: Handballerinnen kämpfen ums Weiterkommen

von Erik Eggers
09.11.2022 | 08:46 Uhr
Die deutschen Handballerinnen kämpfen bei der EM gegen Spanien am Abend gegen das Vorrunden-Aus. Offen ist, wie sehr der Skandal um Trainer André Fuhr das Team beschäftigt.
Die deutschen Handballerinnen kämpfen bei der EM um das Weiterkommen in die Hauptrunde.Quelle: dpa
Mit einer Medaille hatten die deutschen Handballerinnen geliebäugelt. Der Traum von Edelmetall sei "bei allen da", hatte Co-Kapitänin Emily Bölk vor dem Turnier gesagt. Nach der 25:29-Niederlage gegen Co-Gastgeber Montenegro aber droht ihnen bei der 15. EM das frühe Aus. Im letzten Vorrundenspiel gegen Spanien (Mittwoch, 20.30 Uhr) benötigen sie unbedingt ein Remis, um sicher die Hauptrunde von Skopje zu erreichen.

Zu viele technische Fehler

In Podgorica hatte die DHB-Auswahl laut Bundestrainer Markus Gaugisch zwar gut gegen die lautstarke Kulisse behauptet – über 3.400 Zuschauer hatten die Gastgeberinnen mit euphorischen Fangesängen nach vorne gepeitscht. Am Ende aber hatte sich der deutsche Angriff, wie schon beim 25:23-Auftaktsieg gegen die Polinnen, zu viele technische Fehler geleistet. Dieser Rückschlag sei "ein bisschen enttäuschend", sagte Bölk, die beste Individualistin an diesem Tag.

Die deutschen Handball-Frauen müssen sich bei der EM dem Co-Gastgeber Montenegro geschlagen geben und verpassen den vorzeitigen Einzug in die Hauptrunde.

07.11.2022
Sie stehen also enorm unter Druck. Zwar spielen die Spanierinnen bisher nicht so stark wie bei der WM im Vorjahr, als die DHB-Auswahl an diesem Gegner im Viertelfinale gescheitert war. Aber natürlich würde ein Vorrunden-Aus die Frage provozieren, ob die vielen Negativ-Schlagzeilen im Vorfeld die Konzentration des Teams nicht zu sehr gestört haben?

Vorwürfe gegen André Fuhr

Zwei Wochen vor dem Turnier hatte der "Spiegel" über psychischen Missbrauch im deutschen Frauenhandball berichtet. Die Vorwürfe richteten sich gegen den Dortmund-Trainer André Fuhr, der die Anschuldigungen, er habe viele Spielerinnen schikaniert, als unbegründet zurückwies. Demgegenüber stehen indes teils erschütternde Berichte von über 30 Betroffenen bei der Anlaufstelle gegen Gewalt.
Ins Rollen gebracht hatten den Fall die beiden Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger, die vor der EM nicht rechtzeitig fit geworden war, mit fristlosen Kündigungen bei Borussia Dortmund. Der Verein hat inzwischen den Kontrakt mit Fuhr aufgelöst.

DHB ebenfalls in der Kritik

Der Skandal erfasste auch den DHB, da Fuhr dort seit 2019 die Juniorinnen coachte. DHB-Verantwortliche, so der Vorwurf, seien einigen Hinweisen auf die Methoden Fuhrs nicht entschieden genug nachgegangen. Der Dachverband hatte daraufhin die Einsetzung einer unabhängigen Kommission angekündigt, die nach der EM die Fälle untersuchen soll.
"Das ist unglaublich wichtig, und es ist auch wichtig, dass das vor der EM passiert ist", hatte Rückraumspielerin Xenia Smits im aktuellen Sportstudio erklärt. Das Thema sei im Vorfeld deutlich angesprochen worden, so dass sich das Team auf die EM habe konzentrieren können: "Uns wurde der Rücken freigehalten."

Mitspielerinnen zwischen Solidarität und Zurückhaltung

Klar wurde aber auch, dass die Vorwürfe gegen Fuhr in der Nationalmannschaft unterschiedlich bewertet werden. Während Co-Kapitänin Emily Bölk, Kreisläuferin Luisa Schulze oder Julia Maidhof sich in den sozialen Medien mit Zschocke und Berger uneingeschränkt solidarisierten, blieben andere Teile des Teams stumm.
Diese Zurückhaltung hat ihre Gründe offenbar auch darin, dass Spielerinnen wie Co-Kapitänin Alina Grijseels und auch Smits von Fuhr, dessen fachliche Fähigkeiten in der Szene gerühmt werden, auf Weltklasseniveau gebracht wurden. Sie selbst litten offensichtlich auch nicht unter Fuhr. Aber sie sprangen den betroffenen Spielerinnen in Dortmund, als diese dort unter Druck gerieten, eben auch nicht bei.

Sieg gegen Spanien könnte helfen

Selbst wenn das Thema Fuhr im Team während bei der EM völlig ausgeklammert worden sein sollte, erscheint die Lage also heikel. Selbstverständlich würde ein Sieg gegen die Spanierinnen helfen, um das fragile Gebilde zu stärken, die Aussicht auf eine Medaille sowieso. Im Falle eines Vorrunden-Aus aber dürfte dieses Thema erneut auf die Agenda gesetzt werden.

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