: Wo Eltern von Frühchen Hilfe finden

von Susanne Gentsch
17.11.2023 | 12:18 Uhr
Die Geburt des eigenen Kindes ist für die meisten Eltern der schönste Tag im Leben. Doch kommt das Baby zu früh, beginnt eine Zeit voller Sorgen und Ängste. Was Eltern helfen kann.

Die Anfangszeit ist für viele Eltern von Frühchen die schwerste. Sie sind dem Stress auf der Intensivstation ausgesetzt, wie auch Hakan und Desiree mit Sohn Mikail. Nicole und Steven Treash sind mit Frühchen Liam seit eineinhalb Jahren zu Hause.

17.11.2023 | 05:34 min
Normalerweise dauert eine Schwangerschaft etwa 40 Wochen. Wenn ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren wird, ist es ein sogenanntes Frühgeborenes.
Die meisten Frühgeborenen wiegen bei ihrer Geburt weniger als 2.500 Gramm. In seltenen Fällen wiegen die Kinder anfangs sogar weniger als 1.000 Gramm. Dann spricht man von Extrem-Frühchen. Sie werden in der Regel vor der 29. Schwangerschaftswoche geboren.

Zahlen und Fakten zu Frühgeburten in Deutschland

  • etwa 750.000 Geburten pro Jahr in Deutschland
  • davon etwa 65.000 Frühgeburten
  • knapp 10.000 Frühgeborene kommen bereits vor der 29. SSW
  • Versorgung in sogenannten Perinatalzentren
  • aktuell 163 Perinatalzentren in Deutschland

Hilfsangebote im Krankenhaus

Ein Aufenthalt im Krankenhaus während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung kann mit Freude und Hoffnung einhergehen, aber gerade für Frühchen-Eltern auch mit Sorgen und Ängsten verbunden sein. In den ersten Wochen der Kleinen geht es ums Überleben. In dieser Zeit sind entsprechende Hilfsangebote in den Kliniken besonders wichtig.
Das weiß auch Steffen Kunzmann, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin am Bürgerhospital in Frankfurt am Main:
Wir haben zum Beispiel ein psychosoziales Team, bestehend aus einer Seelsorgerin und einem Psychologen.
Prof. Dr. Steffen Kunzmann, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin am Bürgerhospital in Frankfurt am Main
Für die Eltern ein Gesprächsangebot, das sie annehmen können. Zusätzlich seien Angebote wie Musik- oder Kunsttherapie besonders wichtig, denn "[…] die Eltern und auch die Geschwisterkinder sollen irgendwas anderes zusammen machen, das nicht nur medizinisch ist", erklärt Kunzmann.

Frühchen: Was geschieht nach der Geburt?

Ist die kritische Phase direkt nach der Geburt überstanden, steht die Entlassung an. Um auf die Zeit zu Hause gut vorbereitet zu sein, übernehmen Eltern noch im Krankenhaus unter Anleitung der Pflegekräfte schrittweise immer mehr die Versorgung ihres Kindes. Zum Beispiel ergänzen sie die Muttermilch mit wichtigen Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Calcium, Vitamin D, Eisen).

Vorbereitungen auf die Zeit zu Hause

Manche Krankenhäuser verfügen außerdem über das sogenannte Rooming-In-Prinzip. Die Eltern haben dabei die Möglichkeit, die letzten Tage vor der Entlassung in einem Zimmer mit ihrem Baby zu schlafen. Dadurch sollen sie sich mit dem Rhythmus und den besonderen Bedürfnissen des Babys vertraut machen. Zum Beispiel sollte das Stillen oder Füttern mit dem Fläschchen so gut eingespielt sein, dass es zu Hause stressfrei funktioniert.

So sollten Eltern ihr Zuhause auf das Kind vorbereiten

Die Umstellung auf die neue Situation mit dem Baby zu Hause ist mitunter mit neuen Schwierigkeiten verbunden. Das sichere Umfeld der stets anwesenden Pflegekräfte ist nicht mehr gegeben. Eltern können daher folgende Maßnahmen ergreifen, um sich bestmöglich auf diese Zeit vorzubereiten.

