: Das Preisproblem im deutschen Wohnungsmarkt

von Florence-Anne Kälble
20.05.2023 | 06:10 Uhr
Vor allem in Ballungsgebieten ist bezahlbarer Wohnraum gerade ein kaum vorhandenes Gut. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 verschärft die Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Die Wohnungsnot in Deutschland ist groß. Es gibt verschiedene Ansichten, wie sie gelöst werden kann.Quelle: dpa
Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum gestaltet sich in deutschen Ballungsgebieten mehr als schwierig: Der Bedarf ist groß, das Angebot kaum vorhanden. Die Bundesregierung hat das Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, ausgegeben - und scheitert an der Umsetzung.
"Mit Glück landen wir 2023 zwischen 200.000 und 250.000 neuen Wohnungen", erklärt Dirk Wohltorf, Vizepräsident des Immobilienverband Deutschland (IVD). Dazu gibt es die Wohnungen im Bestand. Wegen fehlender energetischer Ertüchtigung und explodierender Energiekosten sind hier die Nebenkosten in manchen Lagen höher als die Miete.

Statt der von der Bundesregierung angekündigten 400.000 Wohnungen werden in diesem Jahr wohl gerade einmal 250.000 gebaut. Die Wohnungsnot nimmt weiter zu.

20.04.2023 | 02:48 min

Immobilienverband: Hohe CO2-Standards und niedrige Mieten unvereinbar

"Bei einer Nettokaltmiete von fünf oder sechs Euro pro Quadratmeter kommen heute oft vier bis fünf Euro pro Quadratmeter Heiz- und Nebenkostenkosten hinzu. Mit der Instandhaltungsrücklage, die der Eigentümer trägt, belaufen sich Nebenkosten manchmal auf sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter", erklärt Wohltorf.
Wie sollen Mieter oder Eigennutzer, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, das stemmen?
Dirk Wohltorf, Vizepräsident des IVD
Die aktuelle politische Diskussion und deren Dynamik gehen laut Wohltorf an der Lebensrealität der Menschen und auch der Umsetzbarkeit vorbei. Vor allem müsse man sich am wohnungspolitischen Tisch von dem Gedanken verabschieden, die höchsten CO2-Standards in Europa umsetzen zu wollen, aber gleichzeitig niedrige Mieten behalten zu können: "Das ist zwar wünschenswert, aber unrealistisch."

Vonovia: Politik muss bei Anforderungen Maß im Auge behalten

Vonovia erwartet, dass die Politik bei den geforderten energetischen Sanierungen das Maß im Auge behält. "Es geht nicht darum, dass wir nicht sanieren wollen, unsere Sanierungsquote lag in den vergangenen Jahren mit drei Prozent über dem Durchschnitt. Aber je höher die Effizienzstandards werden, umso aufwändiger wird es", sagt Nina Henckel, Sprecherin des Unternehmens.
Beispielhaft führt sie aus, dass der Sprung auf den Gebäudestandard KfW 40 teurer ist als der Sprung auf KfW 55. "KfW 55 ist bereits ein guter Standard, der jetzt aber nicht mehr gefördert wird. Jetzt muss es KfW 40 sein. Wir wünschen uns eine realistische Einschätzung, was tatsächlich gemacht werden muss".

Lösungsansätze der Vonovia SE

Das private Wohnungsbau-Unternehmen steckt nach eigenen Angaben viel Geld derzeit in Forschung und Entwicklung. So sollen sich mehr als 100 Mitarbeiter nur um die Themen Photovoltaik und Wärme, Planung und Innovation kümmern.

Projekt "Energiesprong"

Ein aktuelles Projekt der Vonovia ist ein aus Holland stammender Ansatz mit dem Namen "Energiesprong". Dahinter verbirgt sich eine CO2-neutrale Sanierung in Serienbauweise. Die Gebäude werden digital vermessen und erhalten millimetergenaue vorgefertigte Fassadenelemente.

Verwendet werden dabei vor allem nachhaltige Baustoffe, teilweise auch recyceltes Material. Die Rahmenelemente bestehen aus Holt und werden mit nachhaltiger Dämmung ausgefüllt. Vor Ort müssen diese nur zusammengesetzt werden. Die Anlagentechnik für Wärme-, Wasser und Luftversorgung wird bei der Sanierung ebenfalls erneuert und über Photovoltaik-Module auf den Dächern mit grünen Strom betrieben.

Ziel ist, dass das Gebäude im Lauf des Jahres so viel Energie erzeugt, wie es verbraucht, wodurch sich die CO2-Emissionen über das Betriebsjahr nahezu auf Null reduzieren. 

Sie gehören zur Mittelschicht, haben ein gutes und sicheres Einkommen – Familien, die zur Miete wohnen, aber eine neue Wohnung suchen. Oft bleibt ihre Wohnungssuche erfolglos.

28.03.2023 | 07:36 min

Noratis AG: Maßnahmen müssen gut durchdacht sein

Igor Christian Bugarski, CEO der Noratis AG, mahnt, dass die durchzuführenden Maßnahmen in Hinblick auf ihre Machbarkeit gut durchdacht sein müssen: "Hier dominieren Finanzierbarkeit, technische Herausforderungen und Toleranz der Bewohner". Bugarski ist sicher, dass das ambitionierte Programm nur Fortschritte erzielen wird, wenn Immobilien weiter wirtschaftlich bleiben und die Lebensqualität der Bewohner dabei wächst.

