: Korruption: Auswirkungen auf Kiews Politik

24.01.2023 | 18:40 Uhr
Nach den Korruptionsvorwürfen gegen mehrere ukrainische Beamte will Präsident Selenskyj hart durchgreifen - einige mussten bereits gehen. Was bedeutet das für Kiews Führung?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach den Korruptionsvorwürfen gegen mehrere ukrainische Funktionäre ein hartes Vorgehen angekündigt.Quelle: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Eine ganze Reihe Korruptionsskandale wird für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem unangenehmen Nebenkriegsschauplatz. Der Staatschef machte nun seine Drohungen wahr, gegen Fehlverhalten im Staatsapparat durchzugreifen.
Gleich mehrere ranghohe Beamte und Staatsbedienstete müssen gehen, weil sie wegen Korruption oder anderer Vergehen in der Kritik stehen. Unter ihnen sind bisher auch fünf Vizeminister und mehrere Gouverneure.

Konsequenzen in Selenskyjs Präsidentenbüro

Rausgeworfen hat Selenskyj zum Beispiel den Vizechef seines Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, weil er mit einem für humanitäre Zwecke im Kriegsgebiet gespendeten Geländewagen unterwegs war und deshalb Kritik auf sich gezogen hatte.
Die Entlassung soll wohl verhindern, dass das Präsidentenbüro und Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst mit den Ermittlungen und womöglich kommenden Skandalen in Verbindung gebracht werden können.

EU fordert stärkeres Vorgehen gegen Korruption

Der Rundumschlag gegen Korruption fast ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs kommt nicht von ungefähr. Seit langem fordert vor allem die EU, die Milliarden in das Land pumpt, Garantien, dass das Geld bei den Bedürftigen ankommt und nicht in dunklen Kanälen versickert.
Der prominente Enthüllungsjournalist Mychajlo Tkatsch schrieb etwa in einem offenen Brief an Selenskyj:
Es gibt immer noch Menschen und sogar ganze Gruppen, die glauben, dass sie stehlen können, während das Land ausblutet.
Mychajlo Tkatsch, Investigativjournalist

Ukraine wählt kommendes Jahr Präsidenten

Die auf den Kampf gegen Korruption spezialisierte Organisation Transparency International führt die Ukraine in ihrer Liste auf Platz 122 unter den 180 Staaten. Viele Ukrainer verdächtigen ihre Politiker, sich an den Hilfsgeldern der EU, der USA und aus anderen Staaten persönlich zu bereichern.
Vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr will Selenskyj sein früheres Versprechen einhalten und gegen die Bereicherung im Amt vorgehen. Nach fast vier Jahren an der Macht geschieht aus Sicht vieler Wähler immer noch zu wenig auf diesem Feld.

Kampf gegen Korruption Bedingung für EU-Beitritt der Ukraine

Vor allem aber will Selenskyj wohl der EU entgegenkommen, die den Kampf gegen Missbrauch öffentlicher Gelder zur Grundbedingung für eine spätere Mitgliedschaft des Landes gemacht hat. Die EU-Kommission forderte am Dienstag weitere Anstrengungen im Kampf gegen kriminellen Machtmissbrauch.
Die Entlassungswelle ins Rollen brachte ein Medienbericht, demzufolge das Verteidigungsministerium Ende Dezember neue Verträge für die Armeeverpflegung zu weit überhöhten Preisen abgeschloss. Der Vizeverteidigungsminister Wjatscheslaw Schapowalow trat laut ukrainischen Medien am Dienstag zurück.

Mehrere Regionalgouverneure treten zurück

Die ukrainische Regierung hat zudem dem Rücktritt mehrerer Regionalgouverneure zugestimmt - der Gebiete Dnipropetrowsk, Saporischschja, Kiew, Sumy und Cherson, teilte der Leiter des Regierungsapparats im Ministerrang, Oleh Nemtschinow, im Nachrichtendienst Telegram mit.
Auch der stellvertretende Generalstaatsanwalt Olexij Simonenk gab seinen Posten auf. Am Wochenende war auch der Vize-Minister für Infrastruktur, Wassyl Losynskyj, wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden.

Westen blickt genau auf Vorgänge in der Ukraine

Die Aktivität der Antikorruptionsbehörden dürfte besonders aufmerksam im Westen verfolgt werden. Wegen kriegsbedingter Steuerausfälle und militärischer Mehrausgaben wird inzwischen gut die Hälfte des ukrainischen Staatshaushalts mit westlichen Geldern finanziert.
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Quelle: Andreas Stein und Ulf Mauder, dpa

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