: Saudi-Arabien: Wenn Fußball künstlich boomt

von Ralf Lorenzen
09.09.2023 | 10:21 Uhr
Für die neue Rolle Saudi-Arabiens im Weltfußball gibt es zwei Vorbilder. Auch in den USA und China wurde versucht, mit teuren Spielerverpflichtungen einen Boom zu erzeugen.
Neymar in Saudi-Arabiens Pro League.Quelle: dpa
Die Pro League in Saudi-Arabien hat sich in diesem Fußball-Transfersommer praktisch aus dem Stand auf Platz zwei der Ausgabentabelle hinter die uneinholbare Premier League geschoben. Namen wie Neymar, Benzema und Ronaldo sind nur die Spitze des Eisbergs.

USA: Fußball-WM 1966 als Initialzündung

Manch einer, der weitere Abgänge von Stars aus Europa befürchtet, tröstet sich mit der Erinnerung an zwei andere Ligen, die einst mithilfe ausländischer Stars boomten - und dann zusammenbrachen. Die North American Soccer League (NASL) in den USA der 1970er-Jahre und die Super League in China ab Mitte des vergangenen Jahrzehntes.
Fußball führte in den USA lange ein farbloses Schattendasein. Das änderte sich mit der WM 1966 in England, die im US-Fernsehen erstmals in Farbe übertragen wurden und dort für ein überraschend großes Interesse sorgte. Sportinvestoren witterten einen unerschlossenen Markt.

Operettenliga in USA mit Pelé, Beckenbauer und Cruyff

Zunächst gründeten sich 1967 sogar zwei Ligen, die sich ein Jahr später zur North American Soccer League (NASL) zusammenschlossen. Die Liga wuchs am Anfang langsam auf neun Klubs an, 1974 kamen auf einen Schlag sechs dazu und das NASL Championship Game wurde landesweit von CBS live im Fernsehen übertragen. Doch zum "Gamechanger" wurde die Verpflichtung des brasilianischen Altstars Pelé durch Cosmos New York im Jahr 1975.

Der Weltfußball verändert sich grundlegend: Saudi-Arabien greift auf dem Transfermarkt an und holt Top-Stars. Manu Thiele klärt die wichtigsten Fragen dieses Transfersommers.

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Zur Premiere des "Königs" wurde das sandige Spielfeld mit grüner Farbe aufgehübscht, damit die 10 Millionen Zuschauer in den 22 Ländern die Illusion eines grünen Rasens hatten. Es folgten die Verpflichtungen von Giorgio Chinaglia, Franz Beckenbauer und Carlos Alberto - Cosmos zog in der Zeit bis zu 40.000 Zuschauer pro Spiel an.

NASL geht aufgebläht und unausgewogen in den Untergang

Immer mehr Investoren wollten von dem Boom profitieren, die Liga wuchs auf zwanzig Klubs an. Andere Klubs verpflichteten George Best, Johan Cruyff, Geoff Hurst und Gerd Müller. Aber die Zahl zugkräftiger Altstars war begrenzt, die Teams wurden mit weniger bekannten Spielern aus Europa und Amateuren aus Südamerika aufgefüllt.
Einige Teams existierten nur ein, zwei Jahre, bevor sie wieder verkauft oder ganz aufgegeben wurden. Die aufgeblähte und ungleiche Liga brach langsam auseinander, 1984 misslang ein letzter Versuch, mit einer Obergrenze für Gehalt und Kadergröße die Kosten in Schach zu halten. Die NASL-Saison 1985 wurde abgesagt, da nur zwei Teams spielbereit waren.
Heute stellt die Major Soccer League (MSL) Besucherrekorde auf und exportiert Spieler nach Europa. Die Liga hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, ist langsamer gewachsen und kann vor allem auf ein eigenes Nachwuchssystem zurückgreifen.

Staatliche Fesseln für Ausgaben chinesischer Klubs

Der kurze Boom des chinesischen Fußballs, der ab 2014 Stars wie Carlos Tevez, Jackson Martinez, Oscar, Hulk, Axel Witsel oder Paulinho in konzerneigene Klubs wie Guangzhou Evergrande oder Shanghai SIPG spülte, wurde vom Staat erst losgetreten und später abgebremst. Die immer höheren Transfersummen und Gehälter waren mit dem Kommunismus nicht mehr vereinbar. 

Zahlreiche Fußball-Weltstars konnte man bereits gewinnen, die Fußball-WM 2034/38 soll folgen. Mit den Investitionen in den Fußball verfolgt Saudi-Arabien einen übergeordneten Plan.

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Erst wurde eine 100-Prozent-Steuer auf alle Ablösesummen für aus dem Ausland verpflichtete Spieler eingeführt, dann eine Gehaltsobergrenze und schließlich verfügte der Verband, die Unternehmensbezeichnungen aus den Vereinsnamen zu streichen.

Saudi-Arabien: Mehr Begeisterung und Tradition

"Dank schlechter Planung, mangelnder Sichtbarkeit, der Finanzkrise und der Pandemie ist der Fußball in China praktisch verschwunden", sagte der Spielerberater Charles Cardoso der britischen "Sun".
China wuchs auf eine Art und Weise ohne große Infrastruktur und ohne eine angemessene finanzielle Organisation.
Spielerberater Charles Cardoso
RB-Leipzigs Sportvorstand Max Eberl glaubt hingegen nicht, dass der Saudi Pro League das gleiche Schicksal bevorsteht: "Wir haben es diesmal offenbar mit einem durchdachteren Konzept zu tun, als es vorher beispielsweise in China und ganz am Anfang in den USA zu beobachten war", sagte Eberl der Süddeutschen Zeitung.

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