Lösungsansätze der Noratis AG

Der Bestandsentwickler investiert aktuell in Pilotprojekte mit neuen Sanierungsverfahren. Ziel soll dabei sein, die Einsparungen und Mehrkosten für Mieter im Einklang zu halten und die Belastung durch die Sanierung auf ein Minimum zu begrenzen.

Bei dem Großteil der Objekte prüft das Unternehmen konventionelle Einzelmaßnahmen, bei denen ein gutes Verhältnis zwischen Investition, Aufwand und Mieterzufriedenheit zu erreichen ist. Aktuell sind das häufig der Austausch von 40 Jahre alten Fenstern und Erneuerung von Heizungsanlagen.

Viele kleinere Schritte bringen auch häufig sehr gute Ergebnisse wie Reparaturen, Dämmung von Heizanlagen, Austausch von defekten Thermostatknöpfen und die Sammlung von Daten, um die richtigen Ansätze zu finden.

Um vor allem Wohnraum zu niedrigen Mieten anbieten zu können, benötigen Anleger und Investoren eine auskömmliche Marge, konstatiert Adalbert Pokorski, Geschäftsführer der Greenwater Capital GmbH.
Das könne man, wie bereits in der Vergangenheit, durch Zuschüsse für Neubauvorhaben, kurze Abschreibungszeiträume oder zinsgünstige Darlehen erreichen. "Jedenfalls wäre es erforderlich, das Angebot an Wohnraum so auszuweiten, dass es dämpfend auf die Preise wirkt", erklärt Pokorski.

Lösungsansätze der Greenwater Capital GmbH

Die Wohnimmobilien Investment- und Asset Management Gesellschaft setzt verstärkt auf die Entwicklung des eigenen Bestands. Hierfür werden eigene Handwerker engagiert, die Energiesparpotenziale analysieren und sich um die technische Umsetzung kümmern.

Experte für Wohnungspolitik: Wohnungslücke nicht alleine im Bestand lösen

Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik, hält das nicht für den richtigen Weg: "Die Vorstellung ist sehr weit verbreitet, dass man, wenn man neu baut und das Angebot erhöht, ein neues Gleichgewicht auf dem Markt herstellen kann und die Preise sinken." Beispiele aus anderen Ländern hätten jedoch gezeigt, dass dem nicht so ist. Bernt findet die Fixierung der Politik auf Neubau nicht angebracht:
Quantitativ haben wir zu wenig Wohnraum. Und die Wohnungslücke können wir nicht alleine im Bestand lösen. Aber gleichzeitig ist es so, dass wir vor allem ein Preisproblem haben - und die Preisbildung findet im Bestand statt.
Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik
Der Staat habe sich seit Jahrzehnten aus der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums zurückgezogen und sich so seines Einflusses bei der Gestaltbarkeit von Mietpreisen beraubt.

Lösungsansätze von Stadtforscher Matthias Bernt

Eine Möglichkeit zum Erhalt bezahlbarer Mieten sieht Bernt in der Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit, über die in der Politik seit vielen Jahren diskutiert wird. Die Politik diskutiere hier über Anreize wie Steuervorteile für Unternehmen, die gemeinnützig wirtschaften. Dieser Vorschlag stehe laut dem Stadtbau-Experten auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

Wie sozial ist der soziale Wohnungsbau?

Gleichzeitig gab es einen sozialen Wohnungsbau, der laut Bernt eine Investitionsförderung mit sozialer Zwischennutzung war: "Der Bauträger bekommt Subventionen und verpflichtet sich, 20 bis 30 Jahre die Miete zu deckeln und Wohnraum für einkommensschwache Gruppen bereitzustellen. Nach dieser Zeit kann der Träger zu marktüblichen Mieten übergehen, was zum Verlust des bezahlbaren Wohnraums führt."
Auch sind mehr Finanzinvestoren in den Wohnungsmarkt geströmt, haben sich in große Bestände eingekauft und sind an der Ausnutzung sämtlicher Mietsteigerungsmöglichkeiten interessiert.

Jedes Jahr fallen mehrere 10.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung heraus, neue werden kaum mehr gebaut. Die Folge: Günstiger Wohnraum wird immer knapper.

28.03.2023 | 07:43 min

Energetische Sanierungen stellen Gesellschaft vor neue Probleme

In Bezug auf die notwendigen energetischen Sanierungen sieht Bernt die Gesellschaft in neue Probleme schlittern:
Die Maßnahmen sind nötig, aber es müssen im Anschluss auch bezahlbare Mieten rauskommen.
Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik
Gerade einkommensschwache Haushalte kommen sonst in eine enorme Zwickmühle: zu hohe Heizkosten und zu hohe Mieten. Beides können sie nicht stemmen. Bestehende Mieter können so verdrängt und die Wohnungen teuer neu vermietet werden.
Klimafreundliche Sanierung sei zum Teil ein Verdrängungsgeschäft geworden, so der Stadtforscher. "Ich denke, es ist notwendig, die Gesetzeslage stärker nachzubessern und dafür zu sorgen, dass die modernisierungsbedingten Mietpreiserhöhungen mit einer Warmmieten-Neutralität stärker in Einklang gebracht werden".

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