: Mittelstürmer - wo seid ihr geblieben?

von Ralf Lorenzen
25.10.2022 | 12:49 Uhr
Der klassische Mittelstürmer war schon aus der Mode gekommen, heute sucht jeder den neuen Lewandowski oder Haaland. Auch den DFB stellt das vor der WM vor eine Herausforderung.

Das DFB-Team hat vor der WM in Katar keinen Stürmer im Team, wie einst Mario Gomez oder Miroslav Klose. Warum es keine deutschen Mittelstürmer auf Weltklasse-Niveau gibt.

25.10.2022 | 13:36 min
Unter den ersten 19 Spielern der aktuellen Bundesliga-Torschützenliste befinden sich gerade mal zwei Spieler, die für den DFB spielberechtigt sind: Niclas Füllkrug und Jamal Musiala - ein Mittelstürmer und ein offensiver Mittelfeldspieler, der bis zum 17. Lebensjahr in England ausgebildet wurde. Die augenblickliche Diskussion über die Stürmermisere deutet darauf hin, dass es sich um mehr als eine Momentaufnahme handelt.

Die Stürmer - DNA des deutschen Fußballs

Wenn hierzulande über Mittelstürmer diskutiert wird, geht es um mehr als um eine von elf Positionen auf dem Spielfeld. Dann geht es mindestens um ein Kulturgut - oder wie Manu Thiele in seinem aktuellen "Bolzplatz" sagt, um die "DNA des deutschen Fußballs".

Der Ex-Nationalspieler Patrick Helmes vergleicht das heutige Training von Nachwuchsstürmern mit seinen eigenen Erfahrungen und verrät, welcher Spieler unbedingt zur WM muss.

25.10.2022 | 11:35 min
Das ist im Fußball nur noch vergleichbar mit dem Libero - aber während der schon längst ausgestorben ist und immer nur mit einer einzigen ehemaligen Lichtgestalt verbunden wurde, handelt es sich beim Mittelstürmer um eine Dynastie, deren Erbfolge ins Stocken geraten ist.

Goldene (Sturm-)Zone ist Niemandsland

Uwe Seeler, Gerd Müller, Klaus Fischer, Rudi Völler und Miroslav Klose haben noch keinen Nachfolger gefunden. In der goldenen Zone zwischen Torlinie und Elfmeterpunkt, von wo nach DFB-Statistik 85 Prozent der Tore erzielt werden, ist allzu oft Niemandsland. Das war so lange kein Problem, als dieser Raum im modernen Fußball generell flexibel besetzt wurde.

Verspottet als "kleines dickes Müller", gehört er bald zu den Größten. Im Strafraum erfolgreich wie lange kein Zweiter, wird er zur deutschen Stürmerlegende schlechthin.

19.11.2022 | 44:21 min
Über eine Dekade war der spanische Fußball stilprägend, Ballbesitzfußball mit schnellem Passspiel und wechselnden Spielern im Zentrum. Torjägerkanonen und goldene Schuhe gingen an falsche Neunen wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo.
Kopfballstarke Knipser, die vorne auf Zuspiele warten, waren nicht gefragt. Wir waren gut dran mit Miro Klose, der sich zwar auch gern tief fallen ließ, aber trotzdem wusste, wo das Tor stand.

Richtige Neunen wieder gefragt

Aber auch für den Löwschen Fußball war es fast schon sinnbildlich, dass der Siegtreffer im WM-Endspiel 2014 nicht durch den Mittelstürmer (Klose) fiel, sondern durch den für ihn eingewechselten Mario Götze - Deutschlands falscher Neun.

Miroslav Klose hatte sein Spiel an den Wandel des Fußballs angepasst. Das man auch anders an die Spitze kommen kann, zeigt Thomas Müller mit seinem ganz speziellen Stil.

20.05.2021 | 05:54 min
Acht Jahre später baut selbst Pep Guardiola mit Erling Haaland auf einen klassischen Mittelstürmer. Mit Robert Lewandowski und Harry Kane sorgen zwei weitere Vertreter dieses Typus für Angst und Schrecken in den Strafräumen. Und den Ballon d’Or gewinnt nicht mehr Messi, sondern Karim Benzema. Der DFB hat diesen Trend offensichtlich verschlafen, wie ihm schon 2021 zwei große Trainer attestierten.

Klopp und Wenger: Zu wenige Weltklassestürmer

"Deutschland hatte vorher Weltklassestürmer in jedem Verein (…). Ja, ihr habt was falsch gemacht. Im Moment hat Deutschland nicht genügend Stürmer", sagte Arsene Wenger seinerzeit - und Jürgen Klopp fragte sich:
England hat mindestens sieben klassische Mittelstürmer, die in der Nationalmannschaft spielen könnten. Warum haben wir das nicht?
Jürgen Klopp
Einige Antworten findet Manu Thiele im Gespräch mit Experten wie Ex-Stürmer Patrick Helmes und Trainer Manuel Baum. Zum einen fehle die frühere Bolzplatzmentalität, da die Talente heute zu früh in die Leistungszentren kommen.
Das schade unter anderen der Schusstechnik, meint Helmes. Auf dem Bolzplatz sei es deutlich schwerer, den Ball zu kontrollieren.

"Projekt Zukunft" mit neuen Wettbewerben und Förderschwerpunkten

Zum anderen sei zu lange die individuelle Förderung der Talente zugunsten der Mannschaftstaktik vernachlässigt worden. Und schließlich fehle im System der regionalen Jugendligen oft die Konkurrenz auf höchster Ebene.

Der Sportliche Leiter für Nationalmannschaften beim DFB erklärt, wie der Verband mit dem "Projekt Zukunft" die Vereine unterstützen will.

13.09.2022 | 18:11 min
All das will der DFB mit dem "Projekt Zukunft" ändern, zum Beispiel mit neuen Spielformen für Kinder und neuen Wettbewerben sowie Förderschwerpunkten für Jugendliche. Es wird aber Zeit brauchen, bis das im Strafraum der Erwachsenen ankommt.
Bis dahin muss Nationalcoach Hansi Flick sich mit Bordmittel behelfen: mit im Ausland ausgebildeten Stürmern wie Lukas Nmecha oder eben mit Niclas Füllkrug.

Mehr zum Thema