: Kay Bernstein - ein etwas anderer Präsident

von Torsten Haselbauer
28.06.2022 | 08:28 Uhr
Vom Ex-Ultra zum Präsidenten: Kay Bernstein hat eine einzigartige Karriere bei seinem Klub Hertha BSC hingelegt. Jetzt aber muss er liefern.
Früher Vorsänger der Ultras, heute Präsident von Hertha BSC: Der 41 Jahre alte Kommunikationsunternehmer Kay Bernstein.Quelle: dpa
"Ha Ho He, Hertha BSC" schallte es am Sonntagmittag lautstark durch die Berliner Messehalle. Soeben wurde Kay Bernstein mit knapp 400 Stimmen Vorsprung auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC zum neuen Präsidenten gewählt.

Mehrheit wollte weg vom alten Hertha-Klüngel

Das war durchaus überraschend. Sein Widersacher nämlich, der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel, konnte sich auf die nahezu geschlossene Unterstützung des alten Establishments bei Hertha BSC verlassen.
Aber es war wohl genau das, was die große Mehrheit der Hertha-Mitglieder ablehnte. Steffel stand für den alten, eher anti-modernen Hertha Klüngel. Bernstein indes verkörpert den Aufbruch, den Neuanfang und Werte wie Transparenz und Innovation. Das passt einfach besser zu einem Verein, der sich seit gut drei Jahren auf einer Art Sinnsuche befindet.
Als Präsident bin ich der oberste Kommunikator des Vereins.
Kay Bernstein

Bernstein einst Vorsänger der Hertha-Ultras

Erst 41 Jahre alt ist Bernstein. Er ist Inhaber einer Kommunikationsagentur im trendigen Berliner Stadtteil Neukölln. Vom Vorsänger der Hertha Ultragruppe "Harlekins Berlin 98" in der Ostkurve des Olympiastadions ist er schon seit geraumer Zeit auf die bequemen Sitzschale der Haupttribüne gelandet.
Dennoch hat er nie den Kontakt zu den Ultras verloren. Jene Gruppe also, der er maßgeblich seinen Wahlerfolg vom Sonntag zu verdanken hat. Auch in Bernsteins schon im Mai präsentierten Wahlprogramm "Wir Herthaner" finden sich durchaus Ziele, die jeder Ultra ohne Zögern unterschreiben würde.

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Zum Beispiel die großzügige Förderung der Jugendarbeit oder die Ablehnung von Sportwettanbietern als Vereinssponsoren. Und zum Dauerstreitthema der Ultras mit den Bundesliga-Klubs, nämlich der Einsatz von Pyrotechnik, erklärt der Ex-Ultra und Neu-Präsident ganz pragmatisch: "Wir müssen verantwortlich damit umgehen."

Gegenentwurf zu Vorgänger Gegenbauer

Bernstein interpretiert seine Rolle als Hertha-Präsident völlig anders als sein Vorgänger Werner Gegenbauer. Gegenbauer, zuvor zwölf Jahre als Hertha-Präsident im Amt, wurde ein patriarchalischer Habitus nachgesagt. Entscheidungen wurden grundsätzlich im Hinterzimmer getroffen und fast immer an den Fans vorbei.
Das Präsidium muss nahbar sein. Wir müssen auf die Leute zugehen, mit ihnen reden.
Kay Bernstein
Das seit Jahren nachhaltig gestörte Verhältnis der Berliner zum Hauptstadtverein aus dem Westen der Stadt möchte Bernstein wieder ins Lot bringen. Auf immerhin 40.000 Mitglieder kann Hertha BSC verweisen, die der neue Präsident emotional näher an den Klub binden möchte.

Was macht Hertha-Investor Windhorst?

Bernstein sprach am Sonntag in seiner Bewerbungsrede nicht einmal vom "Big City Club", wenn er über die Zukunft von Hertha BSC redete. Das aber war der Traum des Großinvestors Lars Windhorst, als dieser vor knapp drei Jahren 374 Millionen Euro in den Verein investierte.
Windhorst machte vor der Mitgliederversammlung am Sonntag keinen Hehl daraus, dass er Bernsteins Mitbewerber Frank Steffel als Präsident präferiere. Dennoch versprach der Großinvestor schnell, mit dem Wahlgewinner Bernstein zusammenarbeiten zu wollen.

Jede Menge Arbeit für neuen Hertha-Präsidenten

Bernstein revanchierte sich sofort: "Selbstverständlich werde ich Lars Windhorst in die Arbeit mit einbinden, um gemeinsam unsere Ziele zu erreichen", erklärte er. Bernstein weiß um die Fülle und Komplexität seiner Aufgaben als Hertha BSC-Präsident. Die Arbeit in seiner Kommunikationsagentur lässt er vorsorglich auf unbestimmte Zeit ruhen. Die übernimmt jetzt seine Frau.

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