: Was die DHB-Auswahl noch verbessern muss

von Erik Eggers
19.01.2023 | 07:18 Uhr
Mit 4:0-Punkten geht die DHB-Auswahl mit guten Aussichten in die WM-Hauptrunde. Aber nicht nur zum Auftakt gegen Argentinien muss sich die deutsche Defensive steigern.
Julian Köster aus der Abwehr heraus zum ErfolgQuelle: dpa
Es ist ein Zustand, in dem alles möglich ist. Jeder Leistungssportler strebt nach dem Flow. Nach dieser völligen Vertiefung in das Tun, in die Konzentration nur auf das Wesentliche. Wenn nicht alles täuscht, sind die deutschen Handballer bei der laufenden Weltmeisterschaft derzeit auf einem guten Weg in diese Stimmungslage, die alles erleichtert und alle Zweifel wegschiebt.

Spiel-Flow erreichen und aufrechterhalten

Das Ziel sei gewesen, diesen Flow zu erreichen, berichtete Linkshänder Christoph Steinert (HC Erlangen) nach dem 37:21-Pflichtsieg gegen Algerien. Und die Aussichten sind recht gut, diesen Zustand möglichst lange aufrechtzuerhalten, da die DHB-Auswahl nun mit 4:0-Punkten in die Hauptrunde startet. Dort trifft sie zunächst auf den Außenseiter Argentinien (Donnerstag, 18 Uhr/ARD).
Um das berauschende Gefühl auch in den Partien gegen die überraschend starken Niederlande (Samstag, 20.30 Uhr/live ab 20.15 Uhr im ZDF) und den Mitfavoriten aus Norwegen (Montag, 20.30 Uhr/ARD) zu bewahren, wird es aber zunehmend auf die Defensive ankommen. In diesem Mannschaftsteil, der in der Vergangenheit stets das Prunkstück des deutschen Spiels war, muss sich das Team von Trainer Alfred Gislason noch verbessern.

DHB-Abwehr mit Luft nach oben

Man mag sich angesichts der bislang starken deutschen Offensive gar nicht ausmalen, was bei dieser WM alles möglich wäre, wenn die beiden Weltklasseverteidiger aus Kiel, Patrick Wiencek (Rücktritt) und Hendrik Pekeler (Nationalmannschaftspause), im Mittelblock mittun würden. So aber bleibt die Frage noch offen, ob das Abwehrzentrum um Kapitän Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt) schon höchsten Ansprüchen genügt. Bundestrainer Gislason nach dem Abschluss der Vorrunde:
Wir müssen in jedem Spiel zulegen, dann ist vieles möglich.
Alfred Gislason, Handball-Bundestrainer
Und das gilt vor allem für die Verteidigung. Dort ist noch viel zu tun, obwohl die beiden deutschen Keeper Andreas Wolff und Joel Birlehm sich in guter bis sehr guter Form präsentieren. Speziell die Vorrundenpartie gegen Serbien (34:33) bewies, wie fragil dieser Mannschaftsteil noch ist.

Taktische Alternative in der Abwehr wichtig

Als die spielstarken Serben in den ersten Minuten scheinbar durch die deutsche 6:0-Abwehr spazierten, reagierte Gislason sofort und nahm eine Auszeit. Und stellte auf die 3:2:1-Formation um, die "jugoslawisch" genannt wird, weil sie in den 1960er Jahren auf dem Balkan entwickelt wurde. So sollte der Spielfluss des Gegner im Rückraum gestört werden.

Deutschland - Serbien 34:33, 2. Spieltag, Zusammenfassung

15.01.2023 | 04:59 min
Die taktische Maßnahme Gislasons funktionierte. Auch in dieser kritischen Lage zeigte sich das große Talent von Julian Köster (VfL Gummersbach), der mit seinem formidablen Gefühl in der Spitze dieser Abwehrformation intuitiv alles richtig macht - so wie sein großes Vorbild in dieser Rolle, der Kroate Domagoj Duvnjak.

Durchschlagskraft im Rückraum maßgeblich

Diese starke Alternative hatte die deutsche Deckung lange nicht, jahrzehntelang operierte sie mit der 6:0, bei der alle Verteidiger dicht am eigenen Kreis stehen. Dieses Element aus dem Instrumentenkasten des Bundestrainers dürfte aber gegen Argentinien und gegen die Niederlande kaum Verwendung finden.

Starker Deutschland-Gegner Norwegen schlägt Nordmazedonien mit 39:27 in der Vorrunde

13.01.2023 | 04:40 min
Denn sowohl die Südamerikaner, die alles auf die Aktionen ihres wendigen Regisseurs Diego Simonet aufbauen, als auch die Niederländer, deren intelligenter Spielmacher Luc Steins nur 1,73 Meter groß ist, verfügen über vergleichsweise wenig Durchschlagskraft im Rückraum. Gegen Teams ohne körperlich starke Shooter im Rückraum ist die defensivere Abwehrvariante effektiver.

Gegen Norwegen muss die DHB-Abwehr variabel sein

Aber spätestens gegen Norwegen, das mit Harald Reinkind, Magnus Röd und Sander Sagosen drei Weltklasse-Shooter in seinen Reihen hat, könnte die 3:2:1 ein probates Mittel sein. Im Idealfall aber ist diese Partie schon nicht mehr entscheidend - wenn die deutsche Mannschaft nämlich ihren aktuellen Flow nutzt und sich mit Siegen in den ersten beiden Hauptrundenspielen das Ticket für das Viertelfinale schon gesichert hätte.

Mehr zur Handball-WM