: Les Bleus schon Weltmeister der Effizienz

von Frank Hellmann
15.12.2022 | 11:30 Uhr
Frankreich bleibt sich gegen Marokko treu: Schönheitspreise wollen Les Bleus auch in Katar nicht gewinnen. Es geht allein ums Resultat - und die erste Titelverteidigung seit 1962.
Frankreich-Trainer Didier Deschamps herzt nach dem Finaleinzug bei der WM in Katar Kylian Mbappé.Quelle: imago
Kräfte sparen schien schon direkt nach Schlusspfiff die Devise. Gerade mal einen Jubelsprung gönnten sich Frankreichs Fußballer, um sich bei ihrem doch etwas verloren wirkenden Anhang im Al Bayt Stadion zu bedanken. Bevor zu viele Pfiffe nach dem mühsamen 2:0 im WM-Halbfinale gegen Marokko auf den Weltmeister herabprasseln würden, spazierten die Bleus lieber in die Kabine. Und überließen dem Außenseiter für seine Ehrenrunde vor den vielen nordafrikanischen Schlachtenbummlern das riesige Wüstenzelt von Al Khor.

Macron gratuliert in der Kabine

Ausgelassen jubeln wollen die Franzosen erst am katarischen Nationalfeiertag, nach dem Endspiel gegen Argentinien (Sonntag, 16 Uhr) im Lusail. Wie schon bei der WM 2018 sind sie mit Seriosität, aber ohne Spektakel so weit gekommen.
Es ist großartig, im Finale zu stehen. Es war kein einfacher Sieg. Wir mussten herausfordernde Momente überstehen.
Frankreich-Trainer Didier Deschamps
Weltmeister der Herzen wollte die Equipe Tricolore unter der Anleitung von Trainer Didier Deschamps noch nie werden. Aber wenn Staatspräsident Emmanuel Macron erst Applaus spendet und dann in die Kabine zum Gratulieren kommt, hat der Selectionneur wohl wieder alles richtig gemacht.

Titelverteidiger Frankreich besiegt Marokko im zweiten Halbfinale der WM 2022.

14.12.2022

Didier Deschamps winkt der dritte WM-Titel

Es passt zum pragmatischen Ansatz, dass der 54-Jährige nicht die geringste Neigung verspürte, seine Person zu überhöhen. Dass Deschamps bei drei WM-Titeln - einem als Spieler 1998, zweien als Trainer - und der ersten Titelverteidigung seit Brasilien 1962 seinen besonderen Platz im Geschichtsbuch erhalten würde, interessierte den bodenständigen Basken angeblich nicht.
"Ich bin nicht wichtig. Ich bin stolz auf das Team." Eine selbstlose Aura sichert dauerhaft Autorität. Und irgendwie schafft es Deschamps, dass sich manche seiner Stars noch mal selbst neu erfinden. In seiner neuen Rolle als Spielmacher strahlt Antoine Griezmann inzwischen eine solche Defensivlust gepaart mit Erfolgshunger aus, dass ihn die Experten als besten französischen Fleißarbeiter zum "Man of the Match" kürten.

Frühes Tor ebnet Frankreich den Weg

"Marokko hat mich beeindruckt, sie haben in der zweiten Halbzeit eine Reihe von Möglichkeiten herausgespielt", räumte der 31-Jährige ein, wohlwissend, "dass uns das frühe Tor die Dinge erleichtert hat". Nach dem ersten WM-Treffer des nur durch die schwere Verletzung seines Bruders Lucas Hernandez in die Stammelf gespülten Theo (5.) konnte der Favorit geduldig auf Chancen lauern, die durch die individuelle Klasse eines Kylian Mbappé zwangsläufig entstehen.

Das WM-Finale zwischen Argentinien und Frankreich werde "ein Topduell mit Lionel Messi gegen Kylian Mbappé", so ZDF-Reporter Sven Voss. Die Teams seien "unglaublich torhungrig".

15.12.2022 | 02:35 min
Der 23-Jährige war ja nicht nur an der Entstehung des 1:0 beteiligt. Sondern sein Dribbling war Auslöser für das 2:0 des just eingewechselten Randal Kolo Muani (79.), mit dem der Stürmer von Eintracht Frankfurt mit seinem ersten Ballkontakt den wichtigsten Treffer der Karriere erzielt.

Unterschiedsspieler Mbappé

Deschamps hatte zu diesem Zeitpunkt mit Marcus Thuram von Borussia Mönchengladbach bereits einen weiteren Bundesliga-Angreifer eingewechselt, um die Statik zugunsten des Unterschiedsspielers Mbappé zu verändern. Auch wenn ihn der Gegner mit zwei, drei Jagdhunden stellt, kann das Phänomen grinsend allen entkommen.

Weltweit verfolgten die Anhänger von Marokko und Frankreich das Halbfinale bei der Fußball-WM in Katar. In Brüssel und einigen französischen Städten kam es zu Ausschreitungen.

15.12.2022 | 01:50 min
Am Ende war Frankreichs Nummer zehn zwar weniger als zehn Kilometer gelaufen, aber aus dem Stand auf 35 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen, schafft ein Lionel Messi halt mit 35 Jahren nicht mehr.

Mbappe vs. Messi: Erinnerungen an Achtelfinale 2018

Dass das Finale auf den Showdown der zwei Superstars reduziert wird, ist gar nicht zu verhindern. Nur ist diesmal nicht davon auszugehen, dass die Welt nur Mbappé feiert wie am 30. Juni 2018 im russischen Kasan. Die Argentinier rannten in einem mitreißenden Achtelfinale ins offene Messer, unterlagen mit 3:4. Der nie einzufangende Mbappé strahlte als Doppeltorschütze über beide Backen, der entzauberte Messi stapfte mit versteinerter Miene von dannen.
Deschamps ahnt, dass sich Geschichte nicht wiederholt: "Es ist eine andere Mannschaft als die, gegen die wir vor vier Jahren gespielt haben." Vor allem Messi sei "in einer herausragenden Form. Und er spielt jetzt in einer anderen, offensiveren Rolle als vor vier Jahren. Wir werden auch diesmal versuchen, seine Kreise einzuengen und seinen Einfluss aufs Spiel zu begrenzen. Aber das werden die Argentinier auch bei einigen unserer Spieler versuchen." Es könnte ein Finale werden, in dem die Franzosen alle Körner brauchen.

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