: Warum es Ost-Klubs im Fußball so schwer haben

von Ralf Lorenzen
08.02.2024 | 17:13 Uhr
Einst sorgten Dynamo Dresden oder Lok Leipzig für magische Europapokal-Abende. Heute leiden die Klubs im Osten unter Standortnachteilen. Hoffnung macht die gute Jugendarbeit.

Seit dem Mauerfall hinken die Ost-Klubs hinterher. Welche Gründe gibt es, dass nur sieben Vereine aus der ehemaligen DDR in den Profiligen spielen? Welche Chancen haben die Klubs?

08.02.2024 | 14:17 min
Nie war mehr Goldgräberstimmung im deutschen Fußball als kurz nach dem Mauerfall im November 1989. Bereits im Februar 1990 organisierte der damalige Werder-Manager Willi Lemke ein Freundschaftsspiel in Bremens Partnerstadt Rostock. Rund um das Stadion wurden Ladungen gesponserter Schokolade verteilt. Selbst der Schiedsrichter lief in Lila auf.

Teamchef Beckenbauer irrte gewaltig

Bei der Jagd nach den besten Spielern des Ostens hatten dann andere die Nase vorn: Ulf Kirsten und Andreas Thom gingen zu Bayer Leverkusen, Matthias Sammer zum VfB Stuttgart und Thomas Doll zum HSV.
Weltmeister wurde Deutschland 1990 noch ohne Spieler aus der DDR, was den damaligen Teamchef Franz Beckenbauer zu der Aussage bewog:
Jetzt kommen die Spieler aus Ostdeutschland noch dazu. Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein wird.
Franz Beckenbauer, ehemaliger Teamchef

150 neue Profis für die Bundesliga

Daraus wurde dann nichts und im Osten begann der Vereins-Fußball auszubluten. "Rund 150 ehemalige Oberliga-Spieler sind allein in den ersten fünf Jahren in den Westen gewechselt", sagt Moderator Manu Thiele im aktuellen Bolzplatz. Aktuell kommen von deutschlandweit insgesamt 56 Profivereinen nur sieben aus Ostdeutschland, davon drei in der dritten Liga.
Der Fußball in Ostdeutschland ist, so hart es klingt, abgehängt.
Manu Thiele, Sportjournalist

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Die ehemals von Staatsbetrieben finanzierten Klubs verloren mit dem Wechsel des Wirtschaftssystems ihre Existenzgrundlage. "Durch den Mauerfall hat sich quasi die ganze Infrastruktur des DDR-Fußballs verändert", sagt der Historiker Frank Willmann im Bolzplatz.
Private Strukturen, die wie im Westen die staatliche Förderung ersetzen könnten, wurden erst langsam aufgebaut. Außerhalb der Hauptstadt, wo Union Berlin eine Sonderrolle unter den ehemaligen DDR-Klubs einnimmt, existiert der Standortnachteil bis heute weiter.

Der Sonderfall Rasenballsport Leipzig

"Es gibt keine relevante Industrie, die wie in Leverkusen, Wolfsburg oder München in gleicher Weise Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Lok Leipzig oder Cals Zeiss Jena unter die Arme greifen würde", sagt ZDF-Reporter Nils Kaben, der im Osten aufgewachsen ist.

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Einen weiteren Sonderfall stellt RB Leipzig dar, das mit den Geldern eines internationalen Konzerns neu gegründet wurde, um dessen Produkte zu bewerben. "Die haben ja doch sehr fragwürdige Vereinsstrukturen da implementiert", sagt Nils Kaben.
Diese Strukturen wünsche ich mir nicht für die Traditionsklubs aus Dresden, Jena, Zwickau, oder Aue.
ZDF-Reporter Nils Kaben über Rasenballsport Leipzig

Viele junge Talente kommen aus dem Osten

Etwas Hoffnung macht der Blick auf die Nachwuchsarbeit der ostdeutschen Klubs. In den deutschen Regionalligen, wo der Betrieb von Nachwuchsleistungszentren im Gegensatz zu den Profiligen freiwillig ist, kommen vier von insgesamt acht Akademien aus den neuen Bundessländern. Diese profitieren von der Bedeutung, die der Sport dort schon zu DDR-Zeiten hatte.

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Es gäbe dort "traditionell sehr sportorientierte Schulen, die sehr viel Raum und Zeit, zum Teil auch personelle Ressourcen zur Verfügung stellen", sagt Markus Hirte, der sportliche Leiter der Talentförderung des DFB. Von den 880 Junioren, die in den letzten zehn Jahren für Deutschland gespielt haben, kommen mit 194 überproportional viele aus dem Osten.

Zu wenig Spielpraxis bei den Profis

Um Spielpraxis im Profifußball zu bekommen, sind die wenigen in Frage kommenden Ost-Klubs mitunter sogar die schlechtere Wahl. Die dortigen Drittligaklubs setzen unter dem Druck, möglichst bald aufzusteigen, vergleichsweise wenige Spieler unter 21 ein. Dabei läge hier eine der Möglichkeiten, doch irgendwann an große Traditionen anzuknüpfen.
"Diese jungen Spieler könnten auch ein Weg sein, um sportlich besser zu werden", sagt Hirte. "Oder einen finanziellen Gewinn zu haben, wenn ein junger Spieler mit einigen Einsätzen in der dritten Liga in einen höherklassigen Verein geht."

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