: Der afrikanische Traum vom Titel

von Ralf Lorenzen
08.12.2022 | 19:59 Uhr
1990 prophezeite Pelé bis 2006 einen afrikanischen Fußballweltmeister. Den gibt es bis heute nicht. Der Nationaltrainer von Ghana Otto Addo spricht dennoch von Fortschritten.

Noch nie hat es ein Team aus Afrika geschafft den Titel bei einer Fußball-WM zu holen. Woran liegt das? Sportjournalist Manu Thiele geht dafür auf Spurensuche.

08.12.2022 | 16:30 min
Eben stand er noch bei der WM in Katar an der Seitenlinie der Fußballnationalmannschaft von Ghana, nun guckt er mit dem Emblem von Borussia Dortmund auf dem Shirt in die Kamera von Bolzplatz by Manu Thiele. Kaum jemand kennt die zwei Welten, in denen sich der Großteil der Nationalspieler aus afrikanischen Ländern bewegt, so gut wie Otto Addo.

Afrikanische Profis zwischen den Welten

Geboren und als Fußballer ausgebildet in Hamburg, Profi in diversen Bundesliga-Klubs, heute Nachwuchstrainer bei Borussia Dortmund, zwischendurch 15 Länderspiele für Ghana und bis letzte Woche Nationaltrainer des westafrikanischen Landes.
Außer bei den Tunesiern bilden Spieler aus den europäischen Topligen das Gerüst der afrikanischen WM-Teams in Katar. Entweder wurden sie bereits als Kinder von Einwanderern in Europa geboren oder später als Talente in ihren Herkunftsländern von den Scouts europäischer Clubs abgeworben.

Pelés Prophezeiung

Bereits 1990 prophezeite die brasilianische Fußball-Legende Pelé, dass spätestens 2006 ein Team aus Afrika Fußball-Weltmeister werden würde. Kurz vorher hatte Kamerun bei der WM 1990 in Italien als erste afrikanische Mannschaft das Viertelfinale erreicht.
Bis heute hat es zwar nicht einmal für ein Halbfinale gereicht, aber zwei Achtelfinalisten und der Viertelfinaleinzug Marokkos bedeuten bei dieser WM immerhin einen Fortschritt gegenüber der WM 2018, als alle afrikanischen Teams in der Gruppenphase ausschieden.
Der Weltfußball ist zusammengerückt, insbesondere was das Verteidigen angeht. Es ist schwierig, die Defensiv-Blöcke zu brechen.
Otto Addo im Gespräch mit Manu Thiele
Nun standen insbesondere afrikanische Mannschaften in der Vergangenheit eher für leichtfüßigen Offensiv-Fußball. Genau darin sieht Otto Addo die Aufgabe für die Zukunft des Fußballs in Ghana: die Bolzplatz-Mentalität der Talente mit der taktischen Ausbildung europäischer Klubs zu verbinden. Am besten durch eine bessere, strukturiertere Nachwuchsförderung im eigenen Land.

Versickernde Fördergelder

Gerade Ghana lieferte vor vier Jahren allerdings das beste Beispiel dafür, was die sportliche Entwicklung in den eigenen Ländern erschwert: die Korruption. 2018 wurde der Präsident des ghanaischen Fußballverbandes dabei gefilmt, wie er Geld, das Lockvögel ihm übergaben, in eine Plastik-Tasche stopfte.
Die FIFA sperrte ihn lebenslänglich, mittlerweile wurde die Strafe auf 15 Jahre reduziert. Auch gegen den afrikanischen Fußballverband CAF werden seit Jahren Korruptionsvorwürfe erhoben. Wirtschaftsprüfer bemängelten 2020 undurchsichtige Geldflüsse von insgesamt 24 Millionen US-Dollar für den Zeitraum von 2017 bis 2019.

Der große Einfluss der FIFA

Die Mittel sollen auch aus Entwicklungsgeldern geflossen sein, die der Weltverband FIFA dem afrikanischen Fußballverband überwiesen hat. "Es sind die Gelder, die für Sportausrüstung, Sportakademien, Fußballplätze investiert werden müssten", sagt der Journalist Thomas Kistner. "Und die in den Taschen von raffgierigen Funktionären versickern."
Die von den Wirtschaftsprüfern beschriebene Misswirtschaft fiel in die Ägide von CAF-Präsident Ahmad Ahmad, der mit Hilfe von FIFA-Boss Infantino ins Amt gekommen war. Auch der jetzige CAF-Präsident Patrice Motsepe war laut Guardian "der bevorzugte Kandidat von FIFA-Präsident Gianni Infantino. Der Einfluss des Weltverbands innerhalb der CAF wächst."

Wenig Startplätze für Afrika

Einen anderen Grund für den fußballerischen Rückstand der Länder Afrikas sieht Otto Addo in den wenigen Startplätzen bei den Weltmeisterschaften. Bei der nächsten WM, an der 48 Teilnehmer werden, erhöht sich deren Zahl zwar absolut von fünf auf neun, aber nicht in Relation zu den anderen Kontinenten. Für seine eigene Zukunft schließt Addo nicht aus, dann wieder für Ghana an der Seitenlinie zu stehen.

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