  • Bereiten Sie einen Schlafplatz mit Bettchen, Wiege oder Stubenwagen vor.
  • Besorgen Sie eine Wickelkommode mit Wärmestrahler darüber.
  • Haben Sie eine Babyschale für den Transport im Auto zur Hand.
  • Besorgen Sie Utensilien für die Versorgung, zum Beispiel Fläschchen und Sauger, Milchpumpe, genügend Windeln, Babykleidung, Pflegeprodukte.
  • Haben Sie alle nötigen Medikamente und Notfallkontakte parat.

Weitere Tipps für zu Hause

  • In den ersten zwei oder drei Nächten schwaches Licht brennen lassen und/oder ein Radio leise laufen lassen, um die Rahmenbedingungen der Neugeborenen-Intensivstation nachzuahmen.
  • Für eine reizarme Umgebung sorgen, gegebenenfalls Licht und Geräusche mindern.
  • Feste Zeiten für das Baden und Spielen einführen.
  • Auf Überforderungssignale achten, z.B. Vermeiden des Blickkontakts, bei Schläfrigkeit für Ruhe sorgen.
  • Hygiene: Alle Flaschen, Sauger, Schnuller etc. gründlich auskochen oder mit Wasserdampf desinfizieren, regelmäßig die Hände waschen, um das Immunsystem des Frühgeborenen nicht herauszufordern.

Ruhe und Routine in der ersten Zeit

Eltern sollten sich in der ersten Zeit zu Hause besonders viel Zeit für ihr Kind nehmen. Der Schock der zu frühen Geburt kann so überwunden und eine feste Bindung aufgebaut werden. Viel Körperkontakt kann hierbei helfen. Auf viel Besuch sollten die Eltern zunächst verzichten. Ruhe ist angesagt, denn Frühchen haben eine besonders niedrige Reizschwelle.

Für Frühgeborene ist Muttermilch überlebensnotwendig, egal ob von der eigenen Mutter oder von einer anderen. Milchspenden sind deshalb extrem wichtig, genug gibt es jedoch nicht.

19.05.2023 | 01:35 min

Nachsorge für Extremfrühchen

Gerade Extremfrühchen sind immer wieder, auch Jahre später, mit medizinischen Herausforderungen konfrontiert. Durch die unterentwickelten Organe bei der Geburt können Spätfolgen, wie etwa Entwicklungsstörungen, auftreten.
Eine gute Nachsorge und Früherkennung sind daher wichtig. Das Kind sollte vor allem in den ersten Lebensmonaten engmaschig vom Kinderarzt untersucht werden, damit eventuelle Defizite rechtzeitig erkannt und behandelt werden können.

Welche Angebote es zur Nachsorge gibt

  • U-Untersuchungen beim Kinderarzt
  • Hausbesuche einer Hebamme (Kosten für zehn Besuche übernimmt die Krankenkasse)
  • Sozialmedizinischer Nachsorgedienst der Klinik, Hausbesuche der Pflegekräfte
  • bei Entlassung mit Magensonde oder Beatmungsgerät: ambulanter Kinderpflegedienst
  • durch das geschwächte Immunsystem der Frühchen kann neben den üblichen, empfohlenen Impfungen ein zusätzlicher Impfschutz sinnvoll sein (z.B. Pneumokokken oder Influenza)
  • Beratung und Unterstützung durch Elterninitiativen

Hilfsangebote für Eltern von Frühchen

Weitere Unterstützung

Neben professioneller Unterstützung kann für Eltern eines Frühchens der Austausch mit anderen Eltern hilfreich sein, zum Beispiel schon in der Klinik. Für längerfristige Unterstützung über die Klinikzeit hinaus können Elterninitiativen sorgen. So etwa die Initiative "NeoEltern" am Bürgerhospital Frankfurt:
Wir haben gemerkt, dass Eltern, die dasselbe schon mal durchgemacht haben, das viel besser rüberbringen können. Das hilft den Eltern sehr viel.
Prof. Dr. Steffen Kunzmann, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin am Bürgerhospital in Frankfurt am Main
Der Austausch findet hier unter anderem digital über einen Messenger-Dienst statt. Dabei werden auch kleinere Fragen geklärt, zum Beispiel zur Wahl der Windeln oder Fläschchen. Für die Eltern von zu früh geborenen Kindern beginnt so eine Zeit mit vielen Herausforderungen, die sie aber nicht allein meistern müssen.

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