: Werder: Gemeinsam erwachsen geworden

von Ralf Lorenzen
05.11.2022 | 08:58 Uhr
Im Aufsteiger-Duell in der Fußball-Bundesliga trifft Sorgenkind auf Überraschungsmannschaft. Schalke 04 tritt auf der Stelle, bei Werder Bremen ist der Reifeprozess unübersehbar.
Mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet: Werder BremenQuelle: dpa
Die Frage musste irgendwann kommen. "Was hat Werder richtig und Schalke falsch gemacht?", wollte ein Journalist vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 von Werder Bremens Leiter Profifußball Clemens Fritz wissen. Schließlich trennen beide Aufsteiger vor dem Duell am Abend (18.30 Uhr/ausführlicher Bericht im aktuellen sportstudio ab 23.30 Uhr) satte zwölf Punkte und zehn Tabellenplätze.

Langfristige Kaderplanung

Über die möglichen Fehler des Gegners sagte Fritz nichts, dafür über die eigenen Weichenstellungen:
Wir wollten den Kader so früh wie möglich zusammen haben und punktuell so verstärken, dass es auf jeder Position einen Konkurrenzkampf gibt.
Clemens Fritz, Leiter Profifußball Werder Bremen
"Die Überzeugung hat sich die Mannschaft dann selbst erarbeitet", sagte Fritz.
Einen kleinen Haken hat diese Aufzählung allerdings: Auf der Position des Mittelstürmers ist Werder so weit von einem Konkurrenzkampf entfernt wie Schalke von der Tabellenspitze. Dort ist Niclas Füllkrug nicht nur gesetzt, sondern durch seine Tore schon so etwas wie Werders Lebensversicherung geworden - ein Attribut, dass in früheren Zeiten Claudio Pizarro zugeschrieben wurde.

Füllkrug: Höher als alle anderen

Wie Füllkrug die von Fritz hervorgehobene Überzeugung in die eigene Stärke vorlebt, wurde im letzten Spiel gegen Hertha BSC in der entscheidenden Szene deutlich. Als alle anderen sich schon auf ein glanzloses 0:0 eingestellt zu haben schienen, schraubte er sich nach einer Allerweltsflanke von Anthony Jung höher als alle anderen und köpfte den Ball in den Winkel.

Bis in die Schlussminuten sieht es bei Bremen gegen Hertha nach einem torlosen Remis aus. Dann köpft WM-Kandidat Niclas Füllkrug die Gastgeber doch noch zum Dreier.

30.10.2022 | 06:16 min
Seine Kollegen überboten sich anschließend in Superlativen, als wollten sie ihn in die Nationalelf reden. "Ich stand dahinter und habe selten einen so hoch springen sehen", sagt Abwehrspieler Amos Pieper. "Das ist schon Wahnsinn."

Kongenialer Sturmpartner Marvin Duksch

Viele Beobachter erkannten in dem Spiel insgesamt einen Reifeprozess der Bremer. "Werder wird erwachsen", titelte die "Frankfurter Rundschau". Dies gilt in allererster Linie für Füllkrug, der als 14-Jjähriger zu Werder kam, sich als Profi in Nürnberg und Hannover weiterentwickelte und oft von Verletzungen zurückgeworfen wurde.
Mit knapp 30 Jahren ist er nun zum kompletten Spieler geworden, zur "Waffe von ganz seltener Qualität", wie Trainer Ole Werner sagt. Dazu gehört auch, wie mannschaftsdienlich Füllkrug immer wieder versucht, seine Kollegen in Position zu bringen - besonders seinen kongenialen Sturmpartner Marvin Ducksch.

Viele Spieler aus Abstiegsjahr sind noch dabei

Einen tieferen Grund für die Reife in Werders Spiel offenbart dann doch ein Vergleich mit den Schalkern. Während die Blau-Weißen ihr Team seit dem Abstieg 2021 fast komplett ausgewechselt haben, stehen bei Werder noch acht Akteure regelmäßig in der Startelf, die den Abstieg zu verantworten hatten.
Ergänzt von bewährten Kräften wie Ducksch, Mitchell Weiser und Jung bügelten sie die Scharte wieder aus und holten sich in einer turbulenten Zweitliga-Saison verlorenes Selbstbewusstsein zurück. Vor allem wuchsen sie zu einer echten Mannschaft zusammen, die sich gegenseitig antreibt, lobt, aber auch kritisiert und miteinander streitet. Wie erwachsene Menschen eben.

Wichtige Emotionalität

Das funktioniert nur mit einem Trainer wie Ole Werner, der die Dynamiken in seiner Mannschaft erkennt, mit ihnen arbeitet und ihnen nicht den eigenen Machtanspruch überstülpt. Auch dafür hielt das Spiel gegen Hertha BSC ein gutes Beispiel bereit.
Nach seiner Auswechslung machte Leonardo Bittencourt seinem Frust unübersehbar in einem Wortgefecht mit seinem Trainer Luft. Der sagte anschließend über Bittencourt: "Mit dieser Emotionalität tut er uns einfach gut. Wir sind eine andere Mannschaft, wenn er dabei ist."

Polster für die Winterpause

Gegen Schalke ist er dabei - genau wie Kapitän Marco Friedel, dessen Rotsperre nach dem Platzverweis in Freiburg auf ein Spiel verkürzt wurde. Mit einem Sieg könnte der Tabellenachte sich schon vor den schweren Spielen gegen Bayern München und RB Leipzig ein beruhigendes Punktepolster für die lange Winterpause sichern.

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