: So schönt Katar die Klimabilanz der WM

von Ralf Lorenzen
12.12.2022 | 20:41 Uhr
Die WM-Organisatoren haben im Vorfeld ein klimaneutrales Turnier angekündigt. Kritiker nennen das "Greenwashing". Das steckt dahinter.

Die FIFA und Gastgeber Katar behaupten, die Fußball-WM sei nachhaltig und klimaneutral. Aber stimmt das? Kritiker widersprechen und sagen, diese Behauptung sei irreführend.

12.12.2022 | 13:33 min
"Wow, die haben die Photovoltaik aber richtig gut versteckt", dachte Jörn Kleinschmidt, als er das erste Mal Bilder der Stadien für die Fußball-WM in Katar sah. Der Vorsitzende des FC Fairplay - Verein für Integrität und Nachhaltigkeit im Fußball - war eigentlich davon ausgegangen, dass die WM-Organisatoren für ihren immensen Energiebedarf die reichlich vorhandene Sonnenenergie nutzen.
Und nun das: "99 Prozent des Stromverbrauchs in den Stadien kommt aus der regulären Stromwirtschaft und die basiert auf Gas", sagt Kleinschmidt in der Sendung Bolzplatz von Manu Thiele - die komplette Sendung sehen Sie oben im Video.

CO2-Ausstoß höher als bei WM in Russland

Das verwundert umso mehr, da die FIFA und die Organisatoren in Katar in ihrem Nachhaltigkeitskonzept explizit die erste klimaneutrale WM aller Zeiten angekündigt haben - also eine Veranstaltung, die zu keiner erhöhten CO2-Belastung führt. "Für das Turnier setzen wir auf kohlenstoffarme Lösungen. Alle restlichen Emissionen, auch von Reisen und Unterbringung, kompensieren wir", sagte Federico Addiechi, Verantwortlicher für Nachhaltigkeit bei der FIFA, noch auf einer Konferenz im Sommer.
Es ist aus unserer Sicht unmöglich, eine vollständig klimaneutrale WM auszurichten.
Ramona Pop, Verbraucherzentrale Bundesverband
In einer Vorab-Analyse hat die FIFA für die WM einen Gesamtausstoß von 3,6 Millionen Tonnen CO2 errechnet. Das wären zwar bereits deutlich mehr als 2018 bei der WM in Russland, aber die Nicht-Regierungsorganisation Carbon Market Watch bezweifelt selbst diese Zahl.

Bau der Stadien nur anteilig eingerechnet

Ihr Hauptkritikpunkt: Der CO2-Ausstoß für den Neubau von sechs Stadien wurde auf 200.000 Tonnen kleingerechnet, indem anteilig nur die 70 Tage einbezogen wurden, in denen sie inklusive der Vorbereitungsspiele für die WM genutzt werden. Diese Berechnung geht davon aus, dass die Stadien sowieso entstanden wären und sinnvoll weiter genutzt werden.
Den Großteil der Emissionen verursacht der Flugreiseverkehr der Zuschauer - trotz Ankündigung einer "WM der kurzen Wege". "Offensichtlich waren die Wege so kurz, dass keine Hotels mehr dazwischen gepasst haben", sagt Jörn Kleinschmidt.

Zahlreiche Fans zu den Spielen eingeflogen

"Die deutschen Fans mussten dann tatsächlich in Dubai übernachten und sind jedes Mal von Dubai nach Doha eingeflogen", so Kleinschmidt. Da dies auch zahlreichen Fans aus anderen Ländern so ging, ist der ökologische Fußabdruck auch für diesen Teil der CO2-Bilanz größer als ursprünglich berechnet.
Abgesehen vom tatsächlichen CO2-Ausstoß gibt es auch Kritik an den geplanten Kompensationen über den Erwerb von Zertifikaten. Der Handel mit Zertifikaten ist ursprünglich einmal eingeführt worden, um Klimaschutzprojekte zu fördern, die sich nicht rentieren und über den Markt nicht zu finanzieren wären.

Die FIFA beschreibt die Weltmeisterschaft in Katar als nachhaltigste WM aller Zeiten. Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, widerspricht.

12.12.2022 | 09:07 min

Kritik an Katars Kompensationsprojekten

Katar unterstützt laut Kleinschmidt hauptsächlich Projekte im Bereich regenerativer Energien, die auch ohne diese Unterstützung entstanden wären. "Es gibt Zertifizierer, die hätten gesagt: Das sind keine Kompensationsprojekte", sagt Kleinschmidt.
Diese Gefahr haben die Organisatoren im Vorfeld abgewendet, indem katarische Regierungsorganisationen 2016 mit dem Global Carbon Council (GCC) eine eigene Zertifizierungsgesellschaft gegründet haben, deren Regeln weniger streng sein sollen und über die ein Großteil der Zertifikate erworben werden soll.

Verbraucherzentrale sieht Täuschung

Fasst man die Kritiken zusammen, beruht die Nachhaltigkeitsstrategie der FIFA auf fehlerhaften CO2-Berechnungen sowie fragwürdigen Kompensationspraktiken. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bezeichnet Aussagen zur angeblich "klimaneutralen" WM in Katar als "Verbrauchertäuschung" und "Greenwashing".
Im Interview mit Manu Thiele nennt Jörn Kleinschmidt Kriterien für eine nachhaltige WM: "Man benutzt die bestehenden Stadien und vorhandene öffentliche Verkehrsmittel, man produziert keinen Müll, sondern lässt lokale Caterer für die Versorgung von Fans uns Spielern ran und man versucht so wenig wie möglich zwischen den Spielen zu reisen."

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