FAQ

: Patientin: "Ich war ein Wrack meiner Selbst"

von Katharina Schuster
01.05.2023 | 16:09 Uhr
Viele frischgebackene Mütter und Väter sind davon betroffen, doch es ist ein Tabu-Thema: Wochenbettdepression. Gerade Frauen leiden unter dem Druck, alles perfekt machen zu müssen.
Von einer Wochenbettdepression spricht man nach 14 Tagen depressiver Verstimmung.Quelle: dpa/Fabian Strauch
Wenn Christina von ihrer Wochenbettdepression erzählt, spricht sie von einer "Lebenskrise". Die damals 25-Jährige habe alles hinterfragt und angezweifelt, dass es jemals wieder gut werden wird. Ihre Gedanken: Voller Angst und Sorge um ihr Kind.
Ich war nach 14 Tagen ohne erholsamen Schlaf ein Wrack meiner Selbst und wollte einfach nur noch schlafen.
Christina, erkrankte an einer Wochenbettdepression
"Ich hatte keine Freude mehr, überlegte nur, wie ich Dinge schaffen sollte, wenn ich nicht schlief", erinnert sich Christina an die Wochen nach der Geburt ihres Kindes. "Ich hatte Angst, dass ich nicht stillen könnte. Ich hatte Angst, dass mein Frühchen nicht zunimmt."
Am Ende habe Christina gezweifelt, ob sie je wieder gesund werden und eine gute Mutter sein könne, erzählt sie.

Was ist der Unterschied zum Babyblues?

So ähnlich wie Christina geht es jeder sechsten bis zehnten Mutter und jedem zehnten Vater in Deutschland. Halten Symptome wie Interessensverlust, Ängste um das Kind oder Niedergeschlagenheit länger als 14 Tage an - spricht man von einer postpartalen Depression - besser bekannt als Wochenbettdepression.
Postpartale Depression: Größter Risikofaktor für eine Wochenbettdepression ist eine vorangegangene Depression. Aber auch übermäßiger Stress oder die Tatsache, dass das Kind nicht gesund ist, können die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung erhöhen.
Symptome:
  • Niedergeschlagenheit
  • starke Sorgen um das Kind
  • Interessenverlust
  • aber auch schlechter Schlaf, Appetitlosigkeit, Konzentrationsverlust
Quelle: Stiftung Gesundheitswissen
Die Wochenbettdepression ist vom sogenannten Babyblues zu unterscheiden:
Babyblues: In den ersten Tagen nach der Geburt haben 50 Prozent der Mütter Stimmungsschwankungen. Grund dafür ist vor allem die hormonelle Umstellung. Man spricht von Babyblues (auch "Heultage" genannt). Symptome: Grundloses Weinen und Stimmungs-Schwankungen.
Quelle: Stiftung Gesundheitswissen

Hilfe bei Depression & psychischen Problemen

Gute Laune und Optimismus können zwar einen positiven Einfluss auf Menschen haben, aber nicht alle psychischen Probleme lösen. Unter 0800 / 1110111 bietet die Telefonseelsorge kostenlose und anonyme Beratungen an. Jugendliche finden bei der Nummer gegen Kummer unter 116111 Hilfe. Betroffene können zudem auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (bzga.de) Beratungsstellen finden.

Was steckt hinter einer Wochenbettdepression?

Zwischen zehn und 15 Prozent der Mütter und etwa zehn Prozent der Väter erkranken in Deutschland an einer postpartalen Depression. Viele schämen sich für ihre Gefühle und trauen sich nicht, darüber zu sprechen, weiß Psychologin Nora Nonnenmacher.
Dabei sei eine schnelle Therapie wichtig. Auch um Langzeitfolgen zu verhindern. Die Therapie laufe ähnlich ab wie bei einer normalen Depression. Inhaltlich unterscheide sich die Wochenbettdepression aber.
Im Fokus stünde bei der postpartalen Depression die Mutter- oder Vaterrolle und das Kind. "Die negativen Gedanken betreffen sehr häufig die eigene Rolle als Mutter oder Vater, also zum Beispiel Schuldgefühle, keine gute Mutter oder kein guter Vater zu sein, das Kind nicht richtig versorgen zu können", sagt Nonnenmacher, Leiterin der Forschungsgruppe "Eltern-Kind-Studien" an der Uniklinik Heidelberg.

Wie sieht die Therapie aus?

  • Leichte depressive Episode: Stress reduzieren, körperliche Aktivität fördern, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf
  • Mittelschwere Depression: zusätzlich Psychotherapie und ggf. Einsatz von Antidepressiva
  • Mittelschwere bis schwere Depression: zusätzlich Psychotherapie und Gabe von Antidepressiva

Welche Folgen kann eine Wochenbettdepression für das Kind haben?

"Bonding" beschreibt das erste emotionale Band einer Mutter an ihr Kind. Das beginnt in der Schwangerschaft und setzt sich nach der Geburt fort, erklärt Expertin Nonnenmacher. Über die Postpartalzeit nimmt das Bonding immer weiter zu.
Dieser Bonding-Aufbau sei bei einer postpartalen Depression sehr häufig erschwert. Das bedeutet: Die Mutter hat weniger positive Gefühle für das Kind.
Im schlimmsten Fall könne es zu "Bonding-Störungen" kommen. "Die Mutter nimmt das Kind dann nicht richtig an, denkt, sie wäre glücklicher ohne das Kind", sagt Nonnenmacher.
Doch der Expertin ist wichtig zu erwähnen: "Es gibt genügend Mütter und Väter, die es schaffen trotz Depression eine gute Bezugsperson für das Kind zu sein, auch wenn es anstrengend ist für die Betroffenen."
Eine postpartale Depression sei nicht automatisch schlecht für die Entwicklung der Kinder.

Traurigkeit, Überforderung, Lustlosigkeit: Die Mütter Nina, Ricarda & Simone erzählen bei funk - Babystories von ihrer emotionalen Achterbahn.

06.02.2020 | 04:55 min

Welche Rolle spielt die Gesellschaft?

Die Erwartungen der Gesellschaft an werdende Eltern sind hoch: Die Geburt soll ein freudiges Ereignis sein, wenn nicht sogar der schönste Moment des Lebens. Sich nach der Geburt nicht gut zu fühlen, sei stark tabuisiert, sagt die Leiterin der Eltern-Kind-Studien:
Wochenbettdepression ist ganz stark tabuisiert. Weil in den Medien und der Gesellschaft ein Bild da ist, dass gerade Frauen glücklich sein müssten nach der Geburt. Und man dann vor Freude auch körperlich nicht so erschöpft sei.
Nora Nonnenmacher, Eltern-Kind-Studien
Gerade Frauen würden zudem stark unter dem Leid leiden, während der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach alles "perfekt" machen zu müssen, sagt Nonnenmacher.

Was hat Christina geholfen?

Christina schaffte es, kämpfte sich aus der schweren Phase - auch mit Hilfe ihres Mannes. Guter Schlaf, Entlastung und Gespräche seien für sie der Schlüssel gewesen.
Außerdem musste ich lernen, Kontrolle abzugeben, Ängste loszulassen und Gott zu vetrauen.
Christina
Ihrer Ansicht nach sei allgemein wenig Verständnis vorhanden im Umgang mit Depressionen. Umso wichtiger sei es, dass man sich als Freund*in oder Angehörige*r nicht zurückziehe, sondern für die erkrankte Person da sei - unterstützt, zuhört und aushält.
Wie auch Männer von Wochenbettdepression betroffen sein können, lesen Sie hier:

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