: Ein Fall von Altersdiskriminierung

von Christoph Schneider
25.01.2023 | 18:20 Uhr
Der DFB muss Ex-Schiri Manuel Gräfe eine Entschädigung zahlen. Allerdings nicht in der geforderten Höhe, denn einen Anspruch auf die Aufnahme in die Bundesligaliste gebe es nicht.

Schiedsrichter Manuel Gräfe hat Anspruch auf eine Entschädigung vom DFB. Das Urteil in Sachen Altersgrenze lässt aufhorchen. Denn: Im Fall Gräfe liegt Altersdiskriminierung vor.

25.01.2023 | 02:10 min
Der kleine Sitzungssaal 161 im Gebäude B des Landgerichts (LG) Frankfurt/Main, in dem auch schon die mündliche Verhandlung Mitte November stattfand, platzt um kurz vor 14 Uhr aus allen Nähten. Das Interesse an der Entscheidungsverkündung groß - größer als bei der Verhandlung.
Allein Kläger Manuel Gräfe und der beklagte Deutsche Fußball Bund (DFB) - sie fehlen. Sie müssen auch nicht kommen. Ein Verkündungstermin in einer Zivilsache ist oft unspektakulär, denn meist wird nur der Urteilstenor vorgelesen, keine weitere Begründung und dann ist der Termin nach wenigen Minuten beendet.

Altersdiskriminierung erwiesen

Doch heute ist das anders. Als kurz nach 14 Uhr die 13. Zivilkammer eingezogen ist, die zahlreichen Kamerateams und Fotografen den Saal wieder verlassen haben, beginnt der Vorsitzende Richter, Gerichtspräsident Wilhelm Wolf, mit dem Urteilstenor und da wird deutlich, dass die Klage teilweise erfolgreich ist - "der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.500 Euro zu zahlen".

ZDF-Schiedsrichter-Experte Manuel Gräfe hat Klage wegen Altersdiskriminierung gegen den DFB eingereicht. Im Gespräch mit Jochen Breyer erklärt er die Hintergründe.

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Das sind zwar nicht die von Gräfe geforderten gut 195.000 Euro an Schadensersatzansprüchen, doch wie die weiteren Ausführungen der Zivilkammer zeigen eine deutliche Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Die ist für Gerichtspräsident Wolf und die beiden Beisitzenden Richter erwiesen.

Praktizierte Altergrenze von 47 Jahren

Für den Entschädigungsanspruch sei es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten - hier nicht maßgeblich. Auch wenn in den Regelwerken des DFB eine Altersgrenze für Schiedsrichter nicht schriftlich fixiert sei, so bestehe aber tatsächlich ein praktiziertes Limit von 47 Jahren beim DFB, so die Kammer in ihrer Urteilsbegründung.
Entscheidend: Schiedsrichterchef Lutz-Michael Fröhlich habe in einem bei DFB-TV veröffentlichten Interview im Frühjahr 2021 die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet. Und die Kammer hat weiter festgestellt, dass die letzten Unparteiischen beim DFB, die älter als 47 waren und weiter pfeifen durften, Heinz Aldinger und Walter Eschweiler waren. Das war zu Beginn der 1980er Jahre.

Leistungstests statt unflexible Regeln

"Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, wurde nicht näher dargelegt, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert", so Wolf in seiner Urteilsbegründung.
Und weiter: "Es ist nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könnte." Heißt: Lieber mehr theoretische und vor allem praktische Leistungstests und keine starren, unflexiblen Grenzen.

Benachteiligung wirkt schwer

Für die Entschädigungshöhe ist aus Sicht der Kammer entscheidend, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Gerichtpräsident Wolf stellte dazu fest: "Die Benachteiligung des Klägers wiegt grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innhabenden Beklagten bewusst, (…) und ohne Rechtsfertigungsansatz erfolgte."
"Die Diskriminierung wurde bestätigt! Die Freude auf dem Platz, Abende mit Kollegen/Freunden mir dennoch genommen und der Schaden nur bruchteilhaft ersetzt. Anderen bleibt’s nun erspart", twitterte Manuel Gräfe in einer ersten Reaktion.
Tweet von Manuel Gräfe
Das Urteil gilt unmittelbar nur für die Causa Gräfe. Gegen das Urteil können sowohl Gräfe als auch der DFB Berufung zum OLG Frankfurt/Main einlegen.

Der DFB wird umdenken müssen

Doch klar dürfte nach diesem eindeutigen Richterspruch, der eine Diskriminierung bestätigte, sein, dass die Schiedsrichterführung des DFB hinsichtlich starrer Altersgrenzen wird umdenken müssen – das zeigt aktuell die Diskussion um Felix Brych, der bald mit 48 weiterpfeifen möchte. Der DFB scheint auch nicht abgeneigt. Vielleicht wird die Ausnahme bald zur Regel.

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