: Warum der WM ein Verlust ihrer Besten droht

von Florian Haupt
28.02.2023 | 20:34 Uhr
Aus Protest gegen Trainerin und Strukturen erklären Frankreichs beste Fußballerinnen einen Boykott der Nationalelf. Der WM im Sommer droht damit ein Verlust zahlreicher Stars.
Wendie Renard (r.) ist eine der bekanntesten Fußballerinnen der Welt und eines der Gesichter der französischen Nationalelf.Quelle: dpa
Der französische Fußball erlebte am Dienstag eine Zäsur. Nach elf Amtsjahren trat der zuletzt skandalumwitterte Verbandspräsident Noël Le Graët ab. Bis zur nächsten Vollversammlung im Juni wird der bisherige Vize Philippe Diallo die Geschäfte führen.

Renard, Katoto und Diani treten ab

Ganz oben auf seinem Schreibtisch liegt die Akte der Frauen-Auswahl. Mit Abwehrchefin Wendie Renard - der Kapitänin - sowie den Angreiferinnen Marie-Antoinette Katoto und Kadidiatou Diani gaben dort am Freitag drei Leistungsträgerinnen ihren vorübergehenden Abgang bekannt. Von einem "notwendigen" Schritt für "meine mentale Gesundheit" schrieb Renard in den sozialen Medien.
Die Erklärungen des Trios erinnern frappierend an die E-Mails von 15 spanischen Auswahlspielerinnen, mit denen diese im Herbst eine Auszeit von der Nationalelf verkündeten. Zu ihnen zählte fast die gesamte Stammelf. Sie sind bis heute nicht zurück.

WM ohne die Stars der Champions League?

Dem Frauenfußball droht diesen Sommer damit eine WM ohne etliche Stars der in der Champions League dominanten Vereine Olympique Lyon, Paris St. Germain und FC Barcelona. Aus der Top-Elf der vergangenen Europapokal-Saison würden aktuell nur drei Spielerinnen in Australien und Neuseeland auflaufen.
Ursache des Eklats sind in beiden Fällen einerseits die als unprofessionell empfundenen Strukturen und Trainingsmethoden - ein Ärgernis vieler Spitzenfußballerinnen, die aus ihren Vereinen höhere Standards gewohnt sind. Auf der anderen Seite zielen die Rücktritte aber auch konkret auf die Personen auf dem Trainerstuhl. Jorge Vilda in Spanien und Corinne Diacre in Frankreich.
Frankreichs Nationaltrainerin Corinne DiacreQuelle: dpa

Das Ambiente gilt als vergiftet

Die Atmosphäre unter der 48-Jährigen, die sich einst als Trainerin des Männer-Zweitligisten Clermont Foot einen Namen machte, gilt seit langem als vergiftet. Bei ihrem Amtsantritt 2017 setzte sie Renard als Kapitänin ab, 2021 aber wieder ein - nachdem sie ihre Nachfolgerin Amandine Henry im Streit aussortiert hatte.
"Ich habe Mädchen in ihren Zimmern weinen sehen, ich selbst habe geweint auf meinem Zimmer", illustrierte Henry damals das Ambiente bei "Les Bleues".

Der mysteriöse Fall Hamraoui

Im Falle von Katoto und Diadi kam nun außerdem noch ein Aspekt hinzu, für den Diacre kaum verantwortlich gemacht werden kann. Es geht um die mysteriöseste Affäre des französischen Fußballs - das nach wie vor ungeklärte Eisenstangen-Attentat auf die PSG-Spielerin Kheira Hamraoui im Herbst 2021.
Die Ermittler verdächtigen ihre Klubkollegin Aminata Diallo, die Tat in Auftrag gegeben zu haben. Diallo wittert dahinter eine Verschwörung. Katoto und Diadi, beide ebenfalls PSG, sind enge Freundinnen von ihr und stänkern gegen Hamraoui. Dass diese im Februar erstmals wieder zur Nationalelf berufen wurde, werteten sie als Affront.
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Diacre allein auf weiter Flur

Die Motive des Aufstands sind also unterschiedlich und mögen nicht alle lauter sein. Doch die Unterstützung für die umstrittene Trainerin gilt auch außerhalb der Mannschaft als lau. Das sollen Sondierungen von Verbandsseite ergeben haben.
Interimschef Diallo steckt damit in einer Zwickmühle. Entlässt er Diacre, könnte der Verband auch fortan erpressbar wirken. Hält er an ihr fest, riskiert er die Erfolgsaussichten bei der WM und den Olympischen Heimspielen 2024 in Paris. Zumal weitere Spielerinnen ihre Sympathie mit den Rebellinnen erklärten.

Parallelen zum Team von Spanien

Mit einer ähnlichen Herausforderung hatten sich vorigen Herbst die Kollegen in Spanien herumzuschlagen. Der Verband blieb betont hart, unterließ jeden Kompromissversuch und nominierte einfach andere Profis nach.
"Stand jetzt resümiere ich, dass ich eine WM verpassen werde für etwas, an das ich glaube", sagte kürzlich Verteidigerin Mapi León, eine der 15 Abtrünnigen in Spaniens Team. In Frankreich will der Verband am 9. März über das Schicksal von Diacre entscheiden.

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