesellschaftlich gut vernetzt in Thüringen: Heinrich XIII. Prinz Reuß inmitten seines Golfclubs auf Schloss Waidmannsheil.Quelle: Fürstlicher Hickory Golf Club Reuß
Legere Golf-Treffen und Terror-Planungen liefen auf Schloss Waidmannsheil wohl nebeneinander. Bislang gibt es keine Hinweise, dass Mitglieder des Golfclubs auch an der Terror-Zelle beteiligt sein könnten. Wie viele Personen an den Umsturz-Treffen insgesamt teilgenommen haben sollen, ist noch nicht bekannt.

Familienclan distanzierte sich vom Prinzen

Reuß und Bad Lobenstein waren erst im August in den Schlagzeilen. Der dortige Bürgermeister griff bei einem Marktfest einen Journalisten an, der kritische Fragen zu Reuß gestellt hatte – der Prinz stand direkt daneben, in der Region ist er scheinbar gut vernetzt.
Zwischenfall in Bad Lobenstein
Sein eigenes Fürstenhaus will mit ihm indes nicht mehr viel zu tun haben. Nach dem Vorfall im August nannte ein Sprecher des Adelsgeschlechts den Verwandten einen "teilweise verwirrten" alten Mann, der "verschwörungstheoretischen Irrmeinungen" aufsitze. 
Im Netz findet man weitere "Irrmeinungen" des Prinzen und klare Indizien für seine Reichsbürger-Meinungen. In Reden hatte er mehrfach behauptet, Deutschland sei nicht souverän und "jüdische Eliten" würden Kriege anheizen. 

Prinz wollte Entschädigung vom Staat

Sich selbst sah er um Eigentum betrogen. Wie auch andere Familienmitglieder setzte sich der Prinz in der Vergangenheit dafür ein, vom deutschen Staat – den er ja eigentlich nicht anerkennt - Entschädigung für enteignete Kunst- und Kulturgüter zu erhalten. 2017 bekam die Erbengemeinschaft dann etwa 3,1 Millionen Euro zugesprochen, unter anderem vom Land Thüringen. Ob davon auch etwas beim mutmaßlichen Kopf der Umsturzbewegung landete, ist noch nicht klar.
Eng eingebunden in die Umsturz-Pläne war hingegen wohl die Lebensgefährtin von Reuß. Die Russin Vatalia B. soll versucht haben, Kontakt zu russischen Behörden herzustellen. Die "Zeit" berichtet von zwei Treffen im Juni 2022 im russischen Generalkonsulat in Leipzig.

Bunte Truppe mit Verbindungen in die Staats-Elite

Wie passt das zusammen: ein Golf spielender Prinz mit Einstecktuch, der mit anderen eine Terrorgruppe gründet? Extremismus-Experte Miro Dittrich vom Analysenetzwerk Cemas erklärt ZDFheute: "Reichsbürger tauchen in allen Schichten auf." Ihre Ideologie biete diverse Handlungsoptionen – auch für Leute im Staatsdienst.
Verhaftet wurde ebenfalls die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament arbeitete sie als Richterin in Berlin. Die Reuss-Gruppe sah sie als Justizministerin vor. Dazu kommen ehemalige Polizisten und Bundeswehrangehörige. Der Sturz des Staates sollte mithilfe von gut vernetzten Menschen aus seinem Inneren gelingen.
Was zu den mutmaßlichen Mitgliedern und ihren Hintergründen bekannt ist, lesen Sie hier. 

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