: WM-Kader: Zerwürfnis zur Unzeit

von Frank Hellmann
31.05.2023 | 16:26 Uhr
Die Bundestrainerin nominiert ihren erweiterten WM-Kader - und ärgert sich offen über den FC Bayern, der seine Spielerinnen erst später abstellt. Der DFB spricht von "Wortbruch".

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat ihren erweiterten 28-köpfigen WM-Kader benannt. Der FC Bayern lässt seine Spielerinnen jedoch später als vereinbart zum DFB reisen.

01.06.2023 | 01:12 min
Martina Voss-Tecklenburg und Joti Chatzialexiou haben erst gar nicht versucht, bei der Bekanntgabe des erweiterten Kaders der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) gute Miene zum bösen Spiel zu machen. 

Fün Bayerinnen kommen später

Beiden hatte es am Mittwoch dermaßen die Laune verhagelt, als sei ein Blitz aus heiterem Himmel auf dem sonnenüberfluteten DFB-Campus eingeschlagen.
Denn der für den 20. Juni vorgesehene Startschuss der WM-Vorbereitung mit den nominierten 28 Nationalspielerinnen in Herzogenaurach wird ausgerechnet vom Deutschen Meister FC Bayern München torpediert, der seinem Quintett mit Klara Bühl, Lea Schüller, Lina Magull, Sydney Lohmann und Carolin Simon erst am 23. Juni die Anreise zum ersten Trainingslager erlaubt.

Martina Voss-Tecklenburg hat den erweiterten WM-Kader bekanntgegeben. Giulia Gwinn vom FC Bayern ist nicht dabei - und ihr Klub gibt seinen Spielerinnen unabgesprochen mehr Pause.

31.05.2023 | 01:59 min

Bayern-Machtwort verärgert DFB

Chatzialexiou, sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB, sprach unverhohlen vom "Wortbruch". Der 47-Jährige verwies darauf, dass seit Jahresanfang entsprechende Gespräche, Verhandlungen und Abmachungen getroffen worden seien.
Am 13. März sandte der FC Bayern offenbar schriftlich eine Zustimmung in die DFB-Zentrale, ehe am Dienstagabend mit einem von FCB-Präsident Herbert Hainer unterzeichneten Schreiben die Rolle rückwärts erfolgte. Begründung: Die Protagonistinnen des Deutschen Meisters bräuchten mehr Erholungszeit.
Das ist vom Zeitpunkt einfach erschreckend und führt einen Teil der Vorbereitung ad absurdum.
Joti Chatzialexiou
DFB-Funktionär Chatzialexiou erklärte, das Verhalten des FC Bayern sei dem Verband "gegenüber nicht wertschätzend, auch den anderen Vereinen gegenüber respektlos":
Am Ende müssen es die Spielerinnen ausbaden und sitzen zwischen den Stühlen.
Joti Chatzialexiou
Hintergrund ist, dass sich die internationale Frauen-Klubvereinigung ECA viel zu spät um den lange ungeklärten Abstellungszeitraum gekümmert hat. Der ursprüngliche Termin der FIFA lag sogar erst im Juli - ein viel zu kleiner Zeitkorridor, der die Anpassung an die unterschiedliche Klima- und Zeitzone in Ozeanien nicht berücksichtigt hatte. Schließlich empfahlen ECA und FIFA den 23. Juni als Beginn des Abstellungstermin.

Bundestrainerin fühlt sich getäuscht vom FC Bayern

Für Deutschland bedeutet die Blockade aus München: Der ausgetüftelte Vorlauf der Vize-Europameisterinnen für die anspruchsvolle Mission in Down Under ist damit torpediert.
Bundestrainerin Voss-Tecklenburg kritisierte offen die Verantwortlichen beim FC Bayern:
Dieses Thema kann ich nicht fünf, sechs Wochen spielen, bevor die WM losgeht. Nicht zu diesem Zeitpunkt, wo wir ein klares Agreement hatten. Wo wir über Verlässlichkeit reden, über Vertrauen.
Bundestrainerin Voss-Tecklenburg
Die 55-Jährige, die bei den jüngsten Länderspielen stets die Belange der international spielenden Topvereine berücksichtig hat, fühlt sich getäuscht. Mit Linda Dallmann (Syndesmosebandriss) und Giulia Gwinn (Kreuzbandriss) schafften es zwei Bayern-Spielerinnen nach ihren schweren Verletzungen nicht in den Kader.
Die Bayern verteidigten am Mittwoch ihre neue Entscheidung. Diese habe der Verein "im Kern aus Rücksicht auf die Gesundheit der Nationalspielerinnen getroffen", teilte die Münchner mit.
Weil die zehn nominierten WM-Spielerinnen vom VfL Wolfsburg, die am Samstag erst noch das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona (live im ZDF) bestreiten, bei der ersten Maßnahme auch nur dosiert belastet werden sollen, wird für das Testspiel am 24. Juni in Offenbach gegen Vietnam überlegt, einige der eigentlich auf Abruf gehaltenen zehn Spielerinnen einzusetzen.

FCB-Verantwortliche Rech im ECA-Vorsitz

Diese amateurhafte Posse passt nicht zum Auftrag an die Bundestrainerin Voss-Tecklenburg, die bei der WM den dritten Stern holen soll. Im Mittelpunkt der Interessenskollisionen steht dem Vernehmen nach Bayerns Sportliche Leiterin Bianca Rech, die vergangenen Sommer zur Stellvertretenden ECA-Vorsitzenden ernannt wurde.
Die 42-Jährige wollte ihr deutsches WM-Quintett partout nicht vor dem 23. Juni abstellen.
Fakt ist, dass andere Verbände teils gar keine Abmachungen mit den Vereinen trafen. Schuld an diesem Chaos, das die gerne postulierte Professionalisierung im Frauenfußball konterkartiert, ist letztlich aber die FIFA mit der späten Terminierung des WM-Turniers weit nach Saisonende, über die sich übrigens Wolfsburgs Macher Ralf Kellermann schon vor Wochen aufgeregt hatte - er hatte auch die Sprengkraft beim Thema der Abstellungen kommen gesehen.

Der erweiterte deutsche WM-Kader im Überblick:


Tor: Ann-Katrin Berger, Merle Frohms, Stina Johannes, Ena Mahmutovic

Abwehr: Sara Doorsoun, Marina Hegering, Kathrin Hendrich, Sophia Kleinherne, Sarai Linder, Sjoeke Nüsken, Carolin Simon, Felicitas Rauch

Mittelfeld/Angriff: Nicole Anyomi, Jule Brand, Klara Bühl, Sara Däbritz, Laura Freigang, Chantal Hagel, Svenja Huth, Paulina Krumbiegel, Lena Lattwein, Melanie Leupolz, Sydney Lohmann, Lina Magull, Lena Oberdorf, Alexandra Popp, Lea Schüller, Tabea Waßmuth